Rosenheim:Auf in die Lasertag-Geburtstagsschlacht

Lesezeit: 4 min

Den Egoshooter in die reale Welt bringen? Funktioniert mit Lasertag. Jugendliche lieben den Sport, das Sozialministerium warnt vor Verrohung.

Von Sarah Beham, Rosenheim

Noch zehn Sekunden: "Unsere neue Taktik: drei sind oben, zwei schießen, zwei patrouillieren, okay?" Sieben Sekunden: Die Mitglieder des Teams strecken ihre Arme mit den orangefarbenen Bändern in die Mitte ihres Kreises. Fünf Sekunden: "Illuminatiiii!", ihre Hände fliegen in die Luft - der Kampfspruch soll sie motivieren. Drei, zwei, eins - die Sirene ertönt, und dann rennen die sieben Freunde ins Dunkel der Lasertag-Halle "Blackfox" in Rosenheim.

Wer getroffen wird, ist für sechs Sekunden "tot"

Sie, das sind Mika, Timo, Sodhi, John, Andreas, Phillip und Frederik. Mika feiert heute seinen zwölften Geburtstag. Er habe auf Youtube Lasertagvideos entdeckt, sagt Mika. Ein neues Trend-Spiel, bei dem mit Infrarotwaffen - auch "Phaser" genannt - aufeinander geschossen wird. Sensoren in den Spielerwesten registrieren die Treffer. Wer getroffen wird, ist für sechs Sekunden "tot", danach darf er wieder mitmachen. Lasertag ist wie Ego-Shooter-Spiele auf dem Computer, nur mit echten Kämpfern.

Bayern- und deutschlandweit entstehen immer mehr Lasertag-Hallen, alleine im Freistaat gibt es mittlerweile mindestens 18 Anlagen. Vor allem Burschen sind scharf darauf, einmal mit so einer Plastikpistole Krieg zu spielen. Das stößt bei den Jugendämtern auf Bedenken: In einigen Bundesländern ist Lasertag erst ab 16 Jahren erlaubt, in anderen dagegen schon ab acht Jahren.

Party statt Kindergeburtstag
:Wie wollen Jugendliche ihren Geburtstag feiern?

Die Zeit der Kindergeburtstage ist vorbei, nun wollen Jugendliche unter sich feiern. Doch muss das im Elternhaus sein? Tipps für jüngere und ältere Teenager.

Auch in Bayern sind die Behörden uneins. In Rosenheim liegt das Mindestalter bei 14 Jahren, außer an speziellen "Kindertagen" - da dürfen nur unter 14-Jährige in geschlossener Gesellschaft schießen, wie bei Mikas Geburtstagsfeier. "Das fällt unter das Privatrecht", erklärt Sebastian Posse, Geschäftsführer der Halle. Er ist alles andere als martialisch - mehr so der lockere Typ, der sich um seine Kids kümmert. Vor zwei Jahren hat der 31-Jährige seine Halle aufgemacht. Es ist bereits die zweite, denn er betreibt noch eine "Paintball"-Halle in Rosenheim, in der mit Farbkugeln aufeinander geschossen wird.

Das neue Geschäft mit Lasertag läuft super: 19,90 Euro muss Mikas Mutter pro Kind für den Vormittag von neun bis 13 Uhr zahlen. Das macht 140 Euro plus Verpflegung. Doch bei Mika war nach den Youtube-Videos der Wunsch groß, seinen Geburtstag mal mit einem Gefecht zu feiern. Seine Mutter Marion Wilke findet das alles halb so wild: "Früher hat man auch mit Blasrohren und getrockneten Erbsen geschossen", sagt sie.

"Ein riesen Spaß im Team"

Dieser Meinung sind auch andere Eltern. Markus Egger zum Beispiel, der Vater eines anderen Geburtstagskindes: "Lasertag verherrlicht keine Gewalt, das ist ein riesen Spaß im Team", sagt er. "Die freuen sich ja über die Punkte, nicht dass jemand tot ist." Und außerdem: Beim Völkerball werde man doch auch abgeschossen. Er erinnert sich an Urlaube auf Mallorca oder Kroatien. "Da war Paintball ab zwölf Jahren erlaubt, da spürt man aber im Gegensatz zu Lasertag was und bekommt blaue Flecke." In Deutschland sei alles beschränkt. "Wir überreagieren da schon", sagt er.

Auch das Rosenheimer Jugendamt hat die "Blackfox"-Halle bereits inspiziert und für Jugendliche ab 14 Jahren freigegeben. Die Stadt verweist auf eine Stellungnahme des bayerischen Sozialministeriums. Dort sind die Beamten nicht ganz so sehr von dem neuen Freizeitvergnügen begeistert: Kinder könnten demnach das Spiel von der Realität nicht unterscheiden, Lasertag könne die psycho-soziale Entwicklung beeinträchtigen und kreativlos machen.

Außerdem ergebe sich "die Gefahr einer Desensibilisierung und einer sozialethischen Desorientierung" durch Lasertag, heißt es beim Ministerium. Die Stadt Rosenheim betont, dass es nicht ihre Aufgabe sei, das Vorgehen der Eltern zu beurteilen, die ihren Kindern Lasertag erlauben. Man habe sich nicht in den "elterlichen Erziehungsauftrag einzumischen oder gar die Eltern zu bevormunden". Außer es handle sich um die Gefährdung des Kindeswohl - "was hier nicht der Fall ist".

Vom eigentlichen Kriegsspiel ist in Rosenheim wenig zu sehen, denn in der Halle ist es immer Nacht. Nur ein paar neongelbe und grell orange Streifen leuchten an den Wänden. Mika und seine Freunde ducken sich unter Gittern hindurch, schlängeln sich an Spiegeln und Netzen vorbei, schleichen an Fenster-Attrappen entlang.

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Die Angst vorm roten Licht und den "Piuuhs" aus den Waffen sind ihr ständiger Begleiter, untermalt von dumpfer Musik, an die sich später keiner von ihnen erinnern wird. Denn sie sind voll aufs Schießen konzentriert. Ihr Ziel: den Turm aus Paletten in der Mitte erobern. Von da oben sieht man die Gegner durch die Finsternis flitzen und kann sie besser abschießen. Ein Treffer bedeutet 450 Punkte und für sechs Sekunden Zwangspause für den Gegner. Die Taktik der Freunde fasst Mika prägnant zusammen: "Scharfschützen aufstellen, hinten das Unkraut wegräumen, stürmen, schleichen, ablenken und angreifen."

Geschäftsführer Posse kennt die Vorbehalte gegen Lasertag nur zu gut. Er antwortet darauf mit Ironie: "Klar werden die alle verrückt und Massenmörder." Er erkennt darin nichts Anstößiges. "Lasertag ist Sport, du schwitzt, wie du noch nie geschwitzt hast. Mit dem ganzen Laufen, Bremsen, Schauen und der mentalen Anstrengung", sagt Posse. Eine Schlacht dauert immer sieben Minuten, danach ist Pause. Länger würden die kleinen Kämpfer auf der 600 Quadratmeter Fläche nicht aushalten - zu anstrengend.

"Du schwitzt, wie du noch nie geschwitzt hast"

Mika und seine Freunde haben die Straßenschuhe gegen Turnschuhe ausgetauscht, die Jeans gegen Jogginghosen. Sie sehen aus, als würden sie gleich zum Fußballspielen gehen. Stattdessen sind sie mit Laserwesten und Waffen ausgerüstet. Auch die Namen haben sie heute Vormittag geändert, in dieser anderen Welt, in der sie das "Blue Bataillon"-Team sind. Timo wird zu Kickass, Mika zu Mr. Fox, Sodhi heißt Mc Clane, Johns Name lautet Rogue, Andreas ist I'm Groot, Phillip wird zum Scorpion und Frederik ist der Endboss.

Ihr Gegner: Das "Green Lightning"-Team, darunter "XD Gamer", der in Wirklichkeit Maximilian Leichner heißt und seinen elften Geburtstag am "Kindertag" feiert. "XD Gamer" steht immerhin auf Platz drei der "Top of the Day" mit 41 700 Punkten. Das spornt den Ehrgeiz an. Und deswegen hat Maximilian schon die Geburtstagsschlacht für nächstes Jahr.

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Sucht
:Das Endspiel - im Wohnheim für Computerspielsüchtige

Der 21-jährige Daniel beschließt, sein Leben zu ändern - und schaltet den Computer aus. Jetzt muss er lernen, mit Medien normal umzugehen.

Reportage von Sophie Burfeind

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: