Facebook:Die Menschenfreundposen des Mark Zuckerberg

Facebook founder Mark Zuckerberg speaks during the Alumni Exercises following the 366th Commencement Exercises at Harvard University in Cambridge

Viel zu erzählen: Am Donnerstag hielt Facebook-Chef Mark Zuckerberg eine Rede an der Universität Harvard.

(Foto: REUTERS)

Die jüngsten Enthüllungen zeigen: Menschlichkeit gehört nicht zum Geschäftsmodell des Facebook-Chefs, trotz aller publikumswirksamen Auftritte. Sein wichtigstes Kapital haben aber zum Glück die Nutzer in der Hand.

Kommentar von Andrian Kreye

Facebook-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg ist seit März in der amerikanischen Provinz unterwegs. Er sucht nach einer "breiteren Perspektive" auf das Volk, das Leben und seine Arbeit. Die Ausflüge sind akribisch dokumentiert, auf seiner Facebook-Seite. Da sieht man ihn beim Traktorfahren, Kälberfüttern und in der Kirche. Er grinst immer wieder über Portionen schlechten Essens volksnah in die Kamera. Das Ganze wirkt bisweilen Kim-Jong-unesk. Wobei Zuckerberg natürlich keine Atomwaffen hat und kein Volk zu Tode quält.

Nötig hat er die Charmeoffensive trotzdem. Liest man sich durch die Facebook-Löschkriterien, die nun zum englischen Guardian und zur Süddeutschen Zeitung durchgesickert sind, oder betrachtet man die Methoden, mit denen Hass und Gewalt über Subunternehmen wie die Bertelsmann-Tochter Arvato aus seinem sozialen Medium getilgt werden (das SZ Magazin hat sie am Freitag noch einmal durchleuchtet), so zweifelt man schwer an seinen Menschenfreund-Posen.

Und nein, Facebook ist auch nicht so schlimm wie Hunger und Krieg. Wie viel Anteil die Firma und ihre Konkurrenten wie Twitter und Google daran haben, könnte man allerdings einmal diskutieren. Wäre die Mörderbande des Islamischen Staats ohne digitale Medien so erfolgreich? Oder der Armutsverächter Donald Trump? Wäre die Stimmung in den USA und anderswo so vergiftet? Das sind müßige Grundsatzfragen, weil die digitalen Medien nun mal Teil des Lebens von Milliarden Menschen sind und letztlich abbilden, was es im wirklichen Leben auch gibt.

Was das Beispiel Facebook zeigt, ist allerdings, dass Firmen der digitalen Wirtschaft so ziemlich alles skalieren können, nur nicht die Menschlichkeit. Das liegt in der Natur dieser neuen Welt. Um das zu verstehen, hilft ein Blick in die Firmengeschichte von Facebook.

Die Methoden der IT-Konzerne können der Menschlichkeit widersprechen

Der Anfang ist ja noch gar nicht so lange her, betonte Zuckerberg, als er am Donnerstag die Rede zur Abschlussfeier der Studenten der Harvard University hielt. Es war am 28. Oktober 2003, als er mit drei Kommilitonen in Harvard die Webseite "Facemash" freischaltete. Man konnte darauf die Studienbuchfotos von je zwei Studentinnen oder Studenten vergleichen und entscheiden, wer besser aussieht.

Was folgte, war die Androhung eines Disziplinarverfahrens der Universität. Weniger wegen der sozialdarwinistischen Stoßrichtung der Seite als wegen Verletzung des Urheberrechts, der Sicherheit und der Privatsphäre. Bei seinem Nachfolgeprojekt Facebook war er schon geschickter. Da kamen die Vorwürfe wegen Urheberrechtsverletzungen zwar sogar vor Gericht. Aber Zuckerberg setzte sich durch, Facebook sowieso. Heute, dreizehneinhalb Jahre und fast zwei Milliarden Facebook-Abonnenten später, wird er als einer der jüngsten Multimilliardäre gefeiert. Wobei es da noch ein paar Zwischenstationen gab, die zeigen, warum das mit der Menschlichkeit nicht zum Geschäftsmodell der sozialen Medien gehören kann.

Das Motto: Sachen kaputtmachen

Da ist zum einen der Druck der Märkte. Trump-Berater Peter Thiel, 2004 der erste externe Facebook-Investor, gilt als geistiger Vater eines Monopol-Kapitalismus, mit dem die digitalen Konzerne dank der Deregulierung der Medien- und Onlinewelt durch sämtliche US-Präsidenten seit Bill Clinton einen brutalen Verdrängungswettbewerb gewinnen konnten. Aus diesem gingen nur vier Sieger hervor - Facebook, Google, Amazon und Apple. Dazu kommt, dass sich alle vier Konzerne an der Börse notieren ließen und so dem Wachstumsradikalismus der Märkte unterwarfen. Das heißt, sie müssen um jeden Preis wachsen. Schnell. Man darf nicht vergessen, bis 2014 war das Firmenmotto von Facebook die Ingenieurs-Maxime "Move fast and break things" - beweg dich schnell und mach Sachen kaputt.

Wenn es um technologische Innovationen geht, ist das ein guter Ansatz. Doch Facebook ist längst ein Instrument gesellschaftlicher Veränderung. Und das Geschäftsmodell digitaler Medien ist sehr altmodisch. Sie verkaufen Anzeigen. Das ist sogar ein Wachstumsmarkt. In den USA verzeichnete der digitale Werbemarkt für 2016 einen Zuwachs von fast 22 Prozent. 99 Prozent dieses Wachstums verbuchten allerdings Facebook und Google. Die treibenden Kräfte der sozialen Medien haben sich aber seit Zuckerbergs Facemash-Spaß nicht sonderlich verändert. Das sind vor allem Häme, Hass und Empörung.

Das ist keine bösartige Behauptung. Der Computerwissenschaftler Tristan Harris war unter anderem bei Google dafür zuständig, die sogenannte Benutzerführung zu optimieren. Vergangenes Jahr kündigte er und gründete die Organisation "Time Well Spent", die dafür sorgen will, dass soziale Medien ihren Erfolg nicht auf den psychischen und seelischen Schwächen ihrer Nutzer gründen. Das aber, sagt Harris, sei das Grunddesign dieser Medien. Die gesamte Nutzeroberfläche vor allem von Handys sei darauf angelegt, dass ihre Benutzer möglichst viel Zeit damit verbringen.

"Teilen Sie sich Ihre Zeit ein, sonst tut das Ihr Handy für Sie", warnte Harris auf der diesjährigen Ted Conference. "Wenn Sie glauben, Sie hätten die sozialen Medien im Griff, vergessen Sie nicht, dass auf der anderen Seite Hunderte hervorragend ausgebildete Ingenieure sitzen, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als Ihre Zeit im Sinne ihrer Auftraggeber zu gestalten." Man könne sich das auch alles schönreden mit dem Weltgeist im Internet, führte er weiter aus. Aber Häme, Hass, Empörung und auch Angst seien nun mal die Gefühle, die in Medien schon immer am besten funktionierten.

Es ist, wie gesagt, müßig, darüber nachzudenken, ob man das Netz zumindest im eigenen Leben einfach abschaffen kann. Man muss es sich schon leisten können, auf Facebook nicht erreichbar zu sein. Google hat das Weltwissen quasi monopolisiert, Amazon den Konsum, Apple große Bereiche des Alltags und der Popkultur. Es gibt allerdings noch ein Kapital für digitales Wachstum, und das können sich die Konzerne nicht an der Börse beschaffen. Das ist das Vertrauen ihrer Nutzer. Deswegen ist Zuckerberg ja auch in der Provinz unterwegs. Denn er weiß, dieses Kapital kann man ihm jederzeit entziehen.

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