Durchlässigkeit im deutschen Schulsystem:Mehr Absteiger als Aufsteiger

Der Abstieg vom Gymnasium in die Realschule oder von der Real- in die Hauptschule gehört in vielen Schulen zum Alltag - der Aufstieg in eine höhere Schulform ist deutlich seltener, wie aus einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Unter den Bundesländern nimmt Bayern wieder einmal eine Sonderrolle ein.

In Deutschland gibt es zwischen den einzelnen Schulformen weit mehr Ab- als Aufsteiger. Etwa 50.000 Schüler von Klasse fünf bis zehn sind im Schuljahr 2010/11 auf ein niedrigeres Niveau wie Real- oder Hauptschule herabgestuft worden. Nur rund 23.000 schafften es nach oben. Das geht aus einer Studie zur Durchlässigkeit der 16 Schulsysteme der Bertelsmann-Stiftung hervor.

Am ungünstigsten ist das Verhältnis in Niedersachsen, wo mehr als zehn Absteiger auf einen Aufsteiger kommen. Den Spitzenplatz belegt Bayern, nur hier gibt es etwas mehr Auf- als Absteiger. Die bayerischen Kinder würden nach der Grundschule aber auch oft restriktiv, also verhältnismäßig niedrig eingestuft, hieß es.

Bei Schulreformen kochen die Gemüter oft hoch - dabei hängen die Aufstiegschancen in einem Schulsystem nicht so sehr von dessen Struktur ab, wie die Bochumer Bildungsforscherin und Studienautorin Gabriele Bellenberg meinte. Stattdessen zähle individuelle Förderung, wenn es darum gehe, Herabstufungen und Klassenwiederholungen zu vermeiden, sagte der Bildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung, Jörg Dräger.

In den klassischen mehrgliedrigen Schulsystemen gibt es laut Studie dort ein besonders schlechtes Verhältnis zwischen Auf- und Absteigern, wo nur noch wenige nach der Grund- die Hauptschule besuchen. Denn diese werde dann zu großen Teilen zum Auffangbecken herabgestufter Schüler. Das betreffe etwa Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Baden-Württemberg steht mit einem Verhältnis von einem Aufsteiger zu 1,5 Absteigern noch verhältnismäßig gut da.

Während Herabstufungen oft zur Praxis zählten, werde zu selten geprüft, ob ein Schüler den Aufstieg schaffen kann, kritisierte Dräger. Bereits in früheren Veröffentlichungen kam Bellenberg zu dem Ergebnis, dass Schüler bei Wechseln in den meisten Fällen abgestiegen sind.

Der Grund liege dabei in der Regel nicht in einer falschen Einschätzung der Eltern nach der Grundschule, betonte Bellenberg in einem Aufsatz in der Online-Zeitschrift bildungsforschung.org. Experten meinen auch, die schulische und persönliche Entwicklung sei nicht früh schon sicher vorherzusagen. Die Mobilität zwischen den Schulformen hat in den vergangenen Jahrzehnten jedenfalls zugenommen.

Der Bildungserfolg ist dabei weiter stark von sozialer Herkunft abhängig, wie eine andere Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung erst im März zeigte. Kinder armer Eltern oder von Migranten haben demnach in allen Ländern deutlich geringere Chancen, nach der Grundschule ein Gymnasium zu besuchen, als Kinder von Akademikern - auch bei gleicher Intelligenz. Trotz mehrerer Reformzusagen der Kultusminister verlassen bundesweit pro Jahr immer noch mehr als 60.000 junge Menschen ihre Schule ohne Hauptschulabschluss.

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