Tourismus:Alle wollen wiederkommen

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Demonstranten, Polizisten und Journalisten sind sich nach dem G-7-Gipfel wenigstens in einem Punkt einig: "It's absolutely wonderful." Doch Tourismus-Manager bezweifeln, dass die Euphorie lange anhalten wird

Von Heiner Effern, Lisa Schnell und Wolfgang Wittl, Garmisch-Partenkirchen

Bayern, Bayern, Bayern: Wer den G-7-Gipfel im Pressezentrum von Garmisch-Partenkirchen verfolgt hat, kommt am Freistaat nicht vorbei. Schon am Eingang stehen junge Frauen im Dirndl vor Strohballen, lächelnd bieten sie Käse- und Wurststücke an. Die können die Journalisten dann gleich im nächsten Werbegeschenk verstauen: einem schicken Wanderrucksack, auf dem das G-7-Logo und noch prominenter der bayerische Löwe prangen. Die Wände sind mit Informationstafeln tapeziert, die Bayern als einen einzigen Superlativ darstellen: das größte Land Deutschlands! Die größte Brauereidichte! Fünf Milliarden Bäume! 30 Millionen Urlauber jedes Jahr!

Und es sollen noch mehr werden. Das erhofft sich die Staatsregierung von den Bildern des G-7-Gipfels im Idyll auf Schloss Elmau, die um die Welt gingen. Der Krüner Bürgermeister Thomas Schwarzenberger (CSU), der auf seinem Rathausplatz mit US-Präsident Barack Obama umringt von Gamsbärten sein alkoholfreies Weißbier trank, spricht von ersten spürbaren Effekten. Die Zugriffe im Internet auf die Tourismusseiten seiner Gemeinde sind "richtig explodiert", frohlockt er nach dem Gipfel. Gastgeberverzeichnisse würden angefordert, Postkarten und sogar Autogramme von ihm selbst. "Die Bekanntheit steigt", sagt Schwarzenberger, "aber Bekanntheit macht die Betten noch nicht voll." Nun seien die Touristiker gefragt, die positiven Eindrücke auch zu nutzen.

Hier lässt es sich einfach super demonstrieren: Unterhalb des Zugspitzmassivs hatten die Gipfelgegner ihr Camp aufgebaut. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Auch bei den etwa 3000 akkreditierten Journalisten aus 50 Ländern verfehlte die Lobbyarbeit ihre Wirkung nicht. Unmittelbar neben Infomaterial von Hilfsorganisationen über Armut in Afrika lagen Hochglanzprospekte über Oberbayern und das Werdenfelser Land. Der Bayerische Bauerverband warb mit einer englischsprachigen Broschüre, in der etwa die Landwirtin Annemarie Lampl sagt: "We have specialized in ox fattening." Journalisten sind Multiplikatoren, ihre Berichterstattung bestimmt dieser Tage das Image Bayerns rund um den Globus. Der perfekte Service, nicht zuletzt das Essen eines Münchner Feinkostunternehmens, hat ihre Laune gewiss nicht verschlechtert.

So habe sie sich Bayern immer vorgestellt, sagt Ella Kokotsis: die Tracht, das Essen, die Berge, der Dialekt, die Herzlichkeit - "it's absolutely wonderful", schwärmt die Kanadierin. Wie eine Postkarte, nur hübscher. Die Wissenschaftlerin von der Universität von Toronto war angereist, um die Versprechen der G-7-Runde auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Dann zog sie Bayern in seinen Bann. Am Dienstag besuchte Kokotsis mit ihrer Gruppe noch Schloss Neuschwanstein, im Winter will sie mit ihrer Familie zum Skifahren zurückkehren. Ob Journalisten aus Italien, Japan oder Holland - alle reden so. Selbst Polizeipräsident Robert Heimberger, der Einsatzleiter beim G-7-Gipfel, hat sich bei seinem Vermieter bereits zum Familienurlaub angekündigt. Es ist wohl der einzige gemeinsame Nenner von Sicherheitskräften und Demonstranten: Bereitschaftspolizisten aus Hamburg preisen die Landschaft so euphorisch wie Protestierer aus Berlin. Fast jeder Bewohner des Camps habe gesagt, er wolle wieder einmal nach Garmisch kommen, berichtet Benjamin Ruß, ein Sprecher vom Bündnis Stop G 7 Elmau.

(Foto: Tönsmann)

Einen dreistelligen Millionenbetrag kostete der Gipfel, doch der Werbe-Etat des Freistaats war vergleichsweise gering. Das Pressezentrum finanzierte der Bund, Bayerns Imagekampagne wie die Illumination von Schloss Neuschwanstein schlug laut Staatskanzlei insgesamt mit etwa 3,5 Millionen Euro zu Buche. "Das war beste Werbung für Bayern, darauf können wir stolz sein", bilanziert Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): "Ich bin sicher, dass das Werdenfelser Land und ganz Bayern vom G-7-Gipfel profitieren werden."

Fachleute wie Jürgen Schmude zweifeln jedoch daran. Dass der G-7-Gipfel die Übernachtungszahlen langfristig in die Höhe treibt, glaubt der Professor für Tourismusforschung aus München nicht. Es verlange eine "längere Bearbeitung der Köpfe", um die positiven Bilder von der Region um Garmisch darin zu verankern. Anders als bei der Fußball-WM 2006, die den Tourismus über Jahre belebte, sei der G-7-Gipfel nicht nur positiv besetzt. Und nicht jedem gefalle der "Siebzigerjahre-Charme", der so manche Unterkunft in Garmisch-Partenkirchen umwehe, sagt Schmude.

Auch der Garmisch-Partenkirchner Tourismusdirektor Peter Nagel ist skeptisch. Nach jedem Fernsehauftritt, den die Region habe, stiegen die Klickzahlen im Netz, sagt er. Der Obama-Frühschoppen erzeuge aber auch keine größere Aufmerksamkeit als ein Musikantenstadl. Objektiv messbare Erfolge nach solchen Großereignissen gebe es nicht. "Das rechnet sich jeder, wie es ihm passt." Erst einmal sei es wichtig, die wiederum sehr genau messbaren Gipfel-Verluste im Tourismus aufzuholen. Die Wertschöpfung in der Hauptsaison sei trotz vieler Polizisten-Übernachtungen deutlich geringer ausgefallen als normal. Die Bayerische Zugspitzbahn erlitt etwa im Vergleich zum Vorjahr einen Verlust im sechsstelligen Euro-Bereich.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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