Prozessbeginn:Kunstsammlerin bestohlen und getötet

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  • Vier Angeklagte sollen einer alten Dame Kunstwerke und Antiquitäten im Wert von 1,1 Millionen Euro gestohlen haben.
  • Eine der Angeklagten soll die bestohlene ehemalige Antiquitätenhändlerin aus Kreuth erstickt haben.

Von Maximilian Gerl, München/Kreuth

Bei Gegenstand Nummer 81 geht ein Stoßseufzer durch den Saal. Ab Nummer 104 starrt ein Justizbeamter Löcher in den grauen Teppich. Bei Nummer 200 lächelt der Richter, nur zu, weiter. Die Liste der Gegenstände, welche die vier Angeklagten einer Seniorin entwendet haben sollen, ist lang. Es geht um Diebstahl und Unterschlagung im Wert von mindestens 1,1 Millionen Euro. Und es geht um Mord.

Am Freitag wurde am Landgericht München II der Prozess gegen eine mutmaßliche Diebesbande eröffnet. Über Wochen sollen die vier Angeklagten das Haus einer wohlhabenden Dame in Kreuth ausgeräumt haben. Am Ende soll sie nicht nur ihren Besitz, sondern auch ihr Leben verloren haben.

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Auf 33 Seiten hat die Staatsanwaltschaft penibel aufgelistet, wann die vier was aus dem Haus entfernt haben sollen. Für das Verlesen der Anklageschrift benötigt die Staatsanwältin anderthalb Stunden - 705 Objekte stehen auf der Liste. Die Seniorin war früher Antiquitätenhändlerin, ihre Villa muss voll mit wertvollen Dingen gewesen sein: mit Heiligenbildern, Ölgemälden, Bauernmöbeln, Teppichen, Geschirr.

Die Seniorin lebte seit November 2013 in einem Pflegeheim in Kreuth. Sie stellte die Hauptangeklagte Renate W. 2014 für Büroangelegenheiten und als Gesellschafterin an. 2016, so sieht es die Staatsanwaltschaft, soll die 53-Jährige mit ihrem Ehemann, einem Hausmeister und einem Antiquitätenhändler damit begonnen haben, das unbewohnte Haus auszuräumen. Sie soll sich dazu den Schlüssel der alten Dame angeeignet haben.

Als die 95-Jährige im März 2016 schließlich auf der Palliativstation eines Krankenhauses lag, soll W. befürchtet haben, die alte Dame wolle vor ihrem Ableben noch einmal in ihrer Villa nach dem Rechten sehen. In den Morgenstunden des 22. März soll sie deshalb die alte Dame mit einem Kissen oder einer Decke erstickt haben. Die mutmaßlichen Mordmotive: Habgier, Verdeckungsabsicht und Heimtücke.

Während die Anklageschrift verlesen wird, schüttelt Renate W. immer wieder ungläubig den Kopf. Den Mordvorwurf nimmt sie ohne äußerliche Regung zur Kenntnis. Zur Sache will sie am Freitag keine Angaben machen, nur zur Person. Ihren beruflichen Lebenslauf beschreibt die 53-Jährige als "klassisch": Realschulabschluss, Ausbildung zur Bürokauffrau, danach fast 20 Jahre bei einem Industriebetrieb.

Später machte sie sich selbständig und kümmerte sich um ältere Menschen. "Das ist ein Allroundjob", sagt sie, Briefe schreiben, vorlesen, Reisen buchen. Über ihre Gesundheit will sie zunächst nicht sprechen. Später kristallisiert sich heraus, dass sie in der Vergangenheit schwer depressiv war. Bis heute nehme sie Medikamente, sagt sie. Suizidgedanken habe sie nie gehabt, sie habe ja zwei Kinder, "man muss funktionieren, wenn man eine Familie hat". Vergesslicher sei sie seitdem, müsse sich alles aufschreiben.

Als einziger der Angeklagten nimmt Peter P. zur Sache Stellung. Sein Anwalt verliest eine Erklärung; darin widerspricht der Antiquitätenhändler dem Vorwurf des Bandendiebstahls. Er und die Seniorin seien befreundet gewesen. Im Januar 2016 habe er sie in einem "erbärmlichen Zustand" in der Klinik angetroffen. P. habe ihr in den folgenden Wochen mehrmals tausende Euro geliehen. Mit dem Geld habe sie den Lohn von W. und einem Anwalt bezahlen wollen.

Als Sicherheit habe sie ihm Schmuck gegeben. Nach dem Tod der Dame, gibt P. an, sei er von ihrer Gesellschafterin zu einer Trauerfeier in die Villa geladen worden. Dort habe sie ihm eröffnet, dass das Haus einer Stiftung vermacht worden sei, die Gegenstände aber unter anderem P. und ihr. Daraufhin seien einige Objekte in seinen Laden gefahren worden. Später habe ihn eine Bekannte telefonisch vor der "Verbrecherin" W. gewarnt.

Für den Prozess sind 16 Verhandlungstage angesetzt. Zeugen, die beim Fortschaffen der Beute geholfen haben sollen, müssen gehört werden, Antiquitätengutachter ihre Expertise zum mutmaßlichen Diebesgut abgeben. Das Urteil wird für Ende März erwartet.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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