Tierhaltung:Hundeerziehung schwer gemacht

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Da vergeht einem schon mal das Lachen: Der moderne Hund von heute muss so einiges mitmachen, vom Dummytraining, über die Raufergruppe bis zum Wochenendausflug. (Foto: DPA)

Noch nie haben Herrchen und Frauchen ihre Hunde mehr verhätschelt - und mehr gestresst. Von durchgetakteten Hundeterminkalendern und warum es wichtig ist, dem Tier jede Woche mindestens zwei Ruhetage zu gönnen.

Von Katharina Blum

Sie dienen den Menschen als Lebensgefährten und Psychotherapeuten, sollen lebende Alarmanlagen, Spielgefährten der Kinder sein - oder gar Kinderersatz. Der Hund von heute führt ein Menschenleben, er hat einen Fulltime-Job. Trainer empfehlen weniger Stress und mehr Freizeit - für Halter und Hund.

Ratgeberflut

"Problem Hund? Verhaltensprobleme erkennen - lösen - vorbeugen", "Jeder Hund kann gehorchen lernen" oder "Hunde erziehen für Dummies": Wer sich einen Hund ins Haus holt, der lässt sich offenbar auf eine äußerst heikle Angelegenheit ein. Das wird dem künftigen Besitzer zumindest mit einer Flut an Ratgeberbüchern suggeriert. In einem über Hundenamen soll man die Persönlichkeit seines Tieres bestimmen - um dazu passend den treffenden Namen auszuwählen. Muss ja nicht sein, dass die neuen virtuellen Hundefreunde im Dogforum in der Rubrik "Die nervigsten Hundenamen" über einen herziehen, nur weil man seinen Mops Norbert nennt.

Glaubenskrieg auf dem Platz

Und dann ist er plötzlich da, der Kleine, meist zwischen acht und zwölf Wochen alt - und schon muss er wieder weg. Dabei ist es doch schon zu Hause aufregend genug, will man keine Pfützchen und keine angeknabberten Kabel in seiner Wohnung haben, schließlich erkundet und entdeckt der Welpe die Welt vorwiegend mit den Zähnen. Doch nach einer Woche im neuen Heim, so verlangen es nun mal die Ratgeber, steht der erste Besuch einer Welpengruppe an. Denn die tapsigen Fellbündel sollen hündisches Sozialverhalten lernen, etwa wie nun das Faltengesicht eines Shar-Pei richtig zu interpretieren ist. Und beim ersten Besuch ist klar: In der Hundeerziehung tobt ein ähnlicher Glaubenskrieg wie in der Kindererziehung. Während die einen den Napf auf Lucky pfeffern, damit der Labrador endlich folgt, würden andere lieber nur mit Wattebäuschchen werfen.

Das erste Date mit Lotta

Auf der Wiese der Hundeschule toben dann nicht Rex und Brutus, sondern Jule und Lotta - Namen, die früher Familienmitglieder vorbehalten waren. Und wenn Australian Shepherd Rufus zu seiner Besitzerin kommen soll, dann ruft sie: Rufus, komm zu Mami. "Das ist gar nicht so selten. Hunde werden immer mehr als richtige Familienmitglieder angesehen", sagt der Grafinger Hundetrainer Thomas Fichte. Ein Achtel bis ein Viertel aller Besitzer reden so, schätzt Fichte, hinter verschlossenen Türen noch deutlich mehr. Und das hat Folgen: Mamas und Papas Lieblinge dürfen sich fast alles rausnehmen, hat Fichte beobachtet. Jogger werden belästigt, Radfahrer angebellt. Und: Der Hund ist immer mit dabei. Im Restaurant sitzen die kleineren Exemplare dann freilich nicht unterm Tisch, sondern auf der Sitzbank.

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Überzogene Ansprüche

Sind die weichen, babyhaften Züge weg, wird sich am Hund so richtig ausgetobt. Statt Spaziergänge irgendwo draußen, wo der Hund einfach nur Hund sein kann und auch der Mensch zur Besinnung kommt, werden viele Vierbeiner von einem Termin zum nächsten geschleppt. "Montags Dummytraining, dienstags Mantrailing, mittwochs Raufergruppe, donnerstags ein Ausflug und am Wochenende Familienbesuch mit Kindertamtam. Die Tendenz geht klar zu übermotivierten Besitzern, die ihren Hunden zu wenig Ruhe gönnen", sagt Sandra Hofmeister von der Zamperlschule in München. Sie rät zu einem Beschäftigungsprogramm von zwei bis drei Stunden maximal am Tag, mit einer Mischung aus Bewegung, Erziehung, Schnüffeln - und Kopfarbeit. Verständlicherweise dürfen nämlich nur die wenigsten Hunde ihren hartnäckigsten Wünschen nachgehen, etwa einem Eichhörnchen das Genick zu brechen oder des Nachbars Huhn zu scheuchen. Also muss man ihnen alternative Jobs bieten, etwa einem Dummy hinterherzujagen. An zwei Tagen soll der Hund schlichtweg frei haben. Denn er reagiert auf überzogene Ansprüche wie der Mensch: Er hat Stress und wird krank. Hofmeister macht Magen-Darm- und Hautprobleme, Allergien und Verhaltensauffälligkeiten aus. "Irgendwann stellt so ein Arbeitsjunkie wie der Border Collie dann den Jogger, wenn man ihn nicht artgerecht beschäftigt."

Alarm am Napf

Wer dem Wolf beim Fressen über die Schulter schaut, sieht wenig Appetitliches: Seine Beute verschlingt er gierig mit Knochen, Haaren und Gedärm. Das richtige Futter, noch so eine zeitaufreibende Glaubensfrage. Immer mehr häusliche Artgenossen des Wolfes vertilgen wieder vorwiegend rohes Fleisch und Gemüse. "Biologisch artgerechte Rohfütterung", kurz "Barf", heißt dieses Konzept, das immer populärer wird. Wer seinen Hund mit allen wichtigen Nährstoffen versorgt wissen will, kann viel Zeit in der Küche verbringen, während er etwa Rinderschlund mit Lebertran mischt und dazu gekochte Möhren als Beilage serviert.

Bockige Halbstarke

Endlich, nach vielen Trainingsstunden, befolgt der Hund die lebenswichtigen Kommandos wie "Sitz", "Stopp" und "Hier". Dann kommt der Tag, an dem fast jeder Halter die Sätze über die Lippen pressen muss, die er immer so verachtet hatte: Der tut nix. Der will nur spielen. Das hat er noch nie gemacht. Der Musterschüler aus der Welpengruppe stellt seine haarigen Ohren auf Durchzug und rennt quer durch den Park zur läufigen Hündin. Der Hund steckt in der Pubertät. "Viele Besitzer schauen mich dann mit großen Augen an - Pubertät bei Hunden, so etwas gibt es?", erzählt Trainerin Hofmeister. Ein Trost: Man hat viel Zeit, sich daran zu gewöhnen. Mit circa fünf Monaten kann die Rüpelphase losgehen, "wenn es hart auf hart kommt, geht sie bis zum dritten Lebensjahr". Im Gehirn des Hundes herrsche dann Baustelle, ein Kommando wird von einem Tag auf den anderen vergessen. "Humor hilft", sagt die Trainerin. "Und Konsequenz." Den Humor sollte man sich ohnehin bewahren, denn im letzten Lebensdrittel trifft man viele Probleme wieder, die man noch aus der Welpenzeit kennt: Dann geht es nachts wieder alle zwei Stunden vor die Tür.

© SZ vom 10.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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