Schneizlreuth:Drei Jahre Haft für Event-Veranstalter

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Brandkatastrophe von Schneizlreuth: Gericht wertet Verhalten des Angeklagten als "aktives Vorgehen"

Von Matthias Köpf, Traunstein

Vier der sechs Männer sind vermutlich im Schlaf am Rauch erstickt, und bei den beiden anderen, die sich vor Eintritt des Todes noch bewegt haben, bleibt wenigstens die Hoffnung, dass auch sie vom Kohlenmonoxid schon bewusstlos waren. Andere kamen davon, krochen auf Knien durch das Inferno, sprangen von einem Balkon ins Dunkel. Wer sich retten konnte, der wird die Katastrophe dieses ganze gerettete Leben lang mit sich herumtragen, in Form gebrochener Wirbel etwa oder von Narben am Körper und an der Seele. Der 47-jährige Outdoor-Veranstalter, in dessen gemietetem Bauernhof in Schneizlreuth sich im vergangenen Mai diese folgenschwerste Brandkatastrophe in Bayern seit Jahrzehnten abgespielt hat, muss dafür für drei Jahre ins Gefängnis.

Die Hinterbliebenen, die als Nebenkläger teilweise an allen sieben Prozesstagen im großen Schwurgerichtssaal des Traunsteiner Landgerichts saßen, nahmen dieses Urteil äußerlich erst ungerührt auf. Doch als der Vorsitzende Richter Erich Fuchs zum Ende seiner Urteilsbegründung persönlicher auf die Toten zu sprechen kam, auf "Ehemänner, Söhne, Väter, die plötzlich nicht mehr nach Hause gekommen sind", da konnten manche die Tränen nicht mehr zurückhalten. Der Angeklagte selbst hatte sich schon zu Prozessbeginn zu seiner Verantwortung bekannt, sich entschuldigt und hatte danach in manchen Pausen fast gelöst gewirkt. Das Urteil und die Begründung ließ er mit tiefen Kerben im Gesicht und ohne viel Regung über sich ergehen, mal die Hand am Kinn, mal die Fingerspitzen gegeneinander. Seine Verteidiger hatten eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung gefordert, ihn aber auch darauf vorbereitet, dass er nach neun Monaten Untersuchungshaft womöglich noch kein freier Mann sein werde.

Die fünfköpfige Kammer schickt einen Angeklagten ins Gefängnis, aber das Urteil über den Menschen fällt milder aus: "Der Angeklagte ist kein böser Mensch, er ist kein Verbrecher oder Krimineller", sagte der Vorsitzende. Dennoch habe er schwere Schuld auf sich geladen. Er werde in absehbarer Zeit wieder mit seiner Familie und Freunden zusammen sein können. "Die Toten können das nicht mehr."

Gestorben sind die sechs Männer, weil sich der Angeklagte über mehr als 20 Jahre hinweg nicht um die nötige Baugenehmigung und die vorgeschriebenen Brandschutzvorkehrungen geschert hat und speziell in dem Matratzenlager unter dem holzgedeckten Dach niemals Menschen hätte übernachten lassen dürfen. Dabei waren es über die Jahre Tausende, darunter Jugendgruppen und Schulklassen, und in der Nacht auf Pfingstsamstag 2015 waren es schließlich die 47 Mitarbeiter eines niederbayerischen Bauunternehmens, die in Schneizlreuth ein Abenteuerwochenende zum Firmenjubiläum verbringen wollten und am Abend ausgelassen gefeiert hatten. Warum dann gegen drei Uhr nachts der Wäscheschrank in der mittleren Etage in hellen Flammen stand, konnten weder die Sachverständigen noch die Juristen herausfinden. Vielleicht habe sich noch jemand eine Decke holen wollen und dabei Zigarettenasche verloren, lautete die gängigste Spekulation.

Der Schrank hätte dort nicht stehen dürfen, ins Matratzenlager hätte es nicht nur eine einzige enge Holztreppe geben dürfen, die Fenster in der Etage darunter waren vergittert, es gab keine markierten Fluchtwege, keine Einweisung für die Gäste und außer einigen Feuerlöschern und Rauchmeldern vom Baumarkt überhaupt nichts von all dem, was für Beherbergungsbetriebe vorgeschrieben ist, damit kein Brand ausbricht und damit niemand sterben muss, wenn es doch einmal brennt. Dem Angeklagten sei klar bewusst gewesen, dass er alles das und auch behördliche Genehmigungen gebraucht hätte, die er für das Haus aber nur nach teuren Umbauten bekommen hätte, sagte der Richter. Für die Kammer war sein Verhalten "kein Unterlassen, sondern ein aktives Vorgehen" - zumal das Reichenhaller Landratsamt 2008 auf das Fehlen der Genehmigungen aufmerksam geworden war und der Angeklagte es daraufhin getäuscht hatte mit seiner Zusicherung, niemanden mehr zu beherbergen. Dass die Behörde sich darauf verlassen hatte, mochte das Gericht nicht zugunsten des Mannes werten.

Eine wesentliche Entlastung sah es auch nicht darin, dass im Schneizlreuther Rathaus offenkundig schon seit den Anfängen des Outdoor-Centers 1994 allgemein bekannt war, dass der Angeklagte ohne jede Genehmigung regelmäßig Menschen beherbergte und auch im Matratzenlager schlafen ließ. Er hat der Gemeinde dafür stets Fremdenverkehrsbeiträge bezahlt - und zwar auf eine Weise, die das Fehlen der Genehmigung nicht auffallen lassen sollte. Genau so hatten es der ehemalige Bürgermeister und der damalige Geschäftsleiter mit ihm verabredet, wie aus einer späteren Aktennotiz aus dem Rathaus hervorgeht. Auch auf die seit 1999 vorgeschriebene Brandbeschau, die all die tödlichen Mängel aufgedeckt hätte, hat die Gemeinde verzichtet. Wer genau da was gewusst habe, das habe das Gericht nicht zu entscheiden, sagte der Vorsitzende und verwies auf die Staatsanwaltschaft. Die hat noch während des Prozesses Ermittlungen gegen den Ex-Bürgermeister und den damaligen Verwaltungschef eingeleitet.

Die letzte und größte Verantwortung für die Katastrophe sah das Gericht jedoch klar beim Angeklagten, den es wegen fahrlässiger Tötung in sechs und fahrlässiger Körperverletzung in 18 Fällen zur drei Jahren Haft verurteilte. Die Staatsanwältin, die ein Jahr mehr gefordert hatte, äußerte sich zufrieden. Die Verteidiger dagegen hatten ihre Strategie auf die Mitverantwortung eines unbekannten Brandverursachers und der Gemeinde abgestellt und erwägen nun, in Revision zu gehen. Die Witwe eines der Toten, die ihre beiden Kinder nun alleine großziehen muss, zeigte sich am Ende immerhin froh darüber, dass der Prozess die Hintergründe der Katastrophe ans Licht gebracht hat. Ihr bleibt die Wut darüber, was dabei herausgekommen ist.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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