Rechtsextreme bei Freie-Wähler-Demos:Scharfe Kritik an Aiwangers Tonfall

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Der Chef der Freien Wähler lockt mit seinen populistischen Aussagen zum Euro-Rettungsschirm Rechtsextreme an. Das stört nicht nur seine möglichen Koalitionspartner, sondern auch die eigenen Parteifreunde.

Mike Szymanski

Die Versuche von Rechtsextremisten, europakritische Veranstaltungen der Freien Wähler für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, haben zu heftigen Turbulenzen geführt. FW-Chef Hubert Aiwanger macht den Münchner Sicherheitsbehörden schwere Vorwürfe. "Die Polizei schaut tatenlos zu, und wir müssen uns den Spuk gefallen lassen. Ich lasse mir das nicht länger bieten", sagte er am Mittwoch.

FW-Chef Hubert Aiwanger (l.) wettert im Kampf gegen den Euro-Rettungsschirm gegen die "Versagertruppe" in Berlin. Das Bild zeigt ihn auf einer Demonstration. (Foto: Rumpf)

Jedoch gerät auch Aiwanger politisch unter Druck. Es war sein Plan, die FW als Protestpartei gegen die Euro-Rettungspolitik in Stellung zu bringen. In den eigenen Reihen wird von ihm nun mehr Sachlichkeit in der Debatte verlangt. Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2013, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, sorgt sich bereits um seinen möglichen Koalitionspartner und fordert von Aiwanger, die Demonstrationen gegen die Rettungsschirme einzustellen.

Am Montagabend hatten sich erneut Rechtsextreme unter die Teilnehmer einer FW-Kampagne in München gemischt und damit die Wählergruppierung abermals öffentlich an den rechten Rand gerückt. Die NPD rühmt sich öffentlich damit, "seit Wochen" die Freien Wähler zu unterstützen. Ude fordert nun Konsequenzen. Er sagte der Süddeutschen Zeitung: "Mein Rat wäre deshalb, die Demonstrationen mit dem anmaßenden Titel Montagsdemo einzustellen und künftige Kundgebungsformen so zu gestalten, dass sie relevante Teilnehmerzahlen finden und auf Neonazis abschreckend statt anziehend wirken."

Ude strebt im Falle eines Wahlsieges im kommenden Jahr eine Koalition mit Grünen und Freien Wählern an. Jedoch hat sich das Klima im Oppositionslager verschlechtert, seitdem Aiwanger versucht, bundespolitisch mit heftiger, teils populistischer Kritik an der Euro-Rettungspolitik an Profil zu gewinnen. Aiwanger sieht für seine Wählergruppe Chancen, in der Rolle der Protestpartei stärker wahrgenommen zu werden. Im kommenden Jahr wollen die Freien Wähler auch erstmals bei einer Bundestagswahl antreten.

Auch die Grünen haben Aiwanger davor gewarnt, dass eine rechtspopulistische Ausrichtung einer Zusammenarbeit im Wege stehen könnte. Ude erklärte am Mittwoch, Kritik am Rettungsschirm könne den Freien Wählern nicht untersagt werden. Eine demokratische Partei könne sich auch nicht dagegen wehren, wenn sich einzelne Extremisten bei Kundgebungen darunter mischten. "Aber hier ist die Besonderheit, dass die Extremisten schon einen wesentlichen Prozentsatz der gesamten Teilnehmerzahl ausmachen. Außerdem sollte den Freien Wählern zu denken geben, dass sich Neonazis von ihren Parolen angezogen fühlen."

Es ist vor allem Aiwanger, der bei Auftritten wenig um Sachlichkeit bemüht ist: So setzte er die Gefahr der Schuldenkrise der einer Atombombe gleich und beschwor "bürgerkriegsähnliche Zustände". Die Bundesregierung bezeichnete er unlängst als "Versagertruppe". Mit diesem Stil in der Auseinandersetzung gerät Aiwanger in seiner Partei zunehmend in die Kritik. Um bundesweit besser wahrgenommen zu werden, hatte Aiwanger den Enkel von Konrad Adenauer, den Finanzexperten Stephan Werhahn, als Unterstützer gewonnen.

Der spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer war in der Zeit des Nationalsozialismus seiner Ämter enthoben und zwischenzeitlich inhaftiert worden. Sein Enkel Werhahn sagte der SZ, dass Neonazis Veranstaltungen der Freien Wähler unterwanderten, sei "problematisch" für ihn. Die Parteifreien dürften keinesfalls mit dem rechten Rand in Verbindung gebracht werden. "Ich will mich nicht in diese Ecke stellen lassen."

Bislang sieht er keinen Grund, sein Engagement bei den Freien Wählern zu beenden. "Der Gedanke ist weit hergeholt. Ich bin überzeugt, dass alle mit beiden Beinen in der bürgerlichen Mitte stehen." Er werde gegen die Unterwanderungsversuche durch die Rechten ankämpfen. Allerdings plädiert Werhahn für einen sachlichen Stil in der Auseinandersetzung um die Europapolitik. "Die Freien Wähler sollten sich so artikulieren, dass sie richtig und gut verstanden werden", sagte er. Er stellt infrage, ob Demonstrationen die richtige Form sind. "Im Zweifel ist mir die Abgrenzung von Neonazis wichtiger, als eine bestimmte Botschaft auf die Straße zu bringen."

Der Landtagsabgeordnete Florian Streibl wünscht sich einen gemäßigteren Ton bei den Parteifreien. "Mir wäre lieber, wenn man mehr Sachlichkeit in die Diskussion bringt. Dumpfen Protest lehne ich ab. Das gilt auch als starker Appell in die eigenen Reihen." Die Nähe, die die Rechtsextremisten suchten, sei für ihn "unerträglich".

Unterstützung erhält Aiwanger von Hans-Olaf Henkel, dem früheren Industrieverbandschef und prominentesten Mitstreiter bei den FW. "Ich halte es für unerhört, wenn die Medien oder der politische Gegner die Freien Wähler in die rechte Ecke schieben, weil sich einige Nazis in die Veranstaltungen schleichen." Aiwanger weist die Kritik zurück. Er verbitte sich den Vorwurf, dass seine Tonlage in der Debatte die Rechtsextremisten erst anziehe. "Das wäre so, als würde man behaupten, eine Frau im Minirock wäre selber schuld, wenn sie vergewaltigt wird." Er denke nicht daran, das Thema den Rechtsextremisten zu überlassen. Es komme nicht infrage, dass die FW "das Feld räumen und sich künftig wieder um die Schweinepreise in Niederbayern kümmern".

Die Polizei hätte dafür zu sorgen, dass Veranstaltungen nicht gestört werden dürften. Am Mittwoch wollten der Münchner Stadtrat Johann Altmann und Generalsekretär Michael Piazolo bei Münchens Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer intervenieren. Ein Sprecher der Polizei wies die Kritik zurück. Die Anwesenheit von Rechtsextremen sei noch keine Straftat.

© SZ vom 23.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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