Volksbegehren zu G8/9:Finale im Schulstreit

Wie viele Jahre sollen Kinder zur Schule gehen? Darüber streiten Eltern, Lehrer und Politiker in der ganzen Republik. In Bayern soll ein Volksbegehren ein Gymnasium der zwei Geschwindigkeiten bringen. Doch was heißt das genau? Und wer steht dahinter? Fragen und Antworten.

Von Anna Fischhaber

Es ist das bildungspolitische Dauerstreitthema in Deutschland: Die Frage, wie viele Jahre Unterricht zum Abitur führen sollen. Während Kritiker vor einem sinnlosem Hin und Her warnen, kämpfen Elterninitiativen in fast allen West-Bundesländern inzwischen für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. Baden-Württemberg oder Hessen bieten das G9 parallel zum G8 wieder an. Und auch in Bayern ist der Unmut über G8 zehn Jahre nach dessen Einführung noch immer groß. Daran hat auch das vom Kultusministerium eingeführte freiwillige Flexijahr nichts geändert. Mit einem Volksbegehren wollen die Freien Wähler die CSU nun zum Einlenken zwingen.

Um was geht es bei dem Volksbegehren?

"Ja zur Wahlfreiheit zwischen G9 und G8 in Bayern" heißt das Volksbegehren der Freien Wähler, das am Donnerstag startet. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Schulen selbst entscheiden können, ob sie ausschließlich eine acht- oder neunjährige Ausbildung anbieten oder beides parallel. Zur Begründung heißt es: G8 weise "eklatante Schwächen" auf. Allerdings sei es zu spät, sich völlig davon zu verabschieden. Vorgesehen ist, Schülern mit einem weiterentwickelten G9 einen zweiten, entschleunigten Weg zum Abitur anzubieten. Im Volksbegehren wird auch festgelegt, dass das Schulforum darüber entscheidet, welche Option das Gymnasium anbietet. In diesem Gremium sitzen neben dem Rektor auch Lehrer, Eltern und Schüler. Kleinere Schulen könnten dann G8 oder G9 anbieten, größere beide Zweige. Details wie Stundenpläne sind nicht Inhalt des relativ allgemein formulierten Gesetzesentwurfs.

Wer steht hinter dem Volksbegehren?

Es ist nach der Abschaffung der Studiengebühren bereits das zweite Volksbegehren, das die Freien Wähler zur Bildungspolitik organisieren. Doch diesmal stehen sie ziemlich alleine da. SPD und Grüne fordern ebenfalls Reformen, lehnen aber den Gesetzentwurf ab - genauso wie die CSU. Dafür hat nach dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband inzwischen auch das Forum Bildungspolitik seine etwa 1,5 Millionen Mitglieder zur Unterschrift aufgerufen. Aus strategischen Gründen, wie Klaus Wenzel, Sprecher des Forums und Präsident des Lehrerverbandes klarstellt. Ihm gehe es vor allem um pädagogische Reformen und dafür brauche es Druck. Ähnlich äußert sich der Philologenverband, der das Volksbegehren nicht offiziell unterstützt, aber auch nichts dagegen hat, wenn die Mitglieder unterschreiben. "Ich betrachte das Volksbegehren als Drohpotenzial für die CSU, das unseren Plänen hilft", sagt der Vorsitzende Max Schmidt.

Was wollen die anderen Parteien?

Der CSU-Gegenentwurf zur Wahlfreiheit lautete bislang Flexijahr. Das können Gymnasiasten in der Mittelstufe einschieben ohne als Durchfaller zu gelten. Das Interesse daran hält sich aber bislang in Grenzen. In der Debatte um G8 und G9 will sich die Regierungspartei erst nach dem Volksbegehren positionieren - im September soll es Klarheit über die Haltung der CSU geben. Dass sich etwas ändert, ist klar. Ob es mehr als kosmetische Verbesserungen am jetzigen G8 sind, hingegen nicht. In der CSU gibt es noch immer viele Befürworter des von Edmund Stoiber eingeführten G8, und auf die hat sich Parteichef Horst Seehofer wieder leicht zu bewegt.

In der Opposition ist derweil ein Wettstreit ausgebrochen. Nach den Freien Wählern haben inzwischen auch SPD und Grüne eigene Gesetzentwürfe in den Landtag eingebracht. Der Entwurf der Sozialdemokraten sieht die Wiedereinführung des G9 an allen Schulen in Bayern vor. Ähnlich wie der Philologenverband will aber auch die SPD begabten Schülern die Möglichkeit geben, das Abitur wie bisher schon nach acht Jahren zu erwerben. Die von den Freien Wählern bevorzugte Wahlmöglichkeit zwischen G8 und G9 sei für Gymnasien auf dem Land nicht zu stemmen, heißt es. Die Grünen nennen ihr Modell "Abitur in eigenem Takt". Schüler sollen in der Oberstufe selbst entscheiden können, ob sie diese in zwei oder drei Jahren absolvieren. Der Philologenverband und und der Landesschülerrat haben wieder andere Vorschläge. Einen Überblick finden Sie hier.

Wie funktioniert das Volksbegehren?

Mindestens 25.000 Unterschriften haben die Freien Wähler für ihr Volksbegehren gebraucht - diese erste Hürde ist bereits geschafft. Von Donnerstag, 3. Juli, bis Mittwoch, 16. Juli - also zwei Wochen lang - liegen nun in allen bayerischen Gemeinden Listen aus, in die sich wahlberechtigte Bürger eintragen können. Über Eintragungszeiten informiert die jeweilige Gemeinde, für die Unterschrift braucht es nur den Personalausweis. Eine Briefwahl ist nicht möglich, Stimmberechtigte können allerdings mit einem Eintragungsschein in ganz Bayern unterschreiben. Mindestens zehn Prozent der Wahlbeteiligten, im Freistaat sind das fast 950.000 Menschen, müssen sich eintragen, damit das Begehren erfolgreich ist. Die Freien Wähler hoffen, dass bei Lehrern, Schülern und Eltern der Frust über G8 groß genug ist. Die Erfolgschancen sind ungewiss, schon jetzt ist es den Freien Wählern aber gelungen, eine Grundsatzdebatte über eine Reform des bayerischen Gymnasiums anzustoßen.

Was passiert, wenn das Volksbegehren Erfolg hat?

Beim Volksbegehren zur Abschaffung der Studiengebühren kamen 1,35 Millionen Unterschriften zusammen, zum Volksentscheid kam es aber nicht. Die damaligen Regierungsparteien, CSU und FDP, einigten sich stattdessen darauf, im Landtag selbst für die Abschaffung der Gebühren zu stimmen. Dass die CSU diesmal den Gesetzesentwurf unverändert annimmt, ist wenig wahrscheinlich. Sollte das Begehren erfolgreich sein, ist es wahrscheinlicher, dass es innerhalb von drei Monaten zum Volksentscheid kommt. In diesem Fall kann der Landtag einen Alternativ-Gesetzesentwurf mit zur Abstimmung stellen. Die einfache Mehrheit entscheidet dann. Für die Schüler wird sich wohl frühestens vom Schuljahr 2015/2016 an etwas ändern.

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