Volksentscheide bei der Landtagswahl:Beschlüsse fürs Schaufenster

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Wer am Sonntag zur Landtagswahl geht, muss auch über fünf Verfassungsänderungen entscheiden. Die meisten von ihnen sind politische Banalitäten, die plötzlich Verfassungsrang erhalten sollen. Was soll das Ganze also?

Ein Kommentar von Kassian Stroh

Über fünf Änderungen der Verfassung soll das bayerische Volk am Sonntag entscheiden. Und dass es nur fünf sind, ist ein Skandal. Denn noch immer bleiben Kernfragen der Landespolitik unreglementiert: Weder wird der Klimawandel für unbillig erklärt noch das Verbot unbegründeter Tierversuche als Staatsziel festgeschrieben, wie überhaupt die Wahrung des Weltfriedens in Bayern gänzlich unter die Räder zu geraten droht.

Polemik? Aber sicher. Und doch ist das der Kern der Frage, ob die fünf Verfassungsänderungen sinnvoll sind. Drei von ihnen nämlich sind politische Banalitäten, Selbstverständlichkeiten, die plötzlich Verfassungsrang erhalten sollen. Der Freistaat muss schauen, dass die Kommunen genug Geld haben? Er soll ehrenamtliches Engagement fördern? Er kümmert sich nicht nur um das Leben in den Städten, sondern auch auf dem Land? Aber sicher doch. Erwähnenswert wäre in jedem Fall doch nur das Gegenteil.

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Die vierte Änderung wiederum, wonach Bayern nur noch in Ausnahmefällen Schulden machen darf, ist ohne Belang, weil das schon im Grundgesetz steht. Und bei der fünften geplanten Vorgabe, dass bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die EU der Landtag oder sogar das Volk mitreden darf, sind selbst beste Juristen uneins, ob dies überhaupt verfassungskonform ist und, wenn doch, ob es konkrete Auswirkungen hätte. Was soll das Ganze also?

Es ist Politik fürs Schaufenster, argumentatives Futter für die Wahlkampfredner, für die der CSU vor allem. Seht her, wir kümmern uns um die Zukunft des ländlichen Raums, können sie nun alle rufen - und darüber verschweigen, dass sie es nicht einmal geschafft haben, ein Landesentwicklungsprogramm zu verabschieden, das auch nur ein Experte gut geheißen hätte.

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Die Verfassung aber ist das Fundament des Freistaats, ihre aus den Nachkriegstagen stammende Prägnanz und Kürze macht sie gleichermaßen schlicht wie schön. Sie sollte nur aus wichtigen Gründen geändert werden, wenn sich die Wirklichkeit so sehr verändert hat, dass eine Anpassung unvermeidlich ist. Das hat sie im vorliegenden Fall nicht. Dann aber darf man an ihr nicht herumoperieren, nur der Symbolik wegen.

© SZ vom 10.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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