"Top-Mann":Zuspruch für Pronold

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Unter Druck: Florian Pronold hat plötzlich einen Konkurrenten im Kampf um den Landesvorsitz bekommen. (Foto: Claus Schunk)

Vor dem Parteitag erhält der umstrittene SPD-Landeschef Rückendeckung von seinen Genossen. Der Kampfkandidatur von Walter Adam wird allenfalls symbolischer Wert zugesprochen

Von Heiner Effern, Daniela Kuhr, Stefan Mayr und Olaf Przybilla, München

Es wäre alles so schön geplant gewesen. Die Tagesordnung stand fest, alle Termine dicht getaktet, seit Wochen waren die Einladungen der Bayern-SPD zum "66. Ordentlichen Landesparteitag" im oberfränkischen Hirschaid verschickt. Doch dann kam der 23. Juni, ein Dienstag, den wohl niemand in der bayerischen SPD so schnell vergessen wird. Seit dem steht fest: Der Parteitag an diesem Wochenende wird alles mögliche - aber "ordentlich" im klassischen Sinne ganz sicher nicht.

Grund dafür ist ein Video - und ein Mann, den man außerhalb Bayerns womöglich als "Wurzelsepp" bezeichnen würde. Doch der Musiker und ehemalige Realschullehrer Walter Adam meint es ernst: Ohne jede Vorwarnung hatte der 71-Jährige mit dem Rauschebart am Dienstag plötzlich bekannt gegeben, dass er an diesem Wochenende den langjährigen Landesvorsitzenden Florian Pronold, 42, stürzen möchte. Das Video, das er dafür anfertigen ließ, ist äußerst professionell gemacht - was ganz erheblich dazu beigetragen haben dürfte, dass Adams Ankündigung bei den Mitgliedern der Bayern-SPD nicht etwa allgemeine Belustigung auslöste, sondern einem Donnerschlag gleichkam.

"Dieser Parteitag wird uns um die Ohren fliegen", heißt es aus den Reihen der bayerischen SPD-Bundestagsabgeordneten in Berlin. Zwar werde Adam auf keinen Fall gegen Pronold gewinnen, "aber medial wird das natürlich genüsslich ausgeschlachtet", fürchtet man. Pronold, derzeit Staatssekretär im Bundesumweltministerium, weiß schon lang, dass an ihm herumkritisiert wird. Bei seiner letzten Wahl zum Landesvorsitz ist er ohne Gegenkandidaten auf lediglich 80,6 Prozent der Stimmen gekommen. Man wirft ihm vor, dermaßen begierig auf eine Regierungsbeteiligung in Bayern zu sein, dass er sich der CSU geradezu anbiedere. Sein Auftreten wirkt häufig ein wenig streberhaft - und entspricht damit überhaupt nicht dem Typus des kernigen Politikers, den die Bayern überwiegend gewöhnt sind. Adam dagegen würde perfekt in dieses Bild passen. Das wissen die Genossen - und eiern prompt herum.

Was er vom Landesparteitag erwartet? "Kurzweil, reine Freude und unfreiwillige Komik", sagt Nürnbergs SPD-Oberbürgermeister Ulrich Maly und lässt offen, wie ernst er das meint. Adams Video hat er sich nicht angeschaut. Aber dass da einer antritt gegen Pronold, das hält Maly für ein ziemlich normales "Symbol". Es stehe für den SPD-Spagat, in Berlin mitzuregieren, in Bayern aber Opposition machen zu müssen. So was "tut immer weh", sagt Maly. Die Partei müsse momentan durch einen schwierigen Selbstfindungsprozess hindurch. Da diene der Parteitag auch dazu, "Frustrationen abzubauen". Den Konflikt an Pronold festzumachen, hält Maly für falsch. "Das ist immer so, dass der, der vorn steht, das abkriegt." Unterstützung für Pronold? "Würde es notwendig werden, auf dem Parteitag eine Pro-Pronold-Rede zu halten, würde ich es tun", sagt Maly. Er erwarte aber nicht, dass es nötig werde, für Pronold "Fürbitten abzugeben".

Bürgermeister Falk Sluyterman aus Schongau (Kreis Weilheim-Schongau) dagegen hat sich Adams Video angesehen. "Er spricht einem Sozialdemokraten schon ein Stück weit aus der Seele", sagt er spontan. Einen Grund, Pronold abzuwählen, sieht Sluyterman aber nicht. Im Gegenteil, er stimmt gleich eine Lobeshymne auf Pronold an. "Ein Top-Mann", sei der, "bodenständig, volksnah und ein kluger Kopf". Doch auch für so einen gelte wie für ihn als Bürgermeister: In der realen Politik könne man nicht alles, was man sich wünsche, auch durchsetzen.

Robert Kratzsch ist 29 Jahre jung und Vorsitzender des Ortsvereins Augsburg-Bergheim. Er bezeichnet das Antreten von Adam als "Spaßkandidatur". Die Lage der Bayern-SPD sei eine "Riesenherausforderung"; die Probleme seien aber historisch gewachsen, man könne sie "nicht allein der Führung anlasten". Kratzsch bezeichnet Pronold als "fleißig und sehr engagiert". Um die "schwierige Situation" zu verbessern, müssten alle SPD-Mitglieder "gemeinsam anpacken. Diese Verantwortung können wir nicht einfach an die Führungsspitze delegieren. Hier stehen wir alle gemeinsam in der Pflicht. Und ein bisschen mehr Rückenwind von der Bundesebene wäre sicher auch förderlich."

Eine nüchterne Analyse kommt dagegen aus dem bayerischen Landtag. Adams Kandidatur habe ihn "überrascht, aber ernst nehme ich sie nicht", sagt ein SPD-Abgeordneter. Für Pronold sei sie wahrscheinlich sogar ein Glücksfall. "Denn sollte er wieder nur 80 Prozent bekommen, klingt es doch besser, wenn man sagen kann: 80 Prozent bei einem Gegenkandidaten - als 80 Prozent ohne Gegenkandidaten."

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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