Veitshöchheim:"Alle kriegen kräftig eingeschenkt"

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Gesendet wird live von einer Baustelle. Für 13 Millionen Euro baut die Gemeinde Veitshöchheim ihre Mainfrankensäle um. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Der ADAC, der Limburger Protz-Bischof, der Fall Edathy, die Bayernwahl: An politischen Steilvorlagen für die TV-"Fastnacht in Franken" fehlt es nicht - schwierig sind in diesem Jahr allein die äußeren Umstände.

Von Uwe Ritzer, Veitshöchheim

Fremde, die verzweifelt durch die Straßen laufen, weil sie den Saal mit der üppigen Rokoko-Pracht einfach nicht finden, gehören in Veitshöchheim fast das gesamte Jahr über zum Ortsbild. Denn diesen Saal gibt es nur alle zwölf Monate für wenige Tage. Seine Kulisse ist bloße Dekoration aus bunt bemalten Pressspannplatten, Styropor und Pappe, geschaffen von Bühnenbildnern des Bayerischen Rundfunks. Nämlich für dessen quotenstärkste Fernsehsendung: die "Fastnacht in Franken".

In diesem Jahr ist die Suche nach dem üppig dekorierten Rokoko-Saal noch schwieriger als sonst. Denn gesendet wird an diesem Freitag von 19 Uhr an live von einer Baustelle. Für 13 Millionen Euro baut die Gemeinde Veitshöchheim ihre Mainfrankensäle um, aus denen die Prunksitzung des Fastnacht-Verbands Franken (FVF) alljährlich übertragen wird.

Die Arbeiten werden dafür nur unterbrochen, weshalb improvisiert werden muss. So kommt diesmal die politische Prominenz ebenso wie das weniger bekannte Publikum völlig unglamourös über eine provisorische Holztreppe ins Gebäude. Immerhin ist drinnen ein roter Teppich ausgerollt.

Der BR hat die Gelegenheit genutzt, die Kulisse für die Show zu überarbeiten und tauglicher zu machen für die hochauflösende HD-TV-Technologie. "Es wurde vieles verändert, aber nur wer genau hinschaut, wird das erkennen", sagt FVF-Präsident Bernhard Schlereth. Das gilt so ähnlich im übertragenen Sinne auch für das Programm der Fastnacht in Franken.

"Wir haben niemanden gestrichen"

FVF und BR setzen auf Publikumslieblinge wie die Fürther Komiker Volker Heißmann und Martin Rassau, ihren unterfränkischen Kollegen Michl Müller, Sitzungspräsident Bernd Händel, die Altneihauser Feierwehrkapell'n aus der Oberpfalz, Bauchredner Sebastian Reich mit seiner putzigen Nilpferdpuppe Amanda oder den intellektuellsten Reimer auf deutschen Karnevalsbühnen, den Schweinfurter Peter Kuhn. Hinzu kommen, wohldosiert, Neulinge wie der 20-jährige Jonas Paul.

Der Student aus Bergrheinfeld hat sich in den vergangenen Jahren über andere fränkische Faschings-TV-Shows nach Veitshöchheim hochgearbeitet. Für ihn und die über einen Wettbewerb ins Programm gerutschten Bamberger Musikkomiker "Die scho widdä" muss kein anderer Narr weichen. "Wir haben niemanden gestrichen, sondern das Programm gestrafft und einige Nummern verkürzt", sagt Schlereth.

Was die Themen angeht, schöpfen die Fastnachter 2014 aus dem Vollen: ADAC, der Limburger Protz-Bischof, der Fall Edathy, die Bayernwahl, die Probleme der großen Koalition. Einige Zielscheiben der Spötter werden im Saal sitzen, angeführt von Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer wird das Kabinett fast vollständig anreisen - mit Ausnahme angezählter Minister wie Ludwig Spaenle oder Beate Merk. Die Oppositionsführung im Landtag wird zum Abwatschen ebenso antreten wie die hohe Geistlichkeit aus der Region. "Alle kriegen kräftig eingeschenkt", sagt Bernhard Schlereth.

Der sich chronisch minderwertig fühlenden fränkischen Seele schmeichelt es ungemein, dass die Fastnacht in Franken seit Jahren mehr Fernsehzuschauer lockt als etwa der Starkbieranstich am Münchner Nockherberg. Vor allem außerhalb Bayers erfreut sich die Livesendung großer Beliebtheit.

1987 wurde die Prunksitzung zum ersten Mal übertragen

Abgesehen von den geladenen Gästen sitzen im Veitshöchheimer Saal 300 Besucher, die aus etwa 10 000 Bewerbern für Eintrittskarten ausgesucht wurden. Ein Umstand, der kaum vorstellbar war, als die Prunksitzung 1987 zum ersten Mal übertragen wurde, damals noch aus Lichtenfels. Um den Saal einigermaßen voll zu kriegen, mussten damals Eintrittskarten verschenkt werden. Im Jahr darauf zog man nach Veitshöchheim um.

Inzwischen vermarktet Mainfranken die Fastnachtssendung auch touristisch. Die Besucher der Generalprobe am Donnerstagabend, deren Plätze der enormen Nachfrage wegen ebenfalls verlost werden, können zusätzlich ein Pauschalpaket buchen.

In diesem Jahr gehören Ausflüge zu Weinproben dazu, wobei als Reiseleiter der etwas anderen Art Künstler aus der Sendung und andere fränkische Komiker fungieren. Voriges Jahr las Martin Rassau in der Vituskirche Ringelnatz-Gedichte. Motto: "Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt."

Bisweilen hört der Spaß mit der Frankenfastnacht jedoch schnell auf, was wiederum unfreiwillig komisch werden kann. Wie nach der Sendung 2013, die einen kämpferischen Nichtraucher-Lobbyisten auf die Palme brachte, der im Saal eine rauchende Besucherin entdeckt haben wollte.

Anzeige wurde erstattet und ernsthaft eine Belohnung von 100 Euro für die Identifizierung der Raucherin ausgesetzt. Die gab sich schließlich zu erkennen: Kathrin Degmair, damals noch Geschäftsführerin des BR-Verwaltungsrates und seit 1. Mai neue Franken-Studiochefin des Senders. Ihre Zigarette war übrigens ein Scherzartikel.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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