SPD-Landesparteitag:Kaum genossen

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Bayerns SPD-Chef Florian Pronold wird im Amt bestätigt, erhält aber nur 63,3 Prozent der Stimmen. Er verkörpert das Dilemma, in dem seine Partei steckt: In Berlin mit der CSU regieren, in München gegen sie opponieren

Von Katja Auer, Hirschaid

Am Tag danach ist Florian Pronold schon wieder zu Scherzen aufgelegt. Er zitiert aus seinem Horoskop, wonach er die neue Leichtigkeit genießen solle, die in seinem Leben Einzug halte. Tatsächlich ist der Sonntag der bessere Tag des Wochenendes für den Landesvorsitzenden der Bayern-SPD. Eine Menge Streicheleinheiten gibt es für Pronold von den Genossen beim Parteitag im oberfränkischen Hirschaid, kaum ein Redner versäumt ein Lob für den 42-Jährigen. Nicht einmal 24 Stunden nachdem ihm ebendiese Genossen einen bitteren Tiefschlag verpasst haben.

Der Mann, der das Desaster ausgelöst hat, ist da nicht mehr da. Walter Adam ist schon am Samstag heim nach Abensberg gefahren, er wollte mit einem Weißbier und seiner Frau seine Niederlage feiern. Eine triumphale Niederlage. Der 71-Jährige hatte Pronold herausgefordert und fast ein Drittel der Stimmen bekommen. 31,7 Prozent der insgesamt 300 Delegierten stimmten für den pensionierten Realschullehrer, der vor ein paar Tagen per Internetvideo seine Kandidatur als Landesvorsitzender erklärt hatte. Niemand hatte mit diesem Ergebnis gerechnet, in den düstersten Prognosen waren knapp 20 Prozent für Adam befürchtet worden, mehr als fünf Prozent hatte er sich selbst nicht zugetraut. Und, das war von vornherein klar, eigentlich wollte Adam den Job auch gar nicht. Er habe die Partei aufrütteln wollen, sagte er.

Als das Ergebnis auf der Leinwand erschien, freute sich Adam und Pronold froren die Gesichtszüge ein. Er führt den Landesverband seit 2009 und ist schlechte Wahlergebnisse gewohnt. Vor zwei Jahren wurde er mit 80,6 Prozent im Amt bestätigt, ganz ohne Gegenkandidaten. Pronold war nie besonders populär, auch wenn ihm niemand den Fleiß und das Engagement für die Partei abspricht. Dieses Ergebnis allerdings, da waren sich nach dem Debakel viele einig, habe er nicht verdient. Zumal die Delegierten nach dem offenkundigen Schreck über die Abstimmung die drei Stellvertreter Annette Karl, Martin Burkert und Ewald Schurer mit jeweils mehr als 80 Prozent bestätigten und Generalsekretärin Natascha Kohnen mit 84,7 Prozent wiedergewählt wurde. Für Pronold ein schwacher Trost. Als Adam zur Wiederwahl gratuliert, ergreift Pronold die Hand mit zusammengepressten Lippen.

Auch wenn Pronold das enttäuschende Ergebnis nicht nur als Missbilligung seiner eigenen Arbeit werten muss, so zeigt es doch das Dilemma auf, in dem er agiert. In Berlin ist Pronold Staatssekretär im Bauministerium und wird nicht müde, die Erfolge der SPD in der großen Koalition zu betonen. In Bayern soll er sich als Landesvorsitzender gegen die CSU positionieren.

Adam hat nun den Unmut über diesen Spagat personifiziert. Er sieht nicht nur die traditionellen Werte der SPD in der großen Koalition dahinschwinden, er griff Pronold auch persönlich an. Gelächelt habe der, als Luise Kinseher auf dem Nockherberg die Bayern-SPD auf der Palliativstation verortete, stattdessen hätte er protestieren sollen. Und dann habe er auch noch eine Koalition mit der CSU in Bayern angedacht. "Genossen, das geht gar nicht", sagte Adam. Wenn sich die SPD zum Junior-Partner machen lasse, "dann werden wir Zehn-Prozent-Partei".

Was Walter Adam (rechts) Florian Pronold hier wohl erzählt? Immerhin hat sein Konkurrent mit 31,7 Prozent bei der Wahl zum Landesvorsitz viel besser abgeschnitten als erwartet. (Foto: Timm Schamberger/dpa)

Die Koalitionsfrage ist dann auch eine intensiv diskutierte beim Parteitag, wenngleich das vielen missfällt, schließlich sind es noch mehr als drei Jahre bis zur nächsten Landtagswahl. Pronold betont, dass er "keine Liebeserklärung an die CSU" abgegeben habe, aber dennoch nichts ausschließen wolle. Man müsse mitregieren, um eigene Vorstellungen durchsetzen zu können. "Nur es besser zu wissen, langt nicht. Wir müssen auch die Bereitschaft haben, es besser zu machen", sagt Pronold. Draußen vor allem stimmen ihm da viele zu. Was gebe es denn für eine Machtoption für die SPD? Wenn die Sozialdemokraten jemals mitregieren wollten in Bayern, dann gehe das nur mit der CSU. Wenngleich dann, sollte die CSU wieder einen Koalitionspartner brauchen, auch die Freien Wähler schon bereitstünden.

Bei der Landtagswahl 2013 war die SPD mit dem früheren Münchner Oberbürgermeister Christian Ude als prominentem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf gezogen und hatte auf ein Dreierbündnis mit Grünen und Freien Wählern gesetzt. Am Ende erreichte sie damit 20,6 Prozent der Wählerstimmen, gerade einmal zwei Prozentpunkte mehr als beim historisch schlechtesten Ergebnis fünf Jahre zuvor.

Drinnen beim Parteitag allerdings gehen die Kritiker ans Rednerpult. "Eine Koalition mit der CSU kann keine Option für die SPD sein", sagt Juso-Chef Tobias Afsali. Dafür würden die Jusos nicht in den Wahlkampf ziehen.

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly spricht sich für ein Verbot des Wortes "Wunschkoalition" aus. Eine solche gebe es nämlich nicht. Maly wird sehr deutlich: "Koalition ist immer scheiße."

Der Städtetagspräsident hält eine der besten Reden auf dem Parteitag, er mahnt, den Stil in der Politik zu wahren. Das zielt auf die Jusos, die kürzlich Parteichef Sigmar Gabriel in einem offenen Brief scharf attackiert hatten. Das sei in Form und Stil "nicht akzeptabel" gewesen, sagt Maly. Der Parteinachwuchs steht auch in Hirschaid im Konflikt mit der Führung. Viele unterstützen Adam bei seiner Kandidatur.

Als der Parteitag ausgestanden ist und sogar noch ein paar ernsthafte Debatten etwa über das Freihandelsabkommen TTIP geführt wurden und die SPD einen Leitantrag für die Förderung von sozialem Mietwohnungsbau beschlossen hat, hat Florian Pronold das letzte Wort. Deutlich gefasster als am Vortag appelliert er an die Solidarität in der Partei. Die bestehe zwar auch darin, sich kritisch mit sich selbst zu beschäftigen, das müsse mit einem Mehrheitsbeschluss aber auch wieder erledigt sein. "Dann müssen wir mit dem politischen Gegner streiten und nicht mit uns selbst."

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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