Kita:Wie Kitas um die Sprachförderung von Flüchtlingskindern kämpfen

Kita: Sprachfachkraft Nataly Klein begeistert Kinder aus den Niederlanden, dem Irak und Kroatien für eine Tiergeschichte.

Sprachfachkraft Nataly Klein begeistert Kinder aus den Niederlanden, dem Irak und Kroatien für eine Tiergeschichte.

(Foto: Ralf Steinbacher)

Erzieher können den Kindern helfen, schnell Deutsch zu lernen - wenn sie eine Zusatzausbildung haben. Doch viele Kitas finden kein Personal.

Von Ralf Steinbacher

Als Nataly Klein zu heulen beginnt und sich theatralisch die Augen reibt, schießt ein Fünfjähriger in die Höhe. Doch nichts, was Rabe oder Maulwurf tun können, so geht die Geschichte in dem Kinderbuch, bringt die kleine Eule dazu, mit dem Flennen aufzuhören. Gebannt hängen die Kinder, die kaum Deutsch sprechen, an den Lippen der Pädagogin. "Buhuuhuuu", greint sie. Die Kinder lachen.

Was lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Sprache ist der Schlüssel zu Integration und Bildung. Und Kindertagesstätten, die Flüchtlingskinder betreuen, müssen ihnen erst mal Deutsch beibringen - im Alltagsgeschehen oder spielerisch, wie es Nataly Klein demonstriert. Die Stelle der Kita-Sprachfachkraft wird über ein Bundesprogramm bezahlt, das Einrichtungen wie der Kita Biene Maja helfen soll. Hier in Oberschleißheim bei München werden 117 Kinder betreut. Für fast die Hälfte von ihnen ist Deutsch nicht die Muttersprache. Meist stammen sie aus EU-Ländern, oft aus Polen, aber auch Flüchtlingskinder kommen immer wieder hier unter. Manchmal sind es mehrere, manchmal nur eines wie zurzeit: ein Junge aus Eritrea.

Für Kitas ist die Flüchtlingswelle eine große Herausforderung. Besonders für diejenigen, die vorher keine Erfahrung mit Kindern aus anderen Kulturkreisen hatten, weiß Birgit Riedel vom Deutschen Jugendinstitut (DJI). Das DJI hat bundesweit mehr als 3600 Kitas angeschrieben und zur Integration geflüchteter Kinder befragt. Ergebnis: Viele Kita-Leiterinnen und -Leiter brauchen mehr Unterstützung. Noch deutlicher fällt die Bewak-Studie 2016 aus. Für die repräsentative Umfrage des Informationsdienstleisters Wolters Kluwer wurden 2100 Kita-Leitungen befragt. 98 Prozent fühlten sich nicht ausreichend auf die Betreuung von Flüchtlingskindern vorbereitet, 99 Prozent von der Politik im Stich gelassen.

Wie viele Flüchtlingskinder in deutschen Kitas betreut werden, darüber existiert keine bundesweite Statistik. Doch wurden im Jahr 2015 für mehr als 56 000 Kinder unter sechs Jahren Asylanträge gestellt, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge auflistet. Gut 101 000 kamen von Januar bis November 2016 dazu. Das Potenzial ist also da - und die Umfrage des DJI liefert einen Eindruck von der Situation: Ein Drittel der Einrichtungen, die geantwortet haben, betreut Flüchtlingskinder. Manche Kita nur eines, fast jede dritte aber vier oder mehr.

Woran es vor allem hakt, belegen beide Umfragen: Es fehlen Dolmetscher für den Austausch mit den Eltern, und noch dringender fehlen Mitarbeiter. Jörg Günther, Leiter der Kita Biene Maja, bestätigt: "Das größte Problem ist der Personalmangel. Das spüren wir besonders, wenn Kolleginnen krank werden." Am Geld liegt es nicht. Der Träger seiner Kita, die Arbeiterwohlfahrt (AWO) München-Land, sucht ununterbrochen Fachkräfte. Oft ohne Erfolg, wie Isolde Ruf, Referentin für Qualitätsentwicklung, erfahren musste: "Manchmal bekommen wir keine einzige Bewerbung auf eine Stellenausschreibung."

Erzieher müssen meist zu viele Kinder betreuen

Woran das liegt? Es gibt, so sieht das Ruf, zu wenige Fachkräfte, weil angesichts der langen Ausbildung die Bezahlung zu schlecht sei. Ein Riesenproblem, denn zugleich werden Kitas ausgebaut und wachsen die Aufgaben. Im Dezember waren bei dem für 22 Kitas zuständigen AWO-Kreisverband München-Land vier Stellen für Kinderpflegerinnen unbesetzt und elf Stellen für Erzieherinnen und Sozialpädagoginnen.

Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zufolge fehlen bundesweit mehr als 100 000 Fachkräfte. Die Zahl ist auch deshalb so hoch, weil die Studie in Rechnung stellt, dass der Personalschlüssel in vielen Ländern nicht kindgerecht ist: Erzieher betreuen in der Regel mehr Schützlinge als Experten empfehlen. Allein aufgrund der Zuwanderung, das wiederum hat eine Untersuchung für die Hans-Böckler-Stiftung ergeben, werden 3500 neue Vollzeitkräfte benötigt. Bund und Länder haben sich bereits auf eine Qualitätsoffensive verständigt. Dafür sollen in den nächsten Jahren stetig wachsende Milliardenbeträge bereitgestellt werden - für mehr Fachpersonal und eine bessere Sprachförderung.

"Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" heißt ein Programm des Bundesfamilienministeriums, das bis 2019 jährlich bis zu 100 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Unterstützt werden Kitas, die einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit besonderem sprachlichen Förderbedarf haben. Gemeint sind ausdrücklich auch Kinder, die in Deutschland Schutz suchen. Bis zu 4000 Teilzeitstellen für Fachkräfte mit Expertise in der sprachlichen Bildung können so finanziert werden. Doch auch an ihnen scheint es zu mangeln, wie ein Blick in einschlägige Job-Portale zeigt.

Die Kita Biene Maja immerhin kann auf Nataly Klein zählen. Sie weiß, dass sich Kinder nicht schwer tun, eine Fremdsprache zu lernen, wenn man sie dabei unterstützt. Nach vier Wochen sprächen sie ein wenig Deutsch, nach einigen Monaten seien sie schon recht fit. Mit manchen Eltern klarzukommen, sei da schon schwieriger, sagt Kita-Leiter Günther. Auf die deutschen Gepflogenheiten würden eine Vielzahl an "Kulturen, Erziehungsvorstellungen und Familienkonzepten" prallen. Wenn dann noch sprachliche Verständigungsprobleme dazukommen, wird es kompliziert.

Doch ist auch einiges passiert seit den beiden Umfragen. Bayern etwa stellt Geld dafür bereit, damit Kommunalverwaltungen Dolmetscher für Elterngespräche anbieten können. Es gibt Fortbildungen auf vielen Ebenen - und die Stiftung "Haus der kleinen Forscher" hat ein digitales Service-Portal für die praxisnahe Unterstützung pädagogischer Fach- und Lehrkräfte eingerichtet. Denn die stünden ja oft vor vielen Fragen, wenn sie plötzlich geflüchtete Kinder in die Einrichtung integrieren sollen. Fragen wie dieser etwa: Wie gehe ich mit Trauer, Furcht oder traumatischen Fluchterfahrungen um?

Das kennt auch Jörg Günther von der Kita Biene Maja, auch wenn er weiß, dass natürlich nicht jedes Kind mit Fluchthintergrund gleich traumatisiert sei. Im Falle eines Falles - Beratungsstellen gibt es in Bayern einige - weiß er zumindest, an wen er sich wenden könnte. Und das ist laut DJI-Umfrage deutlich mehr als Kollegen in anderen Kitas behaupten können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: