Wilderei:Tiefpunkt für Naturschutz

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Eine kleine Population Luchse gibt es im Bayerischen Wald, der einzigen Region im Freistaat, in der die streng geschützte Wildkatze lebt. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Die erneute Tötung eines Luchses löst große Empörung aus

Von Christian Sebald, München

Von der erneuten Tötung eines Luchses im Bayerischen Wald sind erst wenige Details bekannt. So steht bisher nur fest, dass es sich bei der Raubkatze, deren Kadaver am 29. Dezember in einem Straßengraben bei Schönberg im Landkreis Freyung-Grafenau gefunden worden war, um ein sechs bis sieben Monate junges Weibchen handelt, das kerngesund war. Wie die Luchs-Expertin Sibylle Wölfl außerdem im Internet schreibt, zeigen die Wunden am Hals des Kadavers, dass das Jungtier mit Draht oder einer Schlinge erdrosselt worden ist. Das hat ein forensisches Gutachten ergeben, welches das Landesamt für Umwelt (LfU) in Auftrag gegeben hat. Luchse stehen unter strengem Schutz. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln wegen Wilderei und Verstößen gegen das Jagd- und das Tierschutzgesetz.

Die forensischen Untersuchungen an dem Kadaver waren offenbar sehr aufwendig. Deshalb hat es so lange gedauert, bis feststand, dass die Luchsin einer Straftat zum Opfer gefallen ist. Ein Wildunfall mit einem Auto, wie zunächst vermutet worden war, scheidet nach dem Gutachten definitiv aus. Außerdem wurde im Maul des Weibchens offenbar viel Sand gefunden. Das deutet auf einen langen und qualvollen Todeskampf hin. Der Kadaver selbst wurde laut Wölfl absichtlich in den Straßengraben gelegt, vermutlich um einen Verkehrsunfall vorzutäuschen.

Die Empörung über den neuen Luchs-Frevel ist groß. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) lobte am Freitag eine Belohnung von 10 000 Euro für Hinweise auf den oder die Täter aus. "Luchse sind streng geschützt", sagte sie. "Die illegale Tötung streng geschützter Tiere muss konsequent verfolgt und bestraft werden." Solche Straftaten seien nicht länger hinnehmbar. Auch der SPD-Abgeordnete Florian von Brunn verurteilte die Straftat. "Seit Jahren kommt es immer wieder zu Tötungen und Wilderei von geschützten Arten: Luchsen, Fischottern und Greifvögeln", sagte er. "So kann es nicht weitergehen. Die Staatsregierung muss Konsequenzen ziehen und die Defizite bei Prävention und Fahndung angehen."

In der Naturschutzszene ist die Aufregung ebenfalls groß. "Das neuerliche Tötungsdelikt ist ein Tiefpunkt für den bayerischen Naturschutz", sagte Kai Frobel, der oberste Artenschützer im Bund Naturschutz (BN). "Die Staatsregierung ist gefordert, jetzt endlich ein klares Signal zu setzen. Sie muss Sonderermittler einsetzen, die diesem barbarischem Treiben ein Ende setzen." Naturschützer fordern bereits seit geraumer Zeit, dass der Freistaat eine eigene Ermittlungseinheit für Naturschutzstraftaten und Wildereien einrichtet - bisher freilich vergebens.

Die Wilderei mit Draht- oder Schlingenfallen war Jahrhunderte lang weit verbreitet, in Bayern wie anderswo. Auch heute kommt sie immer wieder vor. Dass auch den Luchsen im Bayerischen Wald mit Schlingen nachgestellt wird, ist aber neu. Der aktuelle Fall ist der erste, der bekannt geworden ist. Schlingenfallen gelten als besonders perfide, weil die Tiere, die sich in ihnen verfangen, einen besonders qualvollen Tod erleiden. Die Schlinge wird dabei an einem Wildwechsel oder an einer anderen Stelle angebracht, an der der Wilderer seine beabsichtigte Beute vermutet. Und zwar in Kopfhöhe der Tiere. Zieht ein Tier durch die Falle, streift sich die Schlinge über seinen Kopf und um den Hals - und zieht sich zu. Das Tier wird stranguliert, bis es stirbt. Der Todeskampf kann etliche Minuten dauern.

Der Bayerische Wald ist die einzige Region in Bayern, in der eine kleine Population Luchse lebt. Obwohl die Raubkatzen sehr scheu sind, werden sie dort seit etlichen Jahren gnadenlos gewildert. So vergiftete im Frühjahr 2012 ein Unbekannter die Luchsin Tessa. Der Kadaver der Raubkatze, die im Rahmen eines Forschungsprojekts mit einem Sender ausgestattet worden war, wurde nahe Rinchnach entdeckt. Ein Jahr später schoss ein Unbekannter eine trächtige Luchsin ab und deponierte ihren Kadaver bei Bodenmais so an einem Weg, dass er von Wanderern entdeckt wurde. Im Mai 2015 töteten Wilderer im Lamer Winkel ein Luchspärchen und hackten den beiden Tieren die Vorderläufe ab. Anschließend legen sie die Kadaverteile ebenfalls an einer Stelle ab, an der sie gefunden werden mussten. In allen Fällen blieben die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ohne Ergebnis. Experten nennen den Bayerischen Wald schon länger ein "Bermudadreieck für Luchse".

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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