Professorenbesoldung:Warum der Karlsruher Richterspruch eine Kostenfalle ist

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Professoren in Deutschland verdienen nach der Besoldungsreform zu wenig, befand das Bundesverfassungsgericht vor einem halben Jahr. Nun korrigiert Hessen die Bezahlung seines Hochschulpersonals - und bringt die Universitäten in Bedrängnis.

Johann Osel

Spätestens im November werden sie erstmals aufkreuzen, die externen Unternehmensprüfer - und dann die Universität Marburg von Grund auf durchleuchten. Genauer gesagt: die Einnahmen und Ausgaben der hessischen Universität, den Haushalt. Vor einigen Monaten war publik geworden, dass die Hochschule mehr ausgibt, als sie an Mitteln durch das Land erhält; ein strukturelles Defizit von gut sieben Millionen Euro ist aufgelaufen.

Die aufgeschreckte Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann von der CDU sah nur einen Ausweg: Experten sollen ergründen, warum Marburg in den roten Zahlen steckt. "Wir leben wahrlich nicht in Saus und Braus - weder jetzt noch in der Vergangenheit", betont der Kanzler der Uni, Friedhelm Nonne. Kleinere Sparvorhaben hat er schon angeleiert, die hauseigenen Stipendien für Doktoranden werden auf Eis gelegt, Bibliotheken sollen achtsamer beim Einkauf sein, das traditionelle Sommerfest fiel aus. Kleinkram im Vergleich zu den sieben Millionen - so viel kostet ein größerer Fachbereich im Jahr.

Nicht gespart werden soll beim Personal, zumal es durch doppelte Abiturjahrgänge auch in Hessen an den Unis starken Andrang gibt. Heikel ist da, dass der Etat vor einer neuen Belastung steht. Ein halbes Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Professorenbesoldung gegen das Grundgesetz verstößt, legt Hessen gerade eine Neuregelung vor. Eine kostspielige Novelle, die nicht nur Marburg unlegen kommt. Karlsruhe musste im Februar die seit 2005 gültige W-Besoldung beurteilen, die ein niedrigeres Grundgehalt als früher vorsieht, dafür aber die Chance auf Leistungszulagen. Verdienen Professoren in dem Modell genug? Nein, meinten die Richter. Entweder müsse Hessen die Grundgehälter anheben, oder verlässliche Zulagensysteme schaffen, von denen alle profitieren.

Die hessische Regierung hat sich nun für Variante eins entschieden. Nach jetzigem Gesetzentwurf erfolgt für die W2-Besoldung, auf der die Klage beruhte, eine Erhöhung um mehrere Hundert Euro. Wegen des Abstandsgebotes zwischen den Besoldungsgruppen W2 und der höheren W3, die meist Lehrstuhlinhaber haben, muss auch diese Stufe besser bezahlt werden. Zudem plant die Regierung, die Grundbesoldung über "Erfahrungsstufen" aufzuwerten - ein automatischer Zuwachs mit steigendem Alter, wie in der alten Besoldung vor dem Jahr 2005. Das Endgrundgehalt bei W2, also kurz vor der Pensionierung, würde dann bis zu 5500 Euro betragen. Allerdings könnte der Anstieg mit bestehenden Zulagen verrechnet werden. Und Zulagen soll es auch weiterhin geben.

Jüngst brachte man die Reform der Reform in den Landtag zur ersten Lesung ein, zum Januar 2013 soll, wenn alles glatt seinen Gang nimmt, die Novelle gelten. Damit wird Hessen einen Weg gehen, dem andere Länder mit ähnlichem Gehaltsniveau folgen könnten. Im Oktober tagt die Kultusministerkonferenz dazu. Fest steht: Es wird teuer für Hessens Hochschulen, und auf Dauer kommen wohl Rektoren quer durch die Republik in Schwierigkeiten.

Betroffen von den steigenden Salären sind Hochschulen, die selbständig über ihren Haushalt verfügen. Im Zuge der "Hochschulautonomie" hatten die Länder im vergangenen Jahrzehnt Aufgaben aus den Behörden auf die lokale Ebene verlagert - in Hessen bekommen nahezu alle Hochschulen einen "Globalhaushalt" zur Verfügung gestellt. Damit sind sie für ihr Personal zuständig; während weniger autonome Hochschulen an fixe Stellenpläne und Einzelzuweisungen durch die Länder gebunden sind, ohne Risiken.

In die Globalhaushalte solle nun wegen der steigenden Kosten mehr Geld, fordern die Uni-Chefs. Der Vorsitzende der hessischen Rektorenkonferenz und Präsident der Goethe-Universität Frankfurt, Werner Müller-Esterl, sagte schon nach dem Karlsruher Urteil: "Jetzt ist das Land auch von richterlicher Seite her aufgefordert, über eine auskömmliche Finanzierung nachzudenken." Einen Ausgleich für die höheren Professorengehälter könnte man durch eine Art Sondertopf festlegen, heißt es vage im Umfeld der hessischen Regierung.

Jedoch ist Ministerin Kühne-Hörmann nicht gerade als spendabel bekannt, sondern eher als harte Verhandlerin. Im Frühjahr 2010 hatte der damalige Ministerpräsident Roland Koch angekündigt, dass Sparen in der Bildung fortan kein Tabu mehr sei. Kühne-Hörmann rang prompt den Rektoren der zwölf Hochschulen des Landes Einschnitte ab - rund 30 Millionen Euro im Jahr weniger für die Grundbudgets, dafür über den Landes-Hochschulpakt Planungssicherheit bis 2015.

Hinter vorgehaltener Hand sprechen Hochschulmanager bis heute von "Erpressung". Und aus Kreisen an der Uni Marburg verlautet, dass eben die permanente Unterfinanzierung Grund für das Defizit sei - den hoffentlich die Wirtschaftsprüfer erkennen und der Ministerin mitteilen.

Beistand aus Berlin ist nicht zu erwarten. Nach dem Urteil hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zwar die Länder aufgefordert, den Richterspruch rasch umzusetzen. Ambitionen auf Bundesgeld wies sie aber zurück: "Personalausgaben sind allein Sache der Länder." Rechtlich wäre dies ohnehin nicht möglich; mit der Föderalismusreform 2006 hatten sich die Länder für die Bildung alleinige Kompetenz erstritten. Das Kooperationsverbot erlaubt dem Bund lediglich die Finanzierung von befristeten Projekten wie dem Hochschulpakt zum Aufbau zusätzlicher Studienplätze.

Auch eine mögliche Einschränkung des Verbots, wie sie Schavan plant, dürfe nicht nur heißen, dass der Bund einfach "Geld rüberschiebt", hat die Ministerin stets betont. Ohnehin ist die Abschaffung des Verbots strittig - sie bräuchte die Zustimmung der Opposition im Bundesrat, SPD und Grüne dringen darauf, dass die Reform auch für Schulen gelte - und werden Schavans Projekt nach jüngsten Informationen aufhalten. Sollte das Kooperationsverbot tatsächlich fallen, würde der Bund zudem wohl herausragende Forschung direkt finanzieren. Aber kaum Finanzspritzen für laufende Personalkosten geben.

Mangels frischen Geldes geht nun an den Hochschulen die Angst um, dass man künftig keine Mittel mehr für Leistungszulagen hat, wenn das Grundgehalt schon so viel kostet. Zulagen seien unabdingbar, sagt der Frankfurter Müller-Esterl: "Nur so kann eine forschungsstarke Hochschule im internationalen Wettbewerb um herausragende Forscher-Persönlichkeiten konkurrenzfähig sein." Nun befürchtet er, dass für den Lohn eines Professors wieder Dienstjahre wichtiger werden als Leistung in Labor und Hörsaal. Für ihn der falsche Weg: "Wir sind ja kein Postamt."

Der Marburger Kanzler Friedhelm Nonne glaubt ebenfalls, dass die erhöhten Gehälter alle Spielräume für Zulagen auffressen würden. "Das, was als große Chance für das Wissenschaftssystem gedacht war, wird dann wegfallen." Der Deutsche Hochschulverband (DHV), die Standesvertretung der Professoren, erwägt nach Medienberichten nun eine Klage gegen Kühne-Hörmanns Reform der Gehälter. Paradox daran: Schon die erste Klage gegen den niedrigen Lohn, die in Karlsruhe landete, wurde vom DHV getragen.

© SZ vom 07.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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