NRW-Sportprogramm für dicke Kinder:Antreten zum Fitnesstest

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Zu viel Fleisch, zu wenig Bewegung: Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden an Übergewicht. Nordrhein-Westfalens Regierung will deshalb nun Zweitklässler einem Fitnesstest unterziehen - und Sport spendieren, wo nötig.

Von Roland Preuß

An Rhein und Ruhr ist kulinarisch viel geboten. Schweinebacke in Malzbier empfiehlt Heinrich Wächter, der Autor des "Ruhrgebiets Kochbuchs", und auch die Klassiker Currywurst mit Pommes oder Königsberger Klopse sind hier nie aus der Mode gekommen. Gerade im Herzen Nordrhein-Westfalens, im sogenannten Pott, kümmert man sich von klein auf darum, dass niemand vom Fleische fällt. Leider hat solcher Genuss Nebeneffekte, wenn das Fett nicht gerade in der Nachwuchsmannschaft einer der zahlreichen Werks-Elfen der Region verbrannt wird. Sondern an Bauch und Hüften hängen bleibt. Ute Schäfer (SPD), die Sportministerin des Landes, sieht deshalb jetzt Handlungsbedarf: Sie will Nordrhein-Westfalens Grundschüler vom kommenden Schuljahr an zum Fitnesstest schicken.

Alle Zweitklässler sollen auf die Waage gestellt werden und in acht Übungen zeigen, wie fit sie sind, zum Beispiel durch einen Sechs-Minuten-Lauf, Liegestütze oder Rückwärts-Balancieren. Zwei Jahre später sollen Sportlehrer oder Übungsleiter von Vereinen überprüfen, wie sich das Kind entwickelt hat. Eltern und Schüler erfahren so, wie es um die körperliche Verfassung steht - und ob gehandelt werden müsste.

Zunächst sollen diese Tests in 25 Modellkommunen erprobt werden. Noten soll es dafür nicht geben, nur Gesprächsangebote. "Gute motorische Fähigkeiten sind für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern wichtig", sagt Schäfer. "Deshalb wollen wir sie fördern."

Es geht natürlich auch um Kilogramm

Die Ministerin spricht von Persönlichkeitsentwicklung. Aber es geht natürlich auch um Kilogramm. Jeder Siebte unter Deutschlands Kindern und Jugendlichen gilt nach einer Untersuchung des Robert-Koch-Instituts als übergewichtig, jeder Siebzehnte sogar als krankhaft übergewichtig. Im Vergleich zu den 1980er-Jahren ist ihr Anteil um die Hälfte gestiegen. Gleichzeitig sind Grundschüler in den vergangenen Jahrzehnten immer weniger fit geworden. Besonders betroffen sind laut dem Institut Kinder aus ärmeren sowie aus zugewanderten Familien, wo mitunter fettreiche Ernährung und Desinteresse an Sportvereinen eine schädliche Verbindung eingehen.

Zudem haben Forscher immer wieder festgestellt, dass Kinder und vor allem Jugendliche mehr Zeit als früher vor Fernseher, Internetseiten und mit dem Handy verbringen - keine Aktivitäten, die als Schlankmacher bekannt sind. Auch hier sind Kinder aus sozial schwachen Familien überrepräsentiert. Laut internationalen Empfehlungen sollten sich Kinder und Jugendliche jeden Tag mindestens eine Stunde schweißtreibend bewegen - drei Viertel der Jugendlichen erreichen diese Zielmarke allerdings nicht. Obwohl drei Viertel aller Grundschüler in Sportvereinen aktiv sind.

Die Idee mit den Fitnesstests ist nicht ganz neu. Auch andere Bundesländer ließen ihre Schüler bereits anhand von Rumpfbeugen und Klimmzügen auf ihre Sportlichkeit hin untersuchen. Sportministerin Schäfer will die Tests jedoch mit einem Angebot verknüpfen: Kindern, die durch Unbeweglichkeit aufgefallen sind, will das Land den Einstieg in Sportvereine spendieren. So soll mehr Sport zumindest nicht am mangelnden Geld scheitern.

© SZ vom 20.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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