Bestechung auf dem Balkan:Skandalort Hochschule

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Das Gebäude des Bildungsministeriums in Banja Luka, das die letztendliche Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Standards in der Serbischen Republik trägt. (Foto: Dino Jahic)

Eine Untersuchung zeigt auf: Korruption ebnet den Weg durch das Bildungssystem in Bosnien und Serbien. Jeder vierte Befragte gab an, mit Bestechung in Berührung gekommen zu sein.

Von Dino Jahic, Sarajevo, Belgrad und Wien

Das Jobangebot des Finanzamts war an eine strenge Bedingung geknüpft: einen Hochschulabschluss. Im öffentlichen Sektor Bosniens, so scheint es, finden nur die klügsten Köpfe einen Arbeitsplatz.

Auf der Suche nach einer geeigneten Universität war ich zu einem intensiven Lernprozess bereit. Ich war jedoch nicht bereit, die Lehrveranstaltungen eines ganzen Jahres an einem einzigen Sommernachmittag zu absolvieren.

Ich schaffte diese Meisterleistung ohne Vorkenntnisse im Bereich Unternehmensführung, meiner gewünschten Studienrichtung. Dazu waren nur einige telefonisch vereinbarte informelle Treffen und ein Obolus von ein paar Tausend Euro nötig.

Ich hatte den perfekten Ort gefunden, um mir die für meinen Traumjob nötige Qualifikation zu holen: Ein schickes privates College in dem von Serben dominierten Teil Bosniens, der Republika Srpska (Serbische Republik).

Eine kurze Unterhaltung mit dem Eigentümer der Universität zeigte, dass er bereit war, auf all meine Bedingungen einzugehen, solange ich zahlen konnte.

Er bot mir an, meine Karriere durch eine "Abkürzung" zu beschleunigen, und schlug mir vor, gleich in das zweite Jahr meines Managementlehrgangs einzusteigen, ohne das erste Jahr davor abschließen zu müssen.

"Wir können dafür sorgen, dass Sie bis Oktober die Bedingungen für das zweite Jahr erfüllen", sagte er, als wir uns vergangenen Juni in einem ruhigen Café, geschützt vor neugierigen Blicken, in Banja Luka trafen.

Ich betonte, dass mir für meine Ausbildung reichlich Mittel zur Verfügung stünden, ich allerdings zeitlich unter Druck stand. Seine Antwort kam schnell und bestimmt. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch und sagte mir, ich solle mich mit meinem Anliegen an einen Kollegen auf dem Campus wenden.

Bevor wir uns trennten, erläuterte er mir sein Angebot näher. "Wenn Sie es wirklich eilig haben, können wir Ihre Immatrikulation zurückdatieren, sodass Sie bereits dieses Jahr bei uns studiert hätten", erklärte er.

Und schon war er wieder weg, nicht ohne das Zugeständnis, die Regeln für mich zu beugen, und das nach gerade mal zwei kurzen Telefonaten und einem schnellen Kaffee.

"Kein Schutz"

Natürlich hatte ich nicht vor, mein Studium dermaßen ernst zu nehmen. Und auch das mit der Arbeit im Finanzamt meinte ich nicht ernst. Ich hatte in Wirklichkeit bereits einen Job - als Journalist, der Beweise für zwielichtige Praktiken im Bildungssektor sammelte.

Zum Zwecke meiner Recherchen für das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) gab ich mich als angehender Student aus und interviewte Studierende und Lehrende in ganz Bosnien und Serbien.

Ich fand heraus, dass Betrug und Plagiarismus an vielen privaten wie auch öffentlichen Instituten ungehindert möglich sind. Anwesenheitslisten sind schnell gefälscht, und die Bestechung von Professoren, um sich gute Noten zu sichern, ist eine gängige Praxis.

Viele meiner Quellen sprachen nur unter der Voraussetzung, anonym zu bleiben, was darauf hindeutet, dass man durch Kritik an seiner Ausbildungseinrichtung den eigenen Ruf aufs Spiel setzt.

Ihre Vorsicht war das Symptom eines Problems, das über die Hochschulen hinaus bis in das Gerichtssystem reicht.

Korruption ist laut internationalen Analysen in Bosnien und Serbien weit verbreitet. Nur sehr wenige der angezeigten Fälle führen zu einer Anklage, und noch weniger enden in einem Schuldspruch. In den Augen der meisten Menschen dienen offizielle Korruptionsprozesse nur dazu, die Verletzlichkeit der anklagenden und die Immunität der beklagten Partei aufzuzeigen.

Es gibt in der Serbischen Republik kein Gesetz zum Schutz und zur Begünstigung von Informanten. Der bosnisch-kroatische Teil des Landes hat erst diesen September einem derartigen Gesetz zugestimmt und es bleibt abzuwarten, ob es auch Wirkung zeigt. Weder Bosnien - auf gesamtstaatlicher Ebene - noch Serbien haben bisher Gesetze verabschiedet, die die Rechte von Informanten schützen.

Stevan Mili, der ehemalige Präsident der wichtigsten Bildungsgewerkschaft der Serbischen Republik, klagt darüber, dass jeder, der korrupte Praktiken im System aufzeigt, "in größere Schwierigkeiten kommen könnte als die schuldigen Parteien".

Ivana Korajlic, eine Sprecherin des bosnischen Büros von Transparency International, einer globalen Organisation zur Förderung von Good Governance erklärt, dass schwache Gesetze einer blühenden Korruptionskultur an den Hochschulen Vorschub geleistet hätten.

"Universitätsmitarbeiter wollen nicht darüber sprechen. Sie sind nicht bereit, gegen ihre Kollegen vorzugehen, da sie die Konsequenzen an ihrem Arbeitsplatz fürchten", erzählt sie gegenüber BIRN. "Indes haben die Studierenden Angst, ihre Professoren würden ihnen das Leben schwer machen und ihnen bei den Prüfungen Stolpersteine in den Weg legen", so Korajlic.

Gefälschte Aufzeichnungen

Die Korruption an den Hochschulen hat zum Braindrain geführt und die schwächelnde Wirtschaft des Landes seiner klügsten Köpfe beraubt.

Begabte Studierende, die angesichts der Geringschätzung von auf dem Balkan erlangten Diplomen frustriert sind, werden mit Stipendien in die Europäische Union gelockt. Jene, die ihr Studium im Ausland abschließen, sind oft verleitet, dort zu bleiben.

In ihrer Heimat müssten ihre ausländischen Zeugnisse von einer heimischen Universität anerkannt werden, um vom öffentlichen Sektor - dem nach wie vor größten und zuverlässigsten Arbeitgeber auf dem Balkan - akzeptiert zu werden.

Der Prozess ist langsam und verworren - und lässt sich oft nur durch inoffizielle, persönliche Kontakte vorantreiben. Er schreckt Auslandsabsolventen davor ab, nach Hause zurückzukehren.

"Das ist der Gipfel an Absurdität", meint Marija Petrovic, die über acht Monate lang für die Anerkennung ihres an der Universität Oxford erworbenen Doktorats durch die Universität in Belgrad kämpfte, an der sie ihr Grundstudium absolviert hatte.

"Mein Diplom aus Belgrad war für Oxford mehr als ausreichend", macht sie gegenüber BIRN ihrem Ärger Luft. "Aber meine Zeugnisse aus Oxford sind nicht gut genug für Belgrad."

Indes können Studierende, die ein Studienjahr an einer Universität am Balkan überspringen, dennoch ihre für eine Anstellung erforderlichen Lebensläufe formal absegnen lassen.

Wien ist eine beliebte Destination für Studierende aus dem Balkan. (Foto: Dino Jahic)

Hätte ich mein Management-Studium in der Serbischen Republik abgeschlossen, wäre mein Diplom automatisch vom benachbarten Serbien anerkannt worden - dank der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Belgrad und Banja Luka.

An diesem Juniabend hatte der Eigentümer der Privatuniversität für mich auf dem Campus ein Treffen mit dem für die Betreuung von Studierenden zuständigen Mitarbeiter arrangiert.

Dieser meinte, ich könne hier studieren, wenn ich eine Vorauszahlung der Studiengebühr für zwei Jahre, was einer Summe von ungefähr 2.500 Euro entsprach, leisten würde. Die meisten privaten Institute verlangen im Voraus nicht mehr als die Gebühr für ein Jahr.

Er bat mich außerdem ein Immatrikulationsformular auszufüllen, nicht ohne darauf hinzuweisen, das Feld für das Aufnahmedatum frei zu lassen.

Falls meine Einschreibung zurückdatiert werden würde, so wie mir dies vorgeschlagen worden war, müsste aus dem Formular hervorgehen, dass ich im vergangenen Studienjahr an der Universität immatrikuliert war.

Das auf dem Formular eingetragene Datum müsste vor dem 30. Oktober 2012 liegen. Innerhalb dieser Frist müssen Lehranstalten die Namen der Neuzugänge des letzten Jahres dem Bildungsministerium der Serbischen Republik melden.

Indem ich das Feld leer ließ, konnte die Universität - oder jemand anderer - das Datum meiner Einschreibung festlegen.

BIRN hat sich bezüglich der Nennung des Universitätseigentümers, der angeboten hatte, mich von einem Studienjahr "zu befreien", juristischen Rat eingeholt. Er und seine Hochschule werden namentlich nicht genannt, aus Sorge, der Fall würde nicht fair behandelt werden, käme er vor ein lokales Gericht.

BIRN kontaktierte die Bildungsaufsichtsbehörde der Serbischen Republik, um mehr über die Fälschung von Einschreibungsdaten zu erfahren.

In einer per E-Mail übermittelten Antwort gab die Aufsichtsbehörde an, von Fällen zu wissen, in denen Einschreibungen nicht rechtmäßig aufgezeichnet wurden. Sie nannte jedoch keine Namen. In diesem E-Mail stand außerdem zu lesen, dass die Behörde nur jene Dokumente, die sie von den Hochschulen erhalte, überprüfen könne und daher nicht in der Lage sei, Fälschungen zu erkennen.

Velimir Tmusi, Leiter der Bildungsaufsichtsbehörde in Serbien, bestätigt ebenfalls, dass man auf Einschreibungen gestoßen sei, die zurückdatiert worden waren.

Auch er glaubt, dass es schwierig sei, diese Praktik aufzudecken, da manche Institute zwei Studentenverzeichnisse führen - eines mit den richtigen Daten und ein anderes gefälschtes für die Inspektoren.

Bezahlen für den Werdegang

Private Universitäten haben sich in den letzten zehn Jahren in der gesamten Region des ehemaligen Jugoslawien rasant entwickelt und drängen in einen Sektor, der während des Kommunismus von staatlich gestützten Instituten beherrscht war.

Die Gebühren privater Hochschulen liegen, je nach Prestige und Studienfach, zwischen 700 und 5.000 Euro.

Weniger zahlen Studierende an öffentlichen Universitäten, die vom Staat subventioniert werden. Nicht mehr als 200 Euro kostet dort die Studiengebühr für ein Jahr. Dennoch können jene, die über die nötigen Mittel verfügen, diese dazu nützen, sich das Leben leichter zu machen.

"Das Risiko war gleich null", sagt "Amel", ein ehemaliger Student, der seinen Professor an einer öffentlichen Universität im bosnisch-kroatischen Teil des geteilten Landes bestach.

Unter der Bedingung, anonym zu bleiben, erzählt "Amel", er habe die Bestechung arrangiert, weil er sich für eine wichtige Prüfung nicht vorbereitet hatte. Am festgesetzten Termin legte er die Prüfung an seiner Universität ab - wissend, dass das Ergebnis seine Endnote nicht beeinflussen würde.

"Du kannst den schriftlichen Teil der Prüfung ablegen und schreiben, was du willst", erzählt er BIRN. Später habe er dieselbe Prüfung dann unbeaufsichtigt gemütlich zu Hause gemacht.

Er übergab seine zweite Prüfungsarbeit sowie 1.200 Euro in bar einem Mittelsmann, der die Unterlagen und das Geld - abzüglich einer kleinen Provision - dem Professor zukommen ließ.

Diese Art des Betrugs ist schwer aufzudecken, da die ursprünglichen schwächeren Prüfungsergebnisse einfach durch die besseren ersetzt werden. Jedem, der die Arbeit überprüft, wird die gute Note des Schmiergeld zahlenden Studenten völlig gerechtfertigt erscheinen.

Diese Praxis wurde uns von "Aida", einer anderen Studentin desselben Professors, bestätigt, die auch nur unter der Bedingung mit uns sprach, dass man ihren richtigen Namen nicht nannte.

"Aida" gab gegenüber BIRN an, sie hätte dem Professor 800 Euro gezahlt, um eine Prüfung wiederholen zu dürfen. Nachdem sie bei dieser Prüfung schon mehrmals durchgefallen war, wollte sie nun unbedingt bestehen. "Es tut mir leid, dass ich es tun musste", sagt sie.

Weder "Aida" noch "Amel" waren bereit, ihre Aussagen vor Gericht zu wiederholen. Ihr ehemaliger Professor reagierte nicht auf das Ansuchen von BIRN, dies zu kommentieren.

Der Dekan ihrer Fakultät wisse von ähnlichen Behauptungen, hätte aber nie Beweise erhalten, die dies bekräftigen würden. "Studierende erzählen alle möglichen Geschichten", erklärt er gegenüber BIRN.

Das rapide Wachstum des Hochschulwesens ging mit einer eklatanten Verschlechterung seines Rufes einher. Der freie Markt hat zum Teil einem buchstäblichen Marktplatz für Qualifikationen Platz gemacht, auf dem akademische Grade und Diplome gegen Bargeld eingetauscht werden können.

Korajlic, die Sprecherin von Transparency International, erzählt, dass Studierende an privaten Hochschulen häufig der Ansicht sind, sie hätten ein Recht darauf, ihre Prüfungen zu bestehen, da sie eine höhere Studiengebühr als ihre Kollegen im öffentlichen Sektor bezahlt hätten.

2012 stellte ihre Organisation fest, dass jeder vierte der 2.000 Studierenden, die für einen Bericht über Hochschulbildung befragt wurden, direkt mit Korruption zu tun hatte - entweder indem sie für das Bestehen einer Prüfung bezahlt hatten oder dazu aufgefordert wurden.

Staatlich gestützten Universitäten wird auch die Senkung ihrer Standards nachgesagt, da sie mit dem privaten Sektor um Studierende kämpfen.

"Anstelle eines gesunden Wettbewerbs ergänzen sie einander sogar, was die Korruption betrifft", meint Milos Solaja, ein Mitglied des Rates für die Entwicklung der Hochschulbildung in der Serbischen Republik, einer Regierungsbehörde.

"Schlechtes Image"

In ganz Bosnien entstanden seit 2000 etwa 18 private Universitäten - neben den acht staatlichen Instituten. Darüber hinaus gibt es etwa 15 Fachhochschulen, ebenfalls in privater Hand, die Berufsausbildungen anbieten.

Laut Daten des Bildungsministeriums hat ungefähr die Hälfte aller Absolventen private Universitäten in der bosnisch-serbischen Teilrepublik besucht.

Privatuniversitäten machen ihr Geschäft zum großen Teil mit Angestellten des öffentlichen Dienstes, die eine Zusatzausbildung anstreben.

Für Staatsbeamte bedeuten zusätzliche Diplome Beförderungen und Gehaltserhöhungen. Die meisten entscheiden sich für Teilzeitkurse oder Fernstudien, die es ihnen erlauben, tagsüber ihrer Arbeit nachzugehen. Ihre Qualifikationen sind reine Formsache - weniger ein Leistungstest als eine bürokratische Spitzfindigkeit.

An ihrem Arbeitsplatz wird man ihre neu erworbenen Kenntnisse kaum überprüfen, verdanken sie doch ihre Anstellung politischer Loyalität und weniger ihren Befähigungen. Auf diese Weise korrumpiert die auf dem Arbeitsmarkt des öffentlichen Sektors fest verwurzelte Korruption letztendlich auch das Bildungssystem.

"Es ist eine Schande, dass Menschen mit solchen Diplomen dem Staat dienen", meint Zoran Stojiljkovic, Professor der Politikwissenschaften an der Universität Belgrad und Vorstandsmitglied der serbischen Antikorruptionsbehörde. "Es bedeutet den völligen Verlust des Vertrauens in das Bildungssystem und die Einsicht, dass alles käuflich ist."

"Darko", ein öffentlicher Bediensteter, der anonym bleiben wollte, sagt, er sei überrascht gewesen, wie wenig er an der Fachhochschule in der Serbischen Republik gelernt hatte.

Das Gebäude der Universität Belgrad erhält ein Facelift. Manche Verbesserungen könnten auch intern nötig sein - besonders was die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen betrifft. (Foto: Dino Jahic)

Er hätte sich in den Kurs eingeschrieben, weil man ihm dafür eine monatliche Gehaltserhöhung von 170 Euro zugesichert habe.

"Man musste lernen, lesen, fleißig sein", erinnert er sich an seine Schulzeit. "Hier muss man gar nichts tun."

"Darko" erzählte BIRN, dass er sich für seine Prüfungen kaum vorbereiten musste. Professoren würden bei Schummeleien ein Auge zudrücken und manchmal sogar Noten vergeben, ohne ihre Studenten überhaupt zu prüfen. Kopierte Informationen aus dem Internet konnten als eigene Arbeit ausgegeben werden.

"Das ist nichts, womit man prahlt, wenn man pragmatisch ist", meint er. "Es ist nur etwas, dass man beenden will - in meinem Fall, um eine Gehaltserhöhung zu bekommen."

"Dusan", ein Wirtschaftsabsolvent derselben Fachhochschule, der ebenfalls nicht namentlich genannt werden wollte, ist der Ansicht, dass eine akademische Gesinnung so gut wie keinen Einfluss auf die Abschlussnoten habe. Nachdem er im ersten Jahr fleißig studiert hatte, entschloss er sich, es gemütlicher anzugehen, als er sah, dass weniger engagierte Studierende gleich gut vorankamen.

"Ich habe in meinem Studium nicht wirklich viel gelernt", meinte er.

"Darko" und "Dusan" erzählten, sie hätten Mitte November vergangenen Jahres mit dem Studium begonnen, obwohl die jährliche Einschreibungsfrist für neue Studenten im Oktober endete. "Darko" sagte, die Hochschule habe seine Einschreibung auf September zurückdatiert. Er musste dazu nur seine Studiengebühren im Voraus zahlen.

Eine Professorin an einer Fachhochschule in Banja Luka, die namentlich nicht genannt werden wollte, glaubt, die meisten Studierenden interessiere nur ihr Diplom, sie würden gar nichts Neues lernen wollen.

Ihre ehemalige Kollegin, die ebenfalls anonym bleiben wollte, meint, die von privaten Instituten eingehobenen Gebühren seien wichtiger als jegliches Wissen, das sie lehren. "Löhne müssen ausbezahlt, Betriebskostenrechnungen beglichen und für den Eigentümer muss ein Gewinn erwirtschaftet werden", erzählt sie BIRN.

Trotz der vielen Vorwürfe gegen private Universitäten in Bosnien und Serbien kann man ihnen die Schuld für den allgemeinen Werteverfall wahrscheinlich nicht allein zuweisen.

Klar ist auch, dass das System zur Kontrolle der Bildungseinrichtungen nicht so funktioniert wie es sollte.

BIRN nahm Kontakt mit dem Bildungsministerium der Serbischen Republik auf, das jedoch jeglichen Kommentar zu den in diesem Artikel aufgezeigten Fällen verweigerte.

Laut Aldin Medjedovic, einem Berater des Bildungsministers in der bosnisch-kroatischen Förderation, habe der private Sektor einen positiven Beitrag zur Bildung geleistet; er räumte jedoch ein, dass die Standards generell unterschiedlich wären.

Laut Tmusi, dem Leiter der serbischen Bildungsaufsichtsbehörde, würden alle Institutionen des Sektors über einen Kamm geschert werden.

"Es gibt seriöse Privatuniversitäten mit hochqualifizierten Professoren, aber diejenigen, die nicht so gut sind, verleihen den anderen ein schlechtes Image", erklärt er BIRN.

Kaum Perspektiven

In Wien, einem beliebten Ziel für Auswanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien, berichten Studierende aus Bosnien und Serbien gegenüber BIRN, dass sie ihre Heimat aus Frustration verlassen hätten.

Sie verzweifeln auch angesichts der Vorstellung, in einen Arbeitsmarkt zurückzukehren, der so korrupt zu sein scheint wie das ihm vorgelagerte Bildungssystem.

Mira Grahovac aus Banja Luka, die an der Technischen Universität Wien ein Masterstudium absolviert, fürchtet sich davor, in ihre Heimat zurückzukehren. "Du investierst eine Menge in deine Ausbildung, aber du bekommst nichts zurück", stellt sie fest. "In gewisser Hinsicht ist dein Leben wertlos."

Für im Ausland lebende Studierende ist die Vorstellung, auf den Balkan zurückzukehren, nicht zuletzt wegen der Schwierigkeiten wenig verlockend, im Ausland erworbene Qualifikationen für den heimischen Arbeitsmarkt anerkennen zu lassen.

In Bosnien und Serbien kann das Verfahren zur Anerkennung von im Ausland erworbenen Ausbildungsabschlüssen in der Praxis ganz anders aussehen als auf dem Papier. Sachbearbeiter widersprechen einander häufig und machen unterschiedliche Angaben, was den Zeit- und Arbeitsaufwand betrifft.

In manchen Fällen werden inoffizielle Kontakte aktiviert, um den Prozess zu beschleunigen.

Anel Alisic studierte Betriebswirtschaft an der Spalding University in den Vereinigten Staaten und machte 2000 seinen Abschluss. Neun Jahre später versuchte er, sein dort erworbenes Diplom in der Serbischen Republik anerkennen zu lassen.

Er wandte sich an die zuständige, dem Bildungsministerium zugehörige Kommission, die seinen Antrag sechs Monate später mit der Begründung zurückwies, er habe nicht alle erforderlichen Dokumente beigebracht.

Alisic suchte in seiner Verzweiflung Hilfe bei seinen persönlichen Kontakten. Sein Antrag wurde umgehend genehmigt. "Ich hatte keine andere Wahl", meint er.

Dennoch behauptet Jelena Starcevic, Sekretärin der Kommission in der Serbischen Republik, ihr Büro habe noch nie auf irgendwelche Art von Druck reagiert.

Petrovic, jene serbische Studentin, die ihr Doktorat an der Universität Oxford erlangt hatte, kehrte im Oktober 2012 in ihre Heimatstadt Belgrad zurück.

Als Expertin in der Geschichte des Balkans wurde sie rasch für ein Projekt an der Universität Belgrad, wo sie ihr Grundstudium absolviert hatte, eingestellt.

Die Fakultät für Geschichte konnte jedoch ihren Lohn nicht auszahlen, da ihre ausländischen Abschlüsse vor Ort nicht anerkannt worden waren. Das Projekt wurde vom serbischen Bildungsministerium finanziert, das ihr Gehalt nicht freigeben konnte, bevor ihre Qualifikationen nicht anerkannt worden waren.

Die Universität von Belgrad bewilligte Petrovics Antrag schließlich im November - acht Monate, nachdem sie ihn eingereicht hatte.

Nada Kovacevic, Rektor für Lehre und Studienangelegenheiten an der Universität von Belgrad, sagt, das Verfahren zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen könne zwischen vier und acht Monaten dauern.

Petrovic meint, sie habe wegen der ganzen Geschichte überlegt, wieder ins Ausland zu gehen. "Ich fühlte mich wie ein Idiot, dass ich überhaupt versucht hatte, zurückzukommen", sagt sie. "Ich bin überhaupt nicht gut darin, mich in diesem sogenannten System zurechtzufinden."

Dino Jahic ist ein Journalist aus Bosnien und Herzegowina. Der Artikel entstand im Rahmen des Balkan Fellowship for Journalistic Excellence, einer Initiative der Robert Bosch Stiftung und der ERSTE Stiftung, in Kooperation mit dem Balkan Investigative Reporting Network. Redaktion: Neil Arun

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