Prozess:Mordanklage wegen Angriff mit Armbrust

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  • Viktor S. soll im September 2016 dem neuen Lebensgefährten seiner Ehefrau aufgelauert und mit einer Armbrust auf ihn geschossen haben.
  • Das Opfer konnte dem Pfeil ausweichen. Nun steht S. wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht München.

Von Susi Wimmer

Eine Armbrust, so hält Richter Michael Höhne dem Angeklagten vor, sei doch die denkbar ungeeigneteste Waffe, um sich gegen einen angeblich aggressiven Menschen zu wehren. Vor allem, wenn man nur einen Pfeil zur Hand habe - und daneben schieße. "Ich wollte niemals jemandem schaden", erwidert Viktor S. Der 41-Jährige steht vor dem Landgericht München I, weil er laut Anklage den Freund seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau heimtückisch ermorden wollte. Er sagt, er habe seine Frau abholen und mit dem Freund reden wollen. Die Armbrust habe er nur sicherheitshalber dabei gehabt. Sie sei ein Geburtstagsgeschenk für seinen Sohn. "Eigentlich wollte ich ihm eine Gitarre schenken, aber die war ausverkauft."

Viktor S. ist gebürtiger Kasache, aufgewachsen in einer deutschen Enklave, wie er erzählt und ein Mann der wenigen Worte. In ausgewaschener blauer Anstaltskleidung sitzt er da, eingefallene Wangen, zurückgenommen. Nur einmal, als er erzählt, dass er als Jugendlicher die russisch-sowjetische Kampfsportart Sambo erlernt hat, taut er auf. "Der beste Kampf, da kann man gegen Messer und Waffen kämpfen", sagt er. Und man könne binnen ein bis zwei Sekunden einen Menschen töten.

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Am frühen Morgen des 6. September 2016 soll er laut Anklage, in einem Gebüsch versteckt, dem neuen Lebensgefährten seiner Ehefrau vor dem Wohnanwesen an der Boschetsrieder Straße aufgelauert haben. Als dieser ihm den Rücken zudrehte, soll er aus einer wuchtigen Sportschützen-Armbrust einen Metallpfeil abgefeuert haben. Das Opfer, das den Täter aus dem Augenwinkel wahrgenommen hatte, habe sich nur aufgrund einer leichten Ausweichbewegung retten können: Der Pfeil streifte seine linke Halsseite und verursachte lediglich einen Kratzer.

Das Opfer soll dann den Täter beruhigt, ihm die Armbrust entrissen und weggeworfen haben. Fünf Verhandlungstage hat die Strafkammer für den Prozess angesetzt, und am ersten Tag erzählt Viktor S. aus seinem Leben und äußert sich zur Tat. Wobei Richter Höhne am Ende scharf anmerkt: "Ich glaub' Ihnen Ihre gesamte Story nicht."

Mit 16 Jahren kam der Kasache nach Deutschland, um hier bei Brandenburg in der Nähe von Onkel und Tante Arbeit zu suchen. 1996 verschlug es ihn nach Viechtach im Bayerischen Wald, dort lernte er ein Jahr später Olga W. kennen. Die Beziehung sei von Anfang an gespannt gewesen, sagt er. "Sie hat immer Stress gemacht und Druck und hatte mit meinen Eltern Stress." Olga W. brachte aus erster Ehe einen Sohn mit. Nach der Hochzeit mit Viktor S. nahm sie dessen Nachnamen an. Es kamen noch ein Sohn und eine Tochter zur Welt. Das Paar zog mehrmals um - und trennte sich mehrmals.

Ob er seine Frau geschlagen habe, fragt der Richter. "Ja", antwortet der 41-Jährige, "mit der flachen Hand ins Gesicht, nie mit der Faust". Und getreten? "Klar!" Warum? "Ich weiß nicht." Ob er mit Aggressionen ein Problem habe? "Nein, ich bin ein geduldiger Mensch. Aber wenn die Geduld zu Ende ist, dann ist es vorbei." Ob die Frau die Schläge verdient habe? "Ja. Sie hat mich immer genervt und nicht aufgehört."

Die Polizei trifft auf merkwürdig ruhige Männer

Laut Anklage hatte Olga S. ein Kontaktverbot gegen ihren Mann erwirkt. Er soll einmal über den Balkon in ihre Wohnung eingestiegen und auf ihren Lebensgefährten losgegangen sein. Viktor S. bestreitet das. Er berichtet, der neue Mann habe einmal auf ihn geschossen. Er sagt auch, dass Olga S. ihn immer wieder heimlich angerufen habe. Zweimal sei er von Niedersachsen, wo er lebte, nach München gefahren, weil sie Angst vor ihrem Freund gehabt habe. "Ich bin immer für sie da, und das weiß sie." Auch im September sei es so gewesen: Sie habe zu ihm zurück gewollt, deshalb habe er vor der Haustüre gewartet. Er habe absichtlich danebengeschossen, um den Nebenbuhler zum Nachdenken zu bewegen. Dann sei der aber mit einem Messer auf ihn losgegangen, er habe aber die Situation deeskaliert und die Armbrust ins Gebüsch gelegt.

Friedlich nebeneinanderstehend traf die Polizei kurz darauf die Männer vor der Wohnung an. Als "überraschend" bezeichnete ein Beamter den Einsatz. Täter und Opfer seien völlig ruhig gewesen. Die Armbrust lag im Gebüsch. Ob das Opfer ein Messer bei sich hatte, konnte der Polizist nicht sagen. "Wir haben ihn nicht durchsucht." Über Olga S. sagt Viktor S. noch: "Sie macht ihn verrückt, sie macht mich verrückt." An diesem Donnerstag soll sie in den Zeugenstand treten.

© SZ vom 30.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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