Streit in der CSU:Nächstenliebe? Vom Nächsten Hiebe!

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Längst ist aus der Lästerei eine Machtprobe zwischen Seehofer und Söder geworden. Theoretisch hat Söder es in der Hand, den Laden hochgehen zu lassen. (Foto: picture alliance / dpa)

Justiziable Beleidigungen waren dabei, Grobheiten aller Art: Am Ende einer turbulenten Woche gibt es kaum mehr einen in der CSU, der nicht die Nase voll hat von Horst Seehofer. Viele stellen die Charakterfrage. Immerhin hat der Ministerpräsident jetzt mit Finanzminister Söder gesprochen. Doch es sieht nicht nach Friedensschluss aus.

Von Frank Müller und Mike Szymanski

Es ist fast alles gesagt, und zwar von fast jedem. Es sind Kraftausdrücke gefallen, justiziable Beleidigungen, Grobheiten aller Art. Wenn Horst Seehofer, der in dieser Woche drei Tage in Berlin verbracht hat, jedes Wort der angeblichen Parteifreunde in München und seine eigenen zusammenschreiben würde, dann könnte er jetzt ein Lexikon der politischen Verwünschung verfassen. Vielleicht würde es ihn reizen, dazu noch ein Vorwort zu schreiben. Darin würde dann viel vom Mäusekino stehen, von der jämmerlichen eindimensionalen Art, in der große Schachstrategen von kleingeistigen Halmaspielern betrachtet werden. Und dass es eben nicht ohne Rempeleien abgehen kann, wenn sich einer aufmacht, aus der alten CSU eine neue CSU zu formen.

Es ist eine Woche der Fassungslosigkeit in München, von der man noch viel reden wird. Während der Parteichef in Berlin im Bundesrat und im Vermittlungsausschuss Regierungspolitik macht, gibt es in München eine entsetzte Gesprächsrunde nach der anderen. Am Montagabend hat Seehofer bei einer Weihnachtsfeier einen Schwung von beleidigenden Ausfällen über maßgebliche Politiker der CSU ausgegossen, erstens. Und zweitens die Journalisten gleich mehrmals ermutigt, das alles auch genau so zu schreiben. Seehofer knüpfte damit an die Medienpremiere vom Frühjahr an: Als er im "Heute-Journal" des ZDF ein Hintergrundgespräch mit Moderator Claus Kleber zur Sendung freigab und so das Karriereende des damaligen CDU-Bundesumweltministers Norbert Röttgen einleitete.

Damals hatte es genügt, über Röttgen zu sagen, dass dessen Verhalten bei der Spitzenkandidatur in Nordrhein-Westfalen ein "ganz großer Fehler" gewesen sei, der ihn geärgert habe. Diesmal aber wird Seehofer persönlich. Er nennt Röttgen und den gefallenen CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg "Glühwürmchen", er macht Verkehrsminister Ramsauer als "Zar Peter" verächtlich. Und ganz besonders hart trifft es seinen bayerischen Finanzminister Markus Söder. Ihn bezeichnet Seehofer als einen, der "Schmutzeleien" betreibt, der "von Ehrgeiz zerfressen" sei und an "charakterlichen Schwächen" leide. Und all das leitet Seehofer mit dem Satz ein: "Sie können wieder alles senden."

Warum macht Seehofer das?

Es war eine kalkulierte Attacke, da sind sich immer mehr in der Partei einig. Seehofer wollte einmal noch in diesem Jahr durchräumen und Macht demonstrieren, bevor es im nächsten Jahr im Wahlkampf ernst wird. So gehen fünf lange Tage ins Land, ohne dass sich Seehofer entschuldigt oder wenigstens erklärt. Es dauert bis zum Freitagnachmittag, bis beide wenigstens miteinander reden. Die dürre Meldung, die die Staatskanzlei danach veröffentlicht, klingt weniger nach Friedensschluss, sondern eher nach Waffenstillstand: "Ministerpräsident Horst Seehofer und Staatsminister Dr. Markus Söder haben sich heute zu einem intensiven Gespräch getroffen. Alle aufgeworfenen Fragen sind ausgeräumt. Beide werden auch in Zukunft für eine gute Entwicklung Bayerns eng zusammenarbeiten. Zu Einzelheiten des Gesprächs wurde Stillschweigen vereinbart." Ende der Ansage.

Die Botschaft ist immerhin ein kleines Zeichen des Einlenkens bei Horst Seehofer. Aus der Welt schaffen wird sie den Zusammenprall nicht, dafür haben sich bei allen Beteiligten Seehofers Defizite in der Personalführung zu stark eingebrannt. Seehofer musste etwas Dampf aus dem Kessel lassen. Denn am Ende dieser rüpelhaften Woche gab es, das kann man so sagen, niemanden mehr in der Parteiführung, der von Seehofers Eskapaden nicht die Nase voll hätte. Sein bayerisches Kabinett mutierte zu einer Ansammlung wütender, den Kopf schüttelnder Minister. Die Abgeordneten standen da mit der Faust in der Tasche. Und kein Mensch verstand, warum Seehofer in der für die CSU doch eigentlich so komfortablen Lage derart ausgerastet ist. Umfragen prophezeien der CSU bei der Landtagswahl im nächsten Jahr eine Rückkehr zur absoluten Mehrheit der Mandate. Der große Plan Seehofers, nach der Übernahme der Macht in der CSU vor vier Jahren die Partei wieder zu Stolz und annähernd alter Herrlichkeit zurückzuführen, scheint aufzugehen. Und plötzlich macht es wieder: Zack.

Dazu allerdings gehören zwei Seiten, auch das zeigt diese Woche überdeutlich. Einen, der draufhaut. Und andere, die sich das letztlich eben doch gefallen lassen. Kein Einziger aus der überwältigend großen Schar der Empörten wagt sich mit dem längst fälligen, für alle hörbaren Satz aus der Deckung: Horst, es reicht. Es gibt Geschimpfe und viel Wut, aber abgesehen von ein paar mutigen Hinterbänklern traut sich keiner aus der Führung, ein paar offene Worte zu sagen. Dafür steht Bayern zu nahe vor der Wahl, dafür ist Seehofer beim Volk zu populär. Und es ist wohl auch die eigene Angst zu groß, das nächste Opfer von Seehofers Psychoterror zu werden.

Wäre es anders, dann könnte jetzt in der CSU-Spitze schnell ganz viel passieren. Es sind die Tage vor Kreuth. In der CSU wissen alle, wie schnell in den bayerischen Raunächten um den Jahreswechsel Umstürze entstehen können. Die Erinnerung an 2007 ist noch frisch. Damals brachten ein paar Entschlossene Seehofers Vorvorgänger Edmund Stoiber zu Fall - in den Januar-Klausurtagungen der CSU im oberbayerischen Kreuth. Es war das Ende eines Ministerpräsidenten, der unumstritten zu sein schien, dessen Bilanz großartig war, der aber nicht mehr auf die Partei hörte - und am Ende ein paar blöde Fehler machte.

Könnte es nach Kreuth 2007 auch ein Kreuth 2013 geben?

Es spricht vor allem eines dagegen: der Wille zum Machterhalt. Mit einer offenen Revolution könnte sich die CSU trotz der notorisch schwachen bayerischen Opposition am Ende selbst besiegen, fürchten viele. Also versucht die Partei, sich zusammenzureißen, so gut es geht. "Im Wahljahr wird Seehofer die Gefolgschaft nicht versagt", sagt einer, der mit der CSU schon durch viele Krisen gegangen ist. Aber Seehofers Verhältnis zu vielen in der Partei sei zerrüttet. "Niemand kann sich sicher sein, dass er morgen nicht auch betroffen ist." Die Folgen seien schwerwiegend: "Eine große Distanz wird bleiben."

Längst ist aus der Lästerei eine Machtprobe zwischen Seehofer und Söder geworden. Söder hatte es in der Hand, den Laden hochgehen zu lassen. Er hätte nur sagen müssen, er könne nach Seehofers Äußerungen nicht mehr mit diesem zusammenarbeiten. Und zurücktreten. Das würde die Partei in eine Führungskrise stürzen. Andererseits hängt Söder viel zu sehr an der Macht für einen solchen Schritt. Und in der CSU wissen alle, dass Söder Seehofer kaum nachsteht, wenn es darum geht, über Leute herzuziehen. Beliebt war Söder in der CSU und im Volk nie. Nun hat Seehofer ihn indirekt aus dem Rennen um seine Nachfolge genommen. Wie soll Seehofer später einmal einen vom Ehrgeiz zerfressenen Charakterschwachen als Kronprinzen erklären?

Viele in der CSU stellen die Charakterfrage inzwischen eher an ihren Chef. Bei ihm haben sie sich an vieles gewöhnt, einiges mögen sie sogar. Mit Seehofer gibt es immer Spaß, er kann gut mit den Leuten, er ist jederzeit in der Lage, das eine nachvollziehbar zu erklären. Und kurz danach das andere. Aber er ist auch jemand, der keinen in seiner Nähe hat, der ihn auch einmal bremst. Einer, der die CSU zur Mitmachpartei ausruft - und empört reagiert, wenn einer im Vorstand eine Mitgliederbefragung zur Diskussion stellt, die ihm nicht gefällt. Solche durchsichtigen und wenig souveränen Manöver hat sich Seehofer zuletzt einige geleistet. Er ist ein Mann, der unberechenbar ist und berechnend. Und das werden sie in der CSU nie so richtig mögen.

© SZ vom 15.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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