Wahlkampf:Es geht an die Inhalte

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Zwei, die sich verstehen? Oder zwei, die sich nur öfter sehen? Angela Merkel und Horst Seehofer treffen sich am Sonntag, Montag und Dienstag. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

CSU-Chef Seehofer warnt nach den Erfolgen der CDU vor Überheblichkeit. Jetzt wird ein gemeinsames Programm erarbeitet

Von Wolfgang Wittl, München

Immerhin, die Gesetze der Schwerkraft funktionieren noch in der CSU-Zentrale. Die Böden sind gewischt, die Teppiche gesaugt, Menschen bewegen sich tatsächlich festen Schrittes durch die Flure. Nach dem Sieg der Schwesterpartei CDU in Nordrhein-Westfalen waren aus Angst vor akuter Abheb-Gefahr ja sofort Kommandos zu vernehmen, wie die Union nun auftreten müsse: Bodenhaftung bewahren! Auf dem Teppich bleiben! Schweben verboten! Die Mitarbeiter in der CSU-Landesleitung zeigen am Montag, dass sie verstanden haben. Die Stimmung ist gehoben, aber keinesfalls abgehoben.

Diese Sorge beschäftigt Horst Seehofer derzeit wohl am meisten: dass es zu gut läuft für die Union. Bereits nach der CSU-Listenaufstellung mit dem Jubel um den Spitzenkandidaten Joachim Herrmann trat der Parteichef auf die Euphoriebremse. Schon der kleinste Fehler könne "die Sache zum Kippen bringen", mahnte Seehofer mit Blick auf die Bundestagswahl im September. Nun, da die SPD zwei sicher geglaubte Wahlen in Schleswig-Holstein und NRW gegen die CDU verloren hat, warnt er, dass sich Stimmungen "fast torpedoartig" wieder ändern können. Die CSU fürchtet um die Mobilisierung ihrer Anhänger. Daher tastet sie sich nun an die Inhalte heran.

In einer Telefonschalte mit dem engsten Führungszirkel sprach Seehofer am Montag über das Wahlprogramm. Am Freitag und Samstag will die CSU bei einer Vorstandsklausur in Schwarzenfeld klären, welche Themen welche Rolle spielen sollen im Bundestagswahlkampf. Innere Sicherheit, Leitkultur, Zuwanderung, Integration, Familien, Alterssicherung, Rente, Wirtschaft, Innovationen, Steuern, Finanzen, Europa - "jetzt wird inhaltlich gepowert", kündigt Seehofer an. Alle Wahlen hätten gezeigt, dass für eine Partei nichts zu gewinnen sei, wenn die Leistung nicht stimme. In Schwarzenfeld will Seehofer daher "eine Orientierungsdebatte über alle politischen Inhalte führen", aber noch nichts beschließen. Die CSU soll flexibel bleiben für die finale Feinjustierung mit der CDU.

Einen Tag nach der Klausur wird Seehofer am Sonntag mit Angela Merkel in Berlin die Grundzüge des Programms besprechen, am Montag kommt die Kanzlerin zu einer Sitzung der Unionsfraktionsvorsitzenden nach München, am Dienstag hält sie im Bierzelt in Trudering eine Wahlkampfrede. So schnell geht's: Vor einem halben Jahr wagte die CSU es nicht, Merkel zu ihrem Parteitag einzuladen, weil sie die Reaktionen der eigenen Basis fürchtete. Nun sieht es so aus, als könne die CSU gar nicht genug bekommen von Merkel.

Mit Rücksicht auf die CDU hatte sich die CSU vor den jüngsten drei Landtagswahlen ja bewusst zurückgehalten. Kein Querschuss aus Bayern sollte die Schwesterpartei stören. Ergebnis: Die CDU hat alle drei Wahlen gewonnen. Wer daraus schließt, dass die Union schon früher in die Erfolgsspur hätte finden können, wenn die CSU ihre Angriffe auf die Kanzlerin eher eingestellt hätte, erntet in München heftigen Widerspruch: "Wir sind ja keine Streithansl, weil uns das Spaß macht, sondern weil wir eine bessere Politik wollen", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Der Erfolg sei vielmehr zurückgekehrt, weil sich die CDU wieder auf ihre Stammwähler zubewegt habe, auch dank tatkräftiger Ermunterung aus Bayern. "Innere Sicherheit, Zuwanderung, Steuerpolitik - die Richtung stimmt jetzt wieder", sagt Scheuer.

Seehofer, Herrmann und Scheuer waren an Rhein und Ruhr persönlich im Wahlkampf aufgetreten - auf ausdrücklichen Wunsch der CDU hin. Das Ergebnis sei seit Sonntag bekannt. So viel will die CSU dann doch klargestellt wissen, bei aller neuen Bescheidenheit.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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