Mutmaßlicher Betreiber der Drogen-Plattform "Silk Road":Drogenhandel, Mordversuch - und den Klarnamen angegeben

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Vom Drogenhandel bis zum Auftragsmord: Der Mann, der hinter der Plattform Silk Road stehen soll, ging zu sorglos mit seinen Daten um. In der Anklageschrift beschreibt das FBI detailliert die Ermittlungen, die zur Festnahme geführt haben.

Von Hakan Tanriverdi

Kokain, Heroin, LSD: Auf Silk Road kann man sich all diese Drogen in einen Warenkorb legen, anonym bezahlen und liefern lassen. Die Seite gilt als "Amazon für Drogen". Auch gestohlene Kreditkartendaten und gepanzerte Fahrzeuge lassen sich kaufen - oder das Hacken von Facebook-Accounts in Auftrag geben. Das sind gute Gründe, um als Betreiber dieser Seite erhöhten Wert darauf zu legen, unerkannt zu bleiben. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass gegen einen ermittelt wird, dürfte recht groß sein.

Doch wie aus der 39-seitigen Anklageschrift ( hier die PDF-Version) gegen Ross William Ulbricht hervorgeht, ging der angebliche Betreiber von Silk Road ("Seidenstraße") relativ freizügig mit seinen Informationen um.

Ulbricht wird in zwei separaten Anklagen (die zweite Anklageschrift finden Sie hier, ebenfalls als PDF) beschuldigt: unter anderem wegen Verschwörung zum Drogenhandel, Verschwörung zum Hacken von Computern, Verschwörung zur Geldwäsche und, der schwerwiegendste Vorwurf, eines Mordversuchs.

In der Anklageschrift wird detailliert ausgeführt, wie das FBI auf Ulbricht aufmerksam wurde und wie er in zwei Fällen angeblich einen Auftragskiller bezahlte, um gezielt Menschen zu töten.

Pseudonym "Dread Pirate Roberts"

In der Anklageschrift steht, dass Silk Road der umfangreichste kriminelle Umschlagplatz im Internet sei und von Tausenden Drogendealern benutzt würde. In einem Zeitraum von Februar 2011 bis Juli 2013 sollen dort Einkäufe im Wert von 9,5 Millionen Bitcoin getätigt worden sein. Eine Umrechnung in US-Dollar in Euro ist insofern schwierig, da der Kurs der digitalen Währung extremen Schwankungen unterliegt. In der Anklageschrift wird ein Wert von 1,2 Milliarden US-Dollar genannt.

Das FBI kam auf "Dread Pirate Roberts", so das Pseudonym des Betreibers von Silk Road, weil dieser seine Identität mehrfach preisgegeben hat.

Unter dem Namen "altoid" bewarb ein Nutzer in kurzen Abständen auf den Seiten "shroomery.org" und dem Forum "Bitcoin Talk" Silk Road, im Januar 2011. Silk Road ging Anfang 2011 online. Acht Monate später postete der Nutzer "altoid" weitere Beiträge im Forum von Bitcoin Talk. In einem davon gab er seine E-Mail-Adresse an, angemeldet bei Googlemail. Sie lief unter seinem Klarnamen.

Über eine Anfrage bei Google fanden die Ermittler heraus, wem der Account gehört. Daraus ergaben sich die nächsten Erkenntnisse. Ulbricht verfügte der Anklageschrift zufolge über ein Profil bei dem sozialen Netzwerk Google+ und einen YouTube-Account. Das Profilbild von Google+ wurde auch auf anderen Seiten wie dem Jobportal LinkedIn verwendet. Auf Youtube favorisierte Ulbricht anscheinend Videos des " Mises Institute" - ein wirtschaftswissenschaftliches Institut und Vertreter der sogenannten "Österreichischen Schule". Diese Theorien verbreitete der Nutzer DreadPirateRoberts auch über Silk Road.

Darüber hinaus habe Ulbricht eine verräterische Frage auf "Stackoverflow" gestellt. Stackoverflow ist eine Frage-Antwort-Seite für Programmierer. Unter Angabe seines echten Namens und der schon bekannten Googlemail-Adresse fragte Ulbricht, wie er sich mit dem Tor-Netzwerk verbinden könne. Die paar Zeilen Programmcode, die er in seiner Frage gleich mitpostete, finden sich auch auf dem Silk-Road-Webserver. Ulbricht habe seinen Klarnamen auf Stackoverflow anschließend im Verlauf von nur einer Minute geändert - zu spät.

Lieber exekutieren anstatt zu foltern

In beiden Anklageschriften werden zwei Auftragsmorde detailliert beschrieben, die Ulbricht angeordnet haben soll.

Im ersten Fall geht es um Erpressung. Ein kanadischer Nutzer soll von Ulbricht 500.000 US-Dollar verlangt haben. Im Gegenzug würde er davon absehen, eine Liste mit Klarnamen einer großen Anzahl der Silk-Road-Nutzer zu veröffentlichen. Ulbricht habe daraufhin einen Auftragskiller damit beauftragt, den Erpresser umzubringen. Angeblicher Kostenpunkt: 150.000 US-Dollar. Anschließend sei der Auftrag ausgeführt worden, samt Beweisfoto, das an Ulbricht geschickt worden sei. In der Anklageschrift heißt es weiter, dass das FBI bei kanadischen Behörden angefragt habe und es keinen entsprechenden Todesfall gebe.

Im zweiten Fall soll Ulbricht einen verdeckt arbeitenden Ermittler damit beauftragt haben, einen der Mitarbeiter bei Silk Road zu foltern. Dieser sei von Strafverfolgungsbehörden festgenommen worden und habe darüber hinaus Geld von anderen Silk-Road-Nutzern geklaut. "Ich hätte gerne, dass er verprügelt wird", soll Ulbricht geschrieben haben und am Tag darauf: "Können wir den Auftrag in Exekution ändern anstatt der Folter?" Für den Auftrag habe Ulbricht 80.000 US-Dollar bezahlt. Der Agent habe ein gefälschtes Beweisfoto geschickt.

Das Foto habe Ulbricht schockiert. Einen Mord online in Auftrag zu geben und daraufhin als (mutmaßliches) Ergebnis den Beweis für den vermeintlichen Tod eines Menschen zu bekommen, waren für ihn wohl zwei verschiedene Dinge. Aber Ulbricht habe schnell seine Fassung wieder gefunden, anschließend seien seine Worte gewesen: "Ich glaube nicht, dass ich mich falsch entschieden habe. Ich glaube außerdem, dass ich Dich bald wieder kontaktieren werde. Auch wenn ich hoffe, dass ich es nicht tun muss."

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