Schulz-Effekt:Der schwierige Weg zum Genossen

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Bernd Gillich ist in die SPD eingetreten, die aber wirkt mit dem vielen Zuspruch derzeit etwas überfordert

Von Lisa Schnell, München

Vier Jahre nach seinem Parteiaustritt ist Bernd Gillich zurück gekommen zur SPD. Wegen SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, aber auch, weil in Bayern zum ersten Mal die Mitglieder über ihren Landeschef entscheiden sollen. Dass die SPD eine Mitmach-Partei ist, hat Gillich gefallen. Das Mitmachen aber gestaltete sich schwieriger, als er dachte.

Kurz nach seinem Eintritt fragte er bei der SPD an, wann er mit den Wahlunterlagen rechnen könne. Sie gingen noch diese Woche raus, teilte ihm eine Frau aus der Abteilung "Mitgliederbetreuung" mit. "Freundschaft!" schrieb sie zum Abschied. Gillich freute sich, der Gang zum Briefkasten aber gestaltete sich eher trist: Keine Post von der SPD. Er fragte noch einmal nach. Es war nun der 18. April, dem Gillich entgegenfieberte. Aber auch der verstrich, und Gillichs Briefkasten blieb leer. Auf erneute Anfrage hieß es, vielleicht sei ja die Adresse falsch. Nach mehr als zwei Wochen und vielen E-Mails und Telefonaten reichte es Gillich. Er wollte endlich mitmachen, und zwar jetzt. Das teilte er in seiner Wut per Mail nicht nur den sechs Kandidaten um den Landesvorsitz mit, sondern auch gleich Landeschef Florian Pronold.

Man mag das übertrieben finden und Gillich ungeduldig nennen oder aber ein besonders leidenschaftliches Neumitglied. Auf jeden Fall war sein Engagement von Erfolg gekrönt. Der Landesgeschäftsführer höchstpersönlich antwortete ihm mit einem neuen Datum: vom 4. Mai an könne er mit den Wahlunterlagen rechnen. Gut, damit war Gillich zufrieden. Der tägliche Gang zum Briefkasten war erst einmal nicht mit großen Erwartungen verbunden. Umso überraschter war Gillich dann, als er am Wochenende die Post holen wollte: Endlich Nachricht von der SPD, noch vor dem genannten Termin. Toll, eigentlich. Nur hatten sie es in der Abteilung "Mitgliederbetreuung" mit Gillich nun besonders gut gemeint. Sie schickten ihm gleich zwei Briefumschläge. "Mich hat fast der Schlag getroffen", sagt Gillich. Was solle er jetzt denn machen? Zweimal abstimmen? Die Stimme verschenken? Und ist die Wahl jetzt überhaupt noch gültig? Hat er etwa, der doch eigentlich nur das beste für die SPD wolle, durch sein hartnäckiges Nachfragen nun das ganze Basisvotum ins Wanken gebracht?

Bei der SPD-Zentrale gibt man Entwarnung. Niemand könne zweimal abstimmen. Eine der Stimmen würde aussortiert. Warum Gillich überhaupt zwei Wahlunterlagen bekommen habe, wisse man nicht. Vielleicht wirklich, weil er sich mehrmals beschwerte. Insgesamt 439 Mitglieder haben sich bei der SPD gemeldet und nach ihren Wahlunterlagen gefragt. Manche hatten sie einfach verschlampt oder zerstört, etwa durch ein Wannenbad samt Stimmzettel. Viele aber warten wie Gillich sehnsüchtig. Man bitte um Nachsicht, heißt es von der SPD. Es gebe viele Gründe, warum es auch mal länger dauern könnte. Etwa 1500 Adressen in ihrer Datenbank seien nicht mehr gültig. Weil Mitglieder heiraten, weil sie umziehen, weil die Adresse falsch geschrieben ist. Eine Neumitgliedschaft sei außerdem erst einen Monat nach Eintritt gültig. Erst dann gebe es die Unterlagen. Alle Anfragen versuche man so schnell wie möglich zu beantworten. Man rechne insgesamt mit 4000 Anrufen. Wenn Gillich seinen Ärger überwunden hat, wird er sich vielleicht auch noch mal melden und fragen, was er mit seinen Umschlägen machen solle.

Ganz einfach: Am besten wirft er einen weg.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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