Netzneutralität in Deutschland:Auch in Deutschland ist die Netzneutralität durchlöchert

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Skeptiker fragen: Gibt es Netzneutralität in Europa eigentlich noch? (Foto: Neonbrand / Unsplash)

Die USA schaffen die Gleichbehandlung von Internet-Diensten ab. Wie sieht es hierzulande aus?

Von Mirjam Hauck und Helmut Martin-Jung, München

Zahlen dafür, dass man Netflix nutzen darf und dann noch einmal dafür, dass Filme und Serien auch in guter Qualität übers Internet geliefert werden - das ist in der EU bisher im Grunde verboten. Die Internetanbieter dürfen also nicht für die Vorzugsbehandlung von Diensten, die es bereits gibt, Extra-Gebühren verlangen. Es widerspräche dem Grundsatz der Netzneutralität, demzufolge jegliche Daten im Netz gleich zu behandeln sind. In den USA wird das nun künftig anders gehandhabt.

Alexander Sander, Geschäftsführer des Bürgerrechtsvereins "Digitale Gesellschaft" sieht in der FCC-Entscheidung aber keinen direkten Einfluss auf Europa. Allerdings glaubt er, dass die Provider nun den Lobbydruck auf Politiker in Brüssel und Berlin erhöhen werden. Sie könnten zum Beispiel argumentieren, dass der Breitbandausbau und die Einführung der nächsten Mobilfunkgeneration nur zu finanzieren sei, wenn sie Geld für bestimmte Datenpakete verlangen dürften.

Für die Verbraucher führe die Abschaffung der Netzneutralität dazu, sagt Sander, dass verwirrende Angebote entstünden. Muss man derzeit bei Verträgen vor allem darauf achten, wie schnell man Daten herunter- und hochladen kann, könnte es künftig so sein, dass man zwar eine schnelle Übertragungsrate habe, aber dann Youtube nicht mehr nutzen könne, weil die Übertragung vom Internetanbieter gedrosselt wird. Ohne Netzneutralität hätten es neue innovative Dienste und Start-ups schwerer. Allerdings könnte sich Europa dies zu Nutze machen und mit klaren Regelungen pro Netzneutralität dazu beitragen, dass hier das europäische oder deutsche Silicon Valley entsteht, das sich viele Politiker wünschen.

Aber gibt es die Netzneutralität in Europa eigentlich noch? Erlaubt sind nämlich auch in Europa Angebote wie "Stream on" von der Deutschen Telekom oder "Vodafone Pass" des Konkurrenten Vodafone, die manche bereits als Verletzung der Netzneutralität werten. Diese Zero-Rating-Verträge sehen vor, dass gegen eine (eingepreiste) Zusatzgebühr die Dienste bestimmter Anbieter bei der Berechnung des Datenvolumens im Mobilfunk nicht mitberechnet werden.

Die Bundesnetzagentur sah darin keine Verletzung der Netzneutralität, obwohl es bedeutet, dass es manche Anbieter leichter haben, ihre Angebote zum Konsumenten zu bringen als andere. Die Aufsichtsbehörde genehmigte "Stream On" daher unter Auflagen, "Vodafone Pass" wird derzeit noch überprüft. Das Angebot ist für Nutzer deshalb attraktiv, weil sie einige Angebote auch unterwegs nutzen können, ohne dass dadurch die meist auf einige Gigabyte begrenzten Inklusivvolumina zusammenschrumpfen - was insbesondere bei hochaufgelösten Videos sehr schnell geht.

Allerdings haben die Verträge auch einige einschränkende Klauseln. So werden beispielsweise bei der Telekom die mitgelieferten Cover-Bilder, Werbung oder Spiele durchaus aufs Datenvolumen angerechnet. Auch im EU-Ausland gilt das Zero Rating nicht - das hat auch die Bundesnetzagentur bemängelt. Und ist das Inklusivvolumen eines Monats verbraucht, funktioniert auch das Zero Rating nicht mehr.

Das eigentliche Problem, das Kritiker beim Zero Rating sehen, ist aber, dass nicht alle Anbieter gleich behandelt werden. Wer sich bei den Netzanbietern anmeldet, hat es bei den Endkunden leichter, weil diese darauf zugreifen können, ohne dass sie befürchten müssen, dass ihre teuer bezahlten Datenvolumina dahinschwinden. Wer diese ziemlich aufwendige Prozedur aber nicht auf sich nimmt, hat diesen Vorteil nicht. Das bevorzugt größere Inhalteanbieter, die die Kapazität haben, die Vereinbarungen mit den Mobilfunkanbietern auszuhandeln. Nach Ansicht von Klaus Müller, Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, gehe die Entscheidung der Netzagentur "zu Lasten des freien Internets". Die Wahlfreiheit für die Verbraucher werde kleiner und der Wettbewerb zwischen Dienstanbietern verringert.

© SZ vom 15.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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