Volksbegehren zu G 8 und G 9:Tauziehen ums Gymnasium

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Abiturprüfungen bei München. Doch wie sieht das Gymnasium der Zukunft aus? (Foto: Hartmut Pöstges)

Wie schaut das bayerische Modell der Zukunft aus? Kurz vor dem Start des Volksbegehrens zur Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 liegt eine Vielfalt von Konzepten vor. Die SZ stellt die wichtigsten vor.

Von Tina Baier, München

Mit ihrem Volksbegehren zur Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9, das am 3. Juli startet, haben die Freien Wähler eine Grundsatz-Debatte zur Reform des bayerischen Gymnasiums losgetreten. Parteien und Verbände haben sich Gedanken gemacht; allein das Kultusministerium hat noch keine eigenen Ideen. Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) gibt den großen Moderator, der sich alle Vorschläge anhört, bevor er entscheidet. Die Vielfalt der Konzepte ist mittlerweile verwirrend, die Unterschiede sind oft minimal. Die Süddeutsche Zeitung stellt ausgewählte Vorschläge vor.

Gymnasiallehrer: Vorwärts zum G 9

Der bayerische Philologenverband schlägt vor, dass das Gros der Schüler wieder nach neun Jahren Abitur machen soll. Dadurch würde der jetzige Lehrplan entzerrt. Die Unterstufe soll im Wesentlichen unverändert bleiben. Das hätte den Vorteil, dass bei einer Umstellung, die frühestens im Schuljahr 2015/2016 kommt, mehrere Jahrgangsstufen mitgenommen werden können, also beispielsweise diejenigen Kinder, die diesen Herbst ins G 8 kommen.

Der Schwerpunkt der Entlastung soll in der Mittelstufe liegen; die Schüler sollen in dieser Phase nur noch 30 bis 32 Unterrichtsstunden pro Woche haben. Besonders leistungsfähige Schüler können ihr Abitur weiterhin nach acht Jahren machen: Sie überspringen die zehnte Klasse und bekommen dabei Unterstützung durch sogenannte Addita in der neunten und elften Klasse: zusätzliche Stunden, in denen der Stoff der übersprungenen Klasse vermittelt wird.

Eltern: Flexibel in der Mittelstufe

Nach den Vorstellungen der Landes-Eltern-Vereinigung der Gymnasien in Bayern (LEV) sollen Eltern entscheiden können, ob ihr Kind die Mittelstufe, also die achte, neunte und zehnte Klasse, in drei oder in vier Jahren durchlaufen soll. Diejenigen Schüler, die im G 8 unter Stress leiden, könnten auf diese Weise "Entschleunigung" wählen.

Der Lehrplan soll nicht geändert, sondern lediglich von drei auf vier Jahre gestreckt werden; die Bücher werden statt in drei, in vier Jahren durchgearbeitet. Für die Unterstufe verlangen die Eltern unter anderem mehr Sprachförderung. Nach Einschätzung der LEV werden etwa 30 Prozent der Gymnasiasten die langsamere Variante wählen. Der Rest soll weiter nach acht Jahren Abitur machen.

Grüne: Zusatzjahr in der Oberstufe

Die Grünen wollen, dass Schüler am Ende der zehnten Klasse entscheiden können, ob sie die Oberstufe in zwei Jahren (G-8-Variante) oder in drei Jahren (G-9-Variante) durchlaufen. Sie plädieren dafür, ähnlich wie im alten G 9 wieder Leistungskurse einzuführen, die die Schüler wählen können und in denen sie sich vertieft mit bestimmten Themen befassen sollen.

In der Mittelstufe wollen die Grünen die Vielzahl der einzelnen Fächer reduzieren. Innerhalb der Partei wird noch darüber diskutiert, ob es auch in der Unterstufe eine Wahlmöglichkeit geben soll: Nämlich die, mit der zweiten Fremdsprache in der sechsten oder erst in der siebten Klasse anzufangen.

Ähnlich wie die Philologen will auch die SPD ein Gymnasium auf der Basis von neun Jahren. Wer verkürzen und das Abitur bereits nach acht Jahren machen will, sollte dies nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten in einem Ganztagsgymnasium tun, von dem es in jedem Landkreis mindestens eines geben sollte. Wichtig sind der SPD aber auch inhaltliche Reformen: Unter anderem soll überprüft werden, wie zeitgemäß der Lehrplan noch ist und die Schüler sollen selbständiger lernen dürfen.

Freie Wähler: Die Schulen entscheiden

Die Freien Wähler unterscheiden sehr genau zwischen ihrem Volksbegehren und ihrem Konzept für die Zukunft des Gymnasiums. "Beim Volksbegehren wird nicht über das Konzept der Freien Wähler abgestimmt", sagt Michael Piazolo, Generalsekretär der Partei. Das Volksbegehren sei viel allgemeiner gefasst und deshalb etwa mit dem Vorschlag des Philologenverbands "kompatibel".

Das Konzept der Partei sieht vor, dass jedes Gymnasium in Bayern sich frei entscheiden kann, ob es bei G 8 bleibt, G 9 einführt oder beide Varianten parallel an ein und derselben Schule anbietet. Grundprinzipien des Freie-Wähler-G 9 sind: Unterricht hauptsächlich am Vormittag, weniger Klausuren pro Jahr, gleiches Abitur für Absolventen des G 8 und des G 9.

BLLV: Weniger dozieren

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband unterstützt das Volksbegehren der Freien Wähler aus strategischen Gründen. Am wichtigsten sind dem Verband aber didaktische Reformen am Gymnasium: Die Lehrer sollen weniger dozieren, die Schüler sollen eine aktive Lernrolle übernehmen. Von einem Zusatzjahr erhofft sich der BLLV mehr Zeit zum Üben, zum Vertiefen und zur Reflexion. Damit die Schüler Zusammenhänge begreifen, sollten verschiedene Fachlehrer gemeinsame Projekte organisieren.

DGB: Zweite Fremdsprache erst später

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnen das dreigliedrige Schulsystem, in dem die Schüler nach der vierten Klasse aufgeteilt werden, ab und fordern, dass Kinder in einer Gemeinschaftsschule länger zusammen lernen sollen. Dennoch haben sie sich in die aktuelle Debatte eingeschaltet und ein eigenes Konzept vorgelegt. Ähnlich wie die Grünen wollen die Gewerkschaften eine flexible Oberstufe. Die zweite Fremdsprache soll erst in der siebten Klasse dazukommen.

© SZ vom 10.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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