ZDF-Affäre bringt Seehofer in Not:Die dunkle Seite der CSU

Die Seehofer-CSU funktioniert nur im Zusammenspiel mit den Medien - und bislang amüsierte diese Seehofer-Show. Doch die Affäre um Parteisprecher Hans Michael Strepp gibt den Blick auf eine ganz andere Partei frei. Der Fall offenbart: Sie ist bereit, mit allen Mitteln um den Erhalt der Macht in Bayern zu kämpfen - auch mit den unzulässigen. Die Folgen sind für die CSU eine Katastrophe.

Mike Szymanski

Die CSU ist unter ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer eine einzige große Inszenierung. Und ihr Hauptdarsteller heißt: Horst Seehofer. Der Parteichef kann es nicht ertragen, bloß auf seiner Couch in Ingolstadt zu sitzen und Zuschauer zu sein. Er braucht den großen Auftritt. Notfalls ist Seehofer sich selbst sein liebster Entertainer.

Der Parteichef geht mit seinen Christsozialen unter grellem Scheinwerferlicht zur Facebook-Party in die Münchner Diskothek P1. Er gibt ZDF-Moderator Claus Kleber jene Interview-Passagen seiner Wutrede frei, als die Kameras hätten längst ausgeschaltet sein sollen: "Das können Sie alles senden!" Das Bild, das Seehofer in seinem spielerischen Umgang mit den Medien von seiner CSU gezeichnet haben wollte, ist das einer runderneuerten, aufgeschlossenen wie aufmüpfigen Partei. Die Seehofer-CSU funktioniert nur im Zusammenspiel mit den Medien. Und bislang amüsierte die Seehofer-Show.

Die Affäre um Parteisprecher Hans Michael Strepp gibt jetzt den Blick auf eine ganz andere Partei frei: auf eine sehr alte CSU und auf eine offenbar furchtbar ängstliche CSU. Der Parteisprecher hat nach Angaben des ZDF versucht, die Journalisten der "Heute"-Redaktion unter Druck zu setzen. Er wollte erreichen, dass sie nicht über den Parteitag der Bayern-SPD berichten, als Münchens beliebter Oberbürgermeister Christian Ude zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im Freistaat gekürt wurde.

Der Versuch allein ist schon töricht. Die Folgen sind für die CSU eine Katastrophe: Die noch am Wochenende auf dem CSU-Parteitag angesichts von 48 Prozent in Umfragen fast übertrieben zur Schau gestellte Gelassenheit ist plötzlich wie weggeblasen.

"Mutter aller Schlachten"

Der Fall Strepp offenbart, hier ist eine Partei bereit, mit allen Mitteln um den Erhalt der Macht in Bayern zu kämpfen - auch mit den unzulässigen. Die "Mutter aller Schlachten" pflegt Seehofer die Landtagswahl zu nennen. Die CSU meint wohl, im Krieg seien eben alle Methoden erlaubt. Wer den bislang eher besonnen und klug agierenden Strepp im Umgang mit Journalisten kennengelernt hat, kann sich wirklich nur schwer vorstellen, dass der Sprecher im Alleingang beim ZDF angerufen hat.

Im Raum bleibt die Frage, inwieweit System hinter solchen Manövern steckt. Der Bayerische Rundfunk wird von einigen in der Partei immer noch als ausgelagerte Stelle der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit betrachtet. Und den defizitären privaten Lokalfunk in Bayern hält die CSU geführte Staatsregierung mit Millionen-Subventionen künstlich am Leben, auch weil sie sich eine wohlwollende Berichterstattung davon verspricht. Spitzenposten in der Medienaufsicht beanspruchen CSU-Leute wie selbstverständlich für sich.

Hohle Bekenntnisse

Seehofers Bekenntnisse zur Pressefreiheit klingen seltsam hohl. Seine Entscheidung, Strepp von seinen Aufgaben zu entbinden, kam wirklich in allerletzter Minute. Der Parteichef hatte die Tragweite des Vorfalls am Mittwoch unterschätzt und die Aufklärung als Aufgabe für seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt abgetan.

Aber Dobrindt schaffte keine Transparenz, er klärte auch nicht auf. Er machte alles noch schlimmer und spielte den Vorgang herunter, indem er so tat, als sei alles gesagt. Das ZDF musste insistieren, damit Seehofer die Aufklärung zur Chefsache deklarierte. Erst als der Vorfall auch für ihn zur Bedrohung wurde, machte Seehofer kurzen Prozess.

Dennoch bleibt ein beträchtlicher Schaden für die CSU zurück, der weit darüber hinausgeht, dass das Verhältnis zu den Medien auf absehbare Zeit gestört sein dürfte. Zu Beginn des Wahljahres 2013 hat sich die CSU von einer hässlichen Seite gezeigt. 2008 hatte die CSU auch deshalb in Bayern die Alleinherrschaft verloren, weil die Bürger eben keine Partei mehr an der Regierung haben wollte, die sich erlauben kann, was sie will.

Bis zu diesem Wochenende sah es in Umfragen so aus, als könnten sich die Bürger im Freistaat wieder vorstellen, die CSU mit einer absoluten Macht auszustatten. Jetzt müssen sie erkennen: allen Beteuerungen Seehofers zum Trotz, im Kern hat sich die CSU wohl doch nicht so sehr verändert. Der Fall Strepp bestätigt: Die CSU ist sich selbst immer noch der größte Gegner.

Nun hat sich die Ausgangslage ein Jahr vor der Schicksalwahl in Bayern schneller verändert, als alle erwartet haben. SPD-Spitzenkandidat Christian Ude muss der CSU einen derartigen Schrecken versetzt haben, dass sie mit Kurzschlusshandlungen reagiert.

Noch liegt das von Ude angestrebte Dreierbündnis aus SPD, Grünen und Freien Wählern in Umfragen weit hinter der CSU zurück. Aber der Wahlkampf hat erst begonnen und Ude jetzt ein Argument mehr, warum Bayern eine andere Regierung mal ganz guttäte.

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