Forschung:So hat es die Informatik-Pionierin Liskov an die Spitze geschafft

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Barbara Liskov hatte es als Frau in der Informatik ziemlich schwer. Heute ist sie eine der Koryphäen ihres Fachs. (Foto: Donna Coveney/MIT)

Die Amerikanerin Barbara Liskov ist eine der wenigen erfolgreichen Forscherinnen in der Informatik.

Von Miriam Hoffmeyer

Unter den bisher 107 Wissenschaftlern, die einen wichtigen Preis für Mathematik oder Informatik erhalten haben, sind nur vier Frauen. Die Informatik-Pionierin Barbara Liskov ist eine von ihnen - und auch die einzige Frau unter den 21 Preisträgern, die am diesjährigen Heidelberg Laureate Forum teilnehmen. Seit sie sich nach ihrem ersten College-Abschluss 1961 bei der Elite-Universität Princeton beworben hatte und mit dem Argument abgelehnt worden war, man nehme nur männliche Bewerber auf, hat Barbara Liskov einen weiten, durchaus nicht geradlinigen Weg zurückgelegt.

"Wenn ich auf meine frühe Karriere zurückblicke, staune ich selbst darüber, wie zufällig die einzelnen Stationen waren", sagt die 77-Jährige. "Ich hatte überhaupt keinen festen Plan, wohin es gehen sollte, ich reagierte nur auf unerwartete Hindernisse und Chancen. Diese Planlosigkeit hatte aber auch Vorteile, ohne sie hätte ich einige Chancen vermutlich verpasst."

Charakteristisch für Liskov ist die pragmatische Unbekümmertheit, mit der sie Rückschläge einfach hinnahm und aus den Alternativen das Beste machte. Auch wenn sie jahrzehntelang an jeder Station ihrer Karriere die einzige Frau war - sie habe einfach nie groß darüber nachgedacht, meint sie.

Einziges Mädchen im Mathematik-Leistungskurs

Das fing schon auf der Highschool in San Francisco an, wo sie als einziges Mädchen im Mathematik-Leistungskurs saß. Nach ihrem Abschluss an der Universität Berkeley zog sie nach Boston, wo sie aber weder einen Postgraduate-Studienplatz noch eine interessante Stelle als Mathematikerin ergattern konnte. So heuerte die junge Frau als Programmiererin bei Mitre Corporation an, einer Non-Profit-Denkfabrik, die Forschungsprojekte der amerikanischen Regierung bearbeitete. "Bevor ich bei Mitre anfing, hatte ich noch nie einen Computer gesehen und wusste nichts darüber", sagt Liskov. "Ich musste mir das Programmieren selbst beibringen - und stellte fest, dass es mir großen Spaß machte."

Nach einem Projekt für die Harvard-Universität entschied sie sich, doch noch weiterzustudieren, kehrte nach Kalifornien zurück und schrieb sich an der renommierten Universität Stanford ein. "Wie der Studiengang hieß, weiß ich gar nicht mehr", sagt Liskov, "irgendwas mit Mathematik und Ingenieurwesen." Erst während ihres Studiums entstand in Stanford die Fakultät für Informatik. Ihre Doktorarbeit schrieb Liskov über Schach-Endspiele bei John McCarthy, der den Begriff "künstliche Intelligenz" geprägt hatte.

Gern wäre sie an der Hochschule geblieben, doch wieder gab es keine angemessene Stelle für sie. Deshalb ging sie zu Mitre Corporation zurück und entwickelte dort die "Venus Machine", mit der sich komplexe gleichlaufende Software installieren lässt, sowie das Betriebssystem "Venus". Damit wurde es möglich, dass bis zu 16 Benutzer gleichzeitig auf einen Computer zugriffen. Dieser Durchbruch führte dazu, dass Liskov 1972 vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) angeworben wurde, an dem sie bis heute forscht.

"Als ich jung war, dachten Frauen gar nicht über eine Karriere nach", sagt die Informatikerin. "Ich wollte einfach nur eine interessante Arbeit machen. Sogar als ich schon den Doktortitel hatte, war für mich selbstverständlich, dass ich aufhören würde zu arbeiten, wenn ich Kinder hätte." Erst als Professorin änderte sie ihre Meinung und arbeitete auch nach der Geburt ihres Sohnes 1975 weiter in Vollzeit. "Mein Mann hat mich dabei sehr unterstützt, da hatte ich großes Glück."

Am MIT forschte Liskov auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Unter ihrer Leitung wurde die Programmiersprache CLU entwickelt - die Grundlage aller modernen objektorientierten Programmiersprachen wie Java oder C#. Zur Computersprachen-Theorie gehört auch das "Liskovsche Substitutionsprinzip", das sie zusammen mit Jeannette Wing formulierte.

In den 1980er-Jahren konzentrierte sich Liskov vor allem auf verteilte Systeme, die auf Computern laufen, die über ein Netzwerk wie zum Beispiel das Internet miteinander verknüpft sind. Auf diesem Gebiet entwickelte sie unter anderem die Programmiersprache Argus. Besonders wichtig ist auch ihre Arbeit über Replikationsprotokolle, mit der Systeme weiter zuverlässig arbeiten können, selbst wenn einzelne Teile ausfallen. Sie habe es einfach gern, wenn Dinge funktionierten, sagt Barbara Liskov über sich: "Und ich finde gern Lösungen für Probleme, die gleichzeitig praktisch und elegant sind."

Für ihre bahnbrechenden Beiträge zur Entwicklung von Programmiersprachen und -systemen wurde Barbara Liskov 2008 der Turing-Preis verliehen. Auch danach begab sie sich noch auf neue Arbeitsgebiete und forschte unter anderem über Datensicherheit. Erst vor zwei Jahren ging sie offiziell in den Ruhestand, ist aber immer noch in Teilzeit am MIT tätig: "Ich arbeite zusammen mit Kollegen an Programmiersprachen und an einem Projekt, in dem es darum geht, dass Multicore-Prozessoren schnell laufen, auch wenn mehrere Nutzer gleichzeitig auf dieselben Daten zugreifen", erklärt sie. "Damit habe ich mich bisher nicht befasst, und ich finde es sehr interessant."

Zugleich betont Barbara Liskov, die gern Kriminalromane liest und im Garten arbeitet, dass sie nie arbeitssüchtig gewesen sei: "Am Wochenende habe ich immer frei gehabt. Ich halte auch nichts von der heutigen Entwicklung, dass die Leute rund um die Uhr arbeiten. Für Frauen wird es durch diesen Druck besonders schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren."

In den vergangenen Jahrzehnten hat Barbara Liskov Nachwuchswissenschaftlerinnen am MIT stark gefördert. Das Bildungssystem der USA mache es Frauen heute sehr viel leichter, sogenannte Mint-Fächer zu wählen, meint sie. "Trotzdem gibt es leider immer noch starke kulturelle Stereotypen, die junge Frauen von diesen Fächern abschrecken."

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In Heidelberg wird Barbara Liskov einen Vortrag über "Die Macht der Abstraktion" halten. Sie freue sich besonders darauf, die Mathematik-Preisträger kennenzulernen, meint sie. "Die Informatiker kenne ich ja schon alle."

© SZ vom 21.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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