Geschäftsmodell:Instagram setzt auf Werbung

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Facebook hat für den Fotodienst Milliarden gezahlt, bisher hat Instagram aber noch keinen Cent Gewinnn gemacht. Marken wie Coca-Cola und Levi's nutzen die Plattform schon für Kampagnen - im kommenden Jahr sollen auch richtige Anzeigen dazukommen. Das könnte Instagram-Nutzer aus mehreren Gründen stören.

Von Evelyn M. Rusli, Wall Street Journal Deutschland

Als Emily White im März von Facebook zu Instagram stieß, nahm sie sich zunächst Firmenchef Kevin Systrom vor. "In den ersten zwei Wochen habe ich ihn in ein Konferenzzimmer gesperrt und gesagt: 'Wir müssen unseren Plan auf Papier bringen'", erinnert sich White.

Zwei Wochen später hatte Systrom die Mission seiner App in einem Satz formuliert: "die Augenblicke der Welt zu erfassen und zu teilen". Das war das Motto. Ein Leitsatz, den Instagram nun an seine Mitarbeiter, die Nutzer und - genauso wichtig - zukünftige Investoren ausgeben konnte.

Als Director of Business Operations ist White effektiv für das operative Geschäft bei Instagram zuständig. Die 35-Jährige ist die Person, die aus einer Milliarden-Übernahme ein echtes Geschäft machen soll. Sie soll eine Firma, die nie einen Cent Gewinn erzielt hat, profitabel machen. Zwar trifft Instagram-Mitgründer Systrom auch weiterhin die letzte Entscheidung. Allerdings fällt es in Whites Aufgabenbereich, Unternehmen zu umwerben und die Grundlage für zukünftige Werbeaktionen zu legen.

Bisher gibt es auf Instagram keine Werbung. Doch White berichtet, dass man innerhalb des kommenden Jahres beginnen werde, Anzeigen zu verkaufen. Der Schlüssel zum Erfolg lautet dabei: Marketingmaßnahmen derart zu integrieren, dass der Coolness-Faktor von Instagram nicht verloren geht. "Auf lange Sicht wollen wir Geld einnehmen", sagt White. "Kurzfristig gibt es jedoch keinen Druck."

Am Anfang ging es vor allem um mehr Nutzer

Seit Systrom die App 2010 ins Leben rief, haben sich die Entwickler vor allem darauf konzentriert, neue Nutzer hinzuzugewinnen, indem sie ihnen ein sauberes Design geboten haben und eine einfache Weise, mit schicken Filtern bearbeitete Fotos zu teilen. Laut Instagram kommt das Unternehmen mittlerweile auf 150 Millionen aktive Nutzer im Monat - eine Steigerung von 128 Millionen, seit Facebook die App vergangenes Jahr gekauft hat. Bei dieser Geschwindigkeit nähert sich das Foto-Netzwerk dem sieben Jahre alten Rivalen Twitter immer stärker an. Twitter kam im März auf "deutlich mehr" als 200 Millionen aktive Nutzer monatlich.

Das Paar White-Systrom ist nicht das einzige Power-Duo auf dem Campus: Facebook-Chef Mark Zuckerberg und COO Sheryl Sandberg sind ähnlich eng miteinander verbunden. Sandberg war Mentorin von White.

Als Absolventin der Vanderbilt University begann White genau wie Sandberg ihre Karriere bei Google . Zunächst im Verkauf von Adwords-Produkten, arbeitete sie später für das Überseegeschäft. 2010 konnte Sandberg White dann zu Facebook locken. Dort übernahm sie die Verantwortung für das Geschäft mit lokalen Produkten. Nicht alle ihre Versuche waren ein Erfolg. Deals zum Beispiel, ein lokaler Angebotsservice, kam nie aus der Testphase heraus. Ende 2011 wurde White Senior Director of Mobile Partnerships und war für Partnerschaften mit Mobilfunkanbietern und anderen mobilen Unternehmen verantwortlich.

Als White zu Instagram stieß, gab es dort noch nicht einmal einen Entwurf eines Geschäftsplans. Zu Beginn dieses Jahres arbeiteten 32 Menschen für das Unternehmen. Sie konzentrierten sich in erster Linie auf das Produkt. Kundenservice? Analyse? Dafür fühlte sich niemand zuständig. Nur eine Person kümmerte sich um die tausende Firmen, die Instagram mittlerweile dafür verwenden, ihre Produkte zu bewerben. Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen und ein wenig Struktur hineinzubringen, überprüfte White zunächst jeden Geschäftsbereich im Unternehmen.

Mittlerweile beschäftigt Instagram 50 Mitarbeiter, darunter sind zwei, die sich um die Analyse kümmern, und vier Angestellte, die die Beziehungen des Unternehmens zu großen Unternehmen betreuen.

Unter Whites Ägide hat das Instagram-Team jede große Marke aufgelistet, die im Fotonetzwerk vertreten ist. Anschließend traf sie sich mit den Firmen - vergangene Woche zum Beispiel mit Ford, Williams-Sonoma und Coca-Cola .

Nach Jahren, in denen das Netzwerk auf Werbung verzichtet hat, riskiert Instagram nun, seine Mitglieder zu verlieren - vor allem die große Nutzerbasis aus Teenies und jungen Erwachsenen, für die sich Werber besonders interessieren. Zu viel Werbung könnte sich als störend erweisen und damit eines der stärksten Argumente des Angebots zerstören.

"Theoretisch könnte [Instagram] heute bereits hunderte Millionen US-Dollar einnehmen", sagt Brian Wieser, Analyst bei der Pivotal Research Group. "Allerdings bräuchten sie dafür eine große Verkaufstruppe, und sie würden riskieren, das Netzwerk zu verschmutzen."

Die Nutzer haben schon einmal rebelliert. Instagram provozierte im vergangenen Dezember einen Aufschrei, als sich Mitglieder über Änderungen in den Nutzungsbedingungen beschwerten. Demnach sollte es dem Netzwerk möglich sein, Bilder seiner Nutzer für Werbemaßnahmen zu verwenden. White berichtet, dass es Drittanbieterlösungen gibt, die Firmen nutzen können, um Zugang zu den Inhalten von Nutzern zu bekommen. Instagram würde dies ihren Angaben zufolge jedoch "nicht fördern".

Es ist nicht sicher, ob Werber tatsächlich Geld für etwas ausgeben werden, das Instagram derzeit kostenlos verteilt. Viele Firmen, darunter Nike und Lululemon Athletica setzen bereits auf virale Kampagnen innerhalb des Fotonetzwerkes. (White sitzt im Board von Lululemon.) Außerdem fehlt es derzeit noch an einem System, das Werbekunden vor Augen führt, wen sie mit einer Anzeige erreichen können und wie erfolgreich ihr Einsatz ist.

"Unternehmen fordern immer Daten", sagt John Manoogian, Mitgründer von 140 Proof, einem Werbedienst für soziale Medien. "Wenn Instagram eine echte Werbeplattform werden will, müssen sie sich an die Standards halten. Die Firmen wollen wissen, wie die Fotos und Videos sich auf ihre Verkaufsziele auswirken."

Am Freitag startete Levi Strauss & Co. eine Marketingkampagne, in deren Zentrum Instagram steht. Es geht um eine Zugfahrt durchs ganze Land und um eine Gruppe von Künstlern, die Musik und Kunst machen will, wenn sie durch größere Städte kommt. Kameras, die im Zug installiert wurden, sollen automatisch Bilder und Videos auf Instagram hochladen. Das Team des Fotonetzwerkes hat dabei geholfen, die nötige Technik zu installieren. Allerdings hat Levi's kein Geld an die App-Firma gezahlt. Nach Angaben von White sollen solche Partnerschaften dabei helfen, dass Firmen den Wert des Angebotes schätzen lernen.

Julie Channing, die bei Levi's das digitale Geschäft leitet, sagt, Instagram sei eine "Plattform mit hoher Priorität" für ihr Unternehmen. "Wir treffen uns mittlerweile regelmäßig."

Wie könnten bezahlte Anzeigen bei Instagram aussehen?

Das Team von White prüft Möglichkeiten rund um die Entdecken-Funktion der App. Dort werden besonders populäre Accounts beworben. Aber auch die Suchfunktion, mit der Nutzer das Netzwerk nach bestimmten Bildern oder Themen durchforsten können, steht im Fokus. Laut White sind einige Händler auch an Werbeformen interessiert, bei denen die Nutzer auf ein bestimmtes Produktbild klicken, das sie dann auf die Website des verkaufenden Unternehmens weiterleitet. Allerdings ließ sie diesbezüglich Zurückhaltung walten. Viele mobile Websites bedürfen ihrer Meinung nach einer Überarbeitung.

White möchte einige der vergangenen Fehler von Facebook im Umgang mit Werbekunden verhindern. Darum hat sie regelmäßig bei den höchsten Werbeverantwortlichen von Facebook um Rat gefragt, darunter auch bei Sandberg, David Fischer, seines Zeichens Vicepresident of Business and Marketing Partnerships, und bei Carolyn Everson, Vicepresident of Global Marketing. Facebook habe "eine Menge unterschiedlicher Produkte entwickelt und es wurde kompliziert", sagt sie. Das Mutterschiff habe laut White in diesem Jahr Bemühungen unternommen, die Komplexität zu reduzieren. "Ich überlege immer, wie man es einfach machen kann."

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