Verkehr:Mit "Diana" will die Bahn Weichenstörungen beheben, bevor sie zu Chaos führen

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Geht eine Weiche kaputt, wird sie repariert. Künftig soll das System Diana schon vor der Störung erkennen, dass eine solche droht. (Foto: picture alliance / dpa)
  • "Diana" steht für Diagnose- und Analysesystem: Mit einer neuen digitalen Anwendung will die Bahn Weichen prüfen und früher auf Abweichungen reagieren.
  • Bis zu 50 Prozent aller Weichenstörungen soll die neue Technologie künftig verhindern.
  • Bis Ende des Jahres sollen 2000 Weichen im Freistaat mit dem System ausgestattet werden.

Von Maximilian Gerl, München

Ein Techniker warnt: Am besten nichts anfassen! Lebensgefahr und so. Hinter der Metalltür ist eine Relaisstation. Schaltkreise, Knöpfe, Kabel vom Boden bis zur Decke, dicht an dicht in mehreren Reihen, dazwischen schmale Gänge. Analoge Technik, mehr als 50 Jahre alt, "läuft wie eine Eins", sagt der Techniker. Ein leises Brummen liegt in der Luft: Strom. Schilder mit dem Zeichen für Hochspannung warnen, wo man nichts anfassen sollte. Durch einen schmalen Gang geht es zwischen den Relais hindurch. Am anderen Ende wartet Diana. Die neue Wunderwaffe gegen Zugausfälle und Verspätungen.

Mit Diana, so die Hoffnung der Deutschen Bahn, soll alles besser werden im Bahnland Bayern. Zumindest an der Weiche. Diana steht für Diagnose- und Analyse. Bis zur Hälfte aller Weichenstörungen soll die neue Technologie künftig verhindern. Und die Durchsage "Wegen einer Weichenstörung kommt es zu Abweichungen im Betriebsablauf" möglichst aus dem Bahnsteig-Repertoire verbannen.

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Etwa 8000 Weichen gibt es in Bayern, jede einzelne ein potenzieller Störenfried. Was auch daran liegt, dass Weichen vergleichsweise sensible Anlagen sind: Während die übrigen Gleise faul auf Schotter herumliegen, müssen Weichen etwas tun. Sich hin- und herbewegen, um Züge auf die richtige Spur zu lenken. Verschleißerscheinungen sind normal. Sie zu finden, ist das Problem. Dazu müssten Techniker ständig die Gleise überwachen, ihr Ohr an jede Weiche halten, um ein Knirschen oder Rumpeln beim Umstellen zu erlauschen.

Bislang hatte die Deutsche Bahn deshalb eine ganz einfache Herangehensweise ans Problemteil Weiche: gar keine. In der Regel wartete man, bis sie kaputt ging, dann wusste man, wo man reparieren musste. Mit Diana will die Bahn nun proaktiv statt reaktiv werden, will Störungen beheben, bevor sie auftreten. Wie das funktionieren soll, lässt sich in der Relaisstation an der Münchner Hackerbrücke beobachten. Dort ist das System bereits installiert. Wobei es nicht direkt etwas zu sehen gibt für das menschliche Auge. Die Wunderwaffe ist optisch unspektakulär. Ein grau-blaues Kästchen an bunten Kabeln.

Um doch was zu sehen, braucht man Katharina Rottmann, die Projektleiterin für Diana. "Jedes dieser Stromkabel führt zu einer Weiche", sagt sie, "Diana wird dazwischen angeknapst." Der grau-blaue Kasten ist sozusagen ein EKG für Weichen. Rottmann zückt ein Tablet, per App steuert sie eine Diana-Box und damit eine Weiche an. Auf dem Bildschirm erscheinen ein grüner und ein schwarzer Graph. Zwei zackige Wellen, die fast übereinander liegen - die Soll- und die Ist-Kurve. "Diana misst den Strom, den man benötigt, um eine Weiche zu bewegen", sagt Rottman, "und sie misst, wie groß die Abweichung zum Soll-Zustand ist."

Die Idee hinter dem System ist einfach

Tatsächlich ist die Idee hinter Diana so simpel wie bestechend. Wenn der Antriebsmotor einer Weiche mehr Arbeit leistet, muss es dafür einen Grund geben: Sei es, weil die Mechanik verschlissen ist, neues Schmierfett her muss oder nasser Schnee blockiert. Diana misst daher ein halbes Jahr lang den Stromverbrauch an der Weiche und erstellt so für sie ein individuelles Stromprofil. Sobald sie mehr als gewöhnlich verbraucht, schlägt das System Alarm. Techniker in der Zentrale können dann überprüfen, wie groß die Abweichung ist. Bei Bedarf schicken sie einen Kollegen los, der die Weiche überprüft und gegebenenfalls repariert.

Problem gelöst - Störung vermieden. Jedenfalls in der Theorie. Wie viele Verspätungen und Ausfälle die neue Wunderwaffe praktisch verhindert hat, darüber gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Am Bahnknoten München ist Diana erst seit ein paar Monaten im Einsatz. Die Bahn zeigt sich dennoch von der Technologie überzeugt: Bis Ende des Jahres sollen 2000 Weichen im Freistaat mit dem Diagnose- und Analysesystem ausgestattet werden. Bis Ende 2020 sollen es bayernweit 4500 sein, das sind einer internen Bahnprüfung zufolge alle betriebswichtigen Weichen.

Rottmann packt das Tablet zurück in eine Tasche. Rundherum brummt die mehr als 50-jährige analoge Technik weiter. Ganz ohne die wird es auch in Zukunft nicht gehen, trotz allen digitalen Fortschritts, erst recht nicht ohne die menschlichen Techniker: Schließlich sind sie es, die Warnungen von Diana richtig einschätzen müssen. "Diana ist ein Hilfsmittel", sagt Rottmann. Nicht mehr. Aber zumindest auch nicht weniger.

© SZ vom 10.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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