Wirtschaft:Konzentration aufs Kerngeschäft

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Die drohende Pleite des Familienunternehmens Schletter in Kirchdorf ist abgewendet, dank eines erfahrenen Treuhänders

Von Markus Mayr, München

Im Südosten Bayerns, an der Bundesstraße 12 in Kirchdorf bei Haag, fällt ein riesiges Firmengelände jedem sofort ins Auge. Seit 2008 firmiert dort die Schletter GmbH in mehreren Gebäuden auf insgesamt 32 000 Quadratmeter. Sie gehört zu den größten Arbeitgebern der Region. Im Dezember arbeiteten dort noch 700 Menschen. Kommendes Jahr werden es allerdings "weniger als 300" sein, sagt Geschäftsführer Tom Graf, der als Krisenmanager Ende 2015 ins Unternehmen geholt wurde. Mehrere Jahre lang kämpfte das Industrieunternehmen gegen eine drohende Pleite. Jetzt droht sie nicht mehr und dennoch müssen Angestellte entlassen werden. "Die Personen, die für die aktuelle Lage verantwortlich sind, sind nicht mehr im Unternehmen", sagt Graf. Die von der Kündigungswelle erfassten Arbeitnehmer tragen aber Graf zufolge die Konsequenzen für Fehler, die nicht ihre waren.

Die Firma begann Ende der Sechzigerjahre als kleiner Handwerksbetrieb in Oberbayern und stellt heute weltweit Photovoltaik-Montagesysteme her. Während die internationale Schletter-Gruppe jährlich 300 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, schreibt die Schletter GmbH in Kirchdorf rote Zahlen. Im Juni hatte sich die Geschäftsführung mit den Hausbanken auf eine Finanzierung bis 2019 geeinigt. Zum Insolvenzverfahren kam es deshalb nicht. Doch wissen 220 Mitarbeiter seit diesem Montag, dass sie in den kommenden Monaten entlassen werden.

Geschäftsführer Graf bedauert, dass Menschen ihren Job verlieren, findet jedoch: "Immerhin ist es uns gelungen, einen Sozialplan zu finanzieren, der diesen Arbeitnehmern den Neustart ein wenig erleichtert." Die Gekündigten sollen eine Abfindung von einem halben Monatsgehalt bekommen für jedes Jahr, das sie im Unternehmen tätig waren. Darauf haben sich die Chefetage und der Betriebsrat geeinigt. Dessen Vorsitzender ist zufrieden mit diesem Sozialplan. Von einem Verhandlungssieg will Adolf Haller dennoch nicht sprechen: "Kann man von gewinnen sprechen, wenn Leute entlassen werden?" Haller aber erkennt die Entlassungen als "zwingenden Schritt" an: Arbeitsplätze müssen gestrichen werden, damit andere erhalten bleiben. Nun werde der Betriebsrat den entlassenen Kollegen so gut es geht zur Seite stehen, sagt Haller. Nicht jedem von ihnen werde die Abfindung den Neustart problemlos ermöglichen.

Andreas Müller, 27, versucht bereits einen Neuanfang. Zehn Jahre arbeitet er bei Schletter in Kirchdorf. Vor einiger Zeit hat er sich parallel dazu mit einer Reinigungsfirma für Solarmodule selbständig gemacht, schon ahnend, dass er seinen Job verlieren wird. Nun hat Andreas Müller Gewissheit: Denn er ist einer der 220 Kollegen, denen gekündigt wird. Unlängst wurde Müller Vater. "Gerade jetzt muss es halt vorwärtsgehen", sagt er und hofft, dass er mit seinem eigenen kleinen Unternehmen Erfolg haben wird.

Noch vor gut zehn Jahren war bei der Firma Schletter von Krise nichts zu spüren gewesen. Damals florierte das Geschäft. Die Solar-Branche erlebte einen nie zuvor da gewesenen Aufschwung. 1998 hatte der Sohn das Geschäft vom Vater übernommen, dem Firmengründer Ludwig Schletter senior. Nach und nach expandierte Schletter junior die Produktion von Solar-Montagesystemen in die USA, nach Kanada, China und Südafrika. Doch als die deutsche Politik 2012 die hohen Subventionen für die Solarenergie stoppte, riss der Aufschwung in Schletters Kerngeschäft ab. Die Firma versuchte sich in anderen Sparten, wie etwa dem Leichtmetallbau. Ohne Erfolg. Dieser verlustreiche Unternehmenszweig soll nun geschlossen werden.

Die Konzentration aufs Kerngeschäft ist Bestandteil des Zukunftsplans, den Geschäftsführer Graf mit den Banken und einem bislang nicht genannten Treuhänder aushandelte. Nach Informationen der Süddeutsche Zeitung aus Finanzkreisen handelt es sich bei diesem Treuhänder um den Wirtschaftsanwalt Arndt Geiwitz. Bekannt wurde Geiwitz als Insolvenzverwalter des Drogerieimperiums Schlecker.

Den SZ-Informationen zufolge steht die Firma Schletter schon seit März des vergangenen Jahres unter der Aufsicht von Treuhänder Geiwitz. Im Dezember 2015 verließ Schletter junior die Chefetage und Tom Graf wurde als erfahrener Krisenmanager in die Geschäftsführung berufen. Im April konnte - unter der neuen Leitung - erstmals in der Firmengeschichte ein Betriebsrat gegründet werden. Das oberbayerische Unternehmen wird sich jetzt nicht nur personell, sondern auch in der Fläche um rund zwei Drittel auf etwa 10 000 Quadratmeter verkleinern.

© SZ vom 06.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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