Wahlkampf:Reden mit der AfD - oder eben nicht

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Die Parteien hadern, ob sie zusammen mit Vertretern der Populisten an Podiumsdiskussionen teilnehmen sollen

Von Lisa Schnell, München

Kinder haben eine Methode entwickelt, sich unangenehmen Situationen zu entziehen: Sie schließen einfach die Augen. Alles Augenreiben aber hilft nichts, wenn Landtagskandidaten derzeit zu Diskussionen eingeladen werden, sitzt mit ihnen auf dem Podium oft ein Kandidat der AfD. Einer, der vielleicht den Holocaust verharmlost. Aber auch einer, der eine Partei vertritt, die derzeit rund 13 Prozent der Bayern wählen würden. Der AfD Paroli bieten und damit auch eine Bühne? Oder ihr die Bühne entreißen und sie so vielleicht erst recht ins Rampenlicht stellen? Fragen, auf die es keine richtige Antwort zu geben scheint. Jeder Kandidat beantwortet sie anders, und auch die Richtlinien der Parteien unterscheiden sich.

Die SPD hatte mal eine sehr deutliche Meinung, formuliert in einem Parteitagsbeschluss von 2016. "Gemeinsame Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen lehnen wir ab", heißt es da über den Umgang mit der AfD. Mittlerweile gebe es die Einsicht, dass "wir mit der AfD länger umgehen müssen", sagt SPD-Generalsekretär Uli Grötsch und präsentiert deshalb auch einen anderen Leitfaden. Der besagt: Wer eingeladen ist, mit einem Vertreter der AfD zu diskutieren, soll versuchen, alle anderen Teilnehmer davon zu überzeugen, die Veranstaltung abzusagen. Die "antifaschistische Aktion" nennt das Grötsch. Scheitert die, kann der Kandidat selbst entscheiden. Sie scheitert relativ oft, so die Erfahrung von Ates Gürpinar, Spitzenkandidat der Linken. Schon letztes Jahr hatte er alle anderen Parteien dazu aufgefordert, Podiumsdiskussionen mit der AfD zu ignorieren - mit mäßigem Erfolg. Wer die AfD ignoriert, der ignoriert schließlich auch eine Möglichkeit, selbst auf der Bühne zu sitzen. Folgt kein Vertreter der SPD oder der Grünen ihrem Boykottaufruf, sieht auch die Linke davon ab. "Es ist widerlich, mit denen auf dem Podium zu sitzen, aber wenn ich als Einziger fehle, dann gibt es keine Partei, die ein linkes Programm vertritt", sagt Gürpinar. Da würde ihm die Landtagsabgeordnete Isabell Zacharias, eher im linken Flügel der SPD zu verorten, sicher widersprechen. Ihre Gefühle der AfD gegenüber aber beschreibt sie ähnlich. "Das sind Undemokraten, Rassisten und Antisemiten", sagt Zacharias. Ob man sich mit ihnen auf ein Podium setzt, ist für sie "eine Frage der Haltung". Natürlich stelle sie sich der Diskussion, aber das ginge auch auf der Straße im Gespräch mit Leuten und dort sogar viel besser. Podiumsdiskussionen mit der AfD liefen immer gleich ab: Die Moderation schafft es nicht, von den Themen der AfD wegzukommen. Egal, ob es um Schule oder Wohnen geht, die AfD rede immer nur über Geflüchtete und wie sie dem Land schaden. Und dann sind da noch die "Claqueure", die Fangruppe der AfD, die im Saal "eine Stimmung schafft, die nicht die der Bevölkerung ist".

Ihr Parteikollege Horst Arnold dagegen sagt: "Man kann die AfD leicht demaskieren." Gerade habe er einen AfD-Kandidaten bei einer Diskussion in Fürth "niedergemacht". Seine Hochburgen im Wahlkampf sind auch die der AfD. Wenn er da nicht erscheine, würde er "die eigenen Wähler, die locker zurückzuholen sind, liegenlassen". Es sei doch ein "bedauerliches Schneckenhausdasein", wenn alle bei einer Diskussion dabei seien, nur die SPD nicht. Manchmal aber, da kommen alle nicht, wie gerade eben bei einer Veranstaltung der TU München. Sie musste abgesagt werden, weil niemand mit Andreas Winhart, AfD-Landtagskandidat aus Rosenheim, diskutieren wollte. Winhart hatte auf Facebook ein Foto von Hähnchenschenkeln in der Form eines Hakenkreuzes mit "Mahlzeit" kommentiert.

"Wegducken" ist eigentlich nicht die Linie der Grünen, sagt ihr Spitzenkandidat Ludwig Hartmann. Auch Michael Piazolo von den Freien Wählern will der AfD eigentlich "nicht das Feld überlassen", hier aber sei eine Grenze überschritten. Am Ende aber bekam Winhart die Gelegenheit, das Verhalten der anderen Parteien als "für die Demokratie beschämend" zu bezeichnen. Er bedankte sich für die "ungeahnte Wahlkampfhilfe". Genau deshalb wäre Martin Hagen, FDP-Spitzenkandidat, gekommen. "Dieses Opfernarrativ ist das, was die AfD von Anfang an groß gemacht hat", sagt er. Auf der anderen Seite: "Wenn Sie mit nur manchen nicht auf dem Podium sitzen, adeln Sie die, mit denen Sie es tun und sagen: Die sind nicht so schlimm." So das Argument von Gürpinar von der Linken.

Es scheint eine Zwickmühle zu sein, aus der es keinen Weg hinaus gibt und der sich die Parteien nach der Wahl im Oktober wieder stellen müssen. Dann wird die AfD wohl im Landtag sitzen und die Parteien müssen Antworten auf neue Fragen finden: Welchen Ausschüssen soll die AfD vorsitzen? Wird auch sie einen Landtagsvize stellen? Augen verschließen wird wohl auch hier nicht helfen.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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