Digitale Bücher:Deutsche sind Papiertiger

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E-Books sollen ein tolles Geschenk sein, sagen die Hersteller. Aber es fehlt an Inhalten und Begeisterung der Leser.

Thorsten Riedl

Zwei Monate noch, dann ist Weihnachten. Doch was einem Elektronikbegeisterten schenken? Handy, Digitalkamera, Spielkonsole, digitalen Bilderrahmen und Computer hat der schon. Vielleicht darf es dieses Mal ein E-Book sein, hofft die Industrie.

Das Weihnachtsgeschäft in diesem Jahr soll dem elektronischen Buch den Durchbruch verschaffen. Online-Buchhändler Amazon.com verkauft sein Lesegerät für digitale Texte nun auch in Übersee, Sony hat sein Produkt kürzlich aufgehübscht.

Technologien wie die der Firma E-Ink haben elektronische Bücher erst alltagstauglich gemacht: Das von einem ehemaligen Forschungsbereich des Massachusetts Institute of Technology in Cambridge entwickelte Display ähnelt eher einem Buch als einem Monitor, auf dem das Lesen von langen Texten Probleme bereitet.

Markt für E-Reader wächst

Die Akkus solcher Geräte halten Wochen. Das kommt an: Bis Ende September stieg der Umsatz des US-Unternehmens um 250 Prozent auf 96 Millionen Dollar. E-Ink nutzte die gute Lage, um in Übernahmegesprächen mit Prime View nachzubessern - die Taiwanesen müssen jetzt mehr zahlen, um den weltweit größten Hersteller von elektronischem Papier zu bekommen. Sowohl die Lesegeräte von Amazon als auch die von Sony werden nach der E-Ink-Übernahme von Prime View geliefert.

In den USA beherrschen die beiden den E-Book-Markt: Amazon mit einem Anteil von 60 Prozent, Sony mit 35. Dabei sind die Amerikaner schon weiter als die Deutschen: Laut Association of American Publishers lag der Umsatz mit elektronischen Büchern 2008 bei 113 Millionen Dollar, das ist ein halbes Prozent vom gesamten Büchermarkt.

Einig sind sich die Anbieter von Lesegeräten, Verlage und Analysten darin, dass der Bereich noch enorme Chancen aufweist. Die Analysten des Marktforschungshauses iSuppli gehen davon aus, dass in drei Jahren 18 Millionen Lesegeräte für E-Books verkauft werden - nach einer Million 2008.

Die Kollegen von Forrester haben ihre Schätzung für den Verkauf von E-Readern in diesem Jahr gerade um 50 Prozent nach oben korrigiert. Drei Millionen Geräte sollen demnach verkauft werden - nur in den USA, fast ein Drittel davon allein während des Weihnachtsgeschäfts.

Kein Wunder, dass bei dieser Begeisterung Amazon und Sony nicht allein im Markt bleiben. In Korea experimentiert Samsung mit dem Buchhändler Kyobo. Wer sich daran erinnert, in welchem Tempo die Asiaten bei Fernsehern, Handys und in Teilen des Computermarktes an die Spitze gestürmt sind, weiß den Gegner einzuschätzen.

Der US-Buchhändler Barnes & Noble kooperiert mit Plastic Logic, einem E-Ink-Konkurrenten aus den Staaten, der in Dresden produzieren lässt. Und auch die Deutschen bemühen sich: Zur Buchmesse soll das Gerät der Firma Txtr aus Berlin erhältlich sein. Ein Problem gibt es noch für den hiesigen Markt: Das Gros der Bücher ist nicht digital.

Hohe Preise schrecken ab

So verweist Amazon zwar auf einen Katalog von 300000 elektronischen Büchern, fast alle aber sind auf englisch. Die Verlage beginnen erst, auf das neue Medium umzurüsten. In einer Studie des Fachmagazins Buchreport geht die Hälfte der befragten Verlagsmanager davon aus, dass frühestens 2018 mit digitalen Inhalten mehr Umsatz erwirtschaftet wird als mit dem traditionellen Buchgeschäft. Gut ein Viertel glaubt sogar, dass Digitales das Buch niemals schlagen wird.

Zurückhaltung herrscht auch bei den Lesern. Zwei Drittel rechnen damit, dass E-Books nie Bücher ersetzen werden, wie eine Umfrage von Pricewaterhouse Coopers (PwC) ergab. Dazu kommt, dass die meisten vor dem Kauf eines Lesegerätes zurückschrecken: Kindle & Co. sind zu teuer.

PwC-Berater Werner Ballhaus rät der Branche daher, nach dem Vorbild der Mobilfunkindustrie Abo-Modelle zu entwickeln, "die ein stark subventioniertes Lesegerät als Gegenleistung für eine längerfristige Vertragsbindung beinhalten". So könnte dem Buchclub ein digitales Revival widerfahren.

© SZ vom 12.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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