Prozess:Spielsüchtiger Lehrer veruntreut Schulgeld

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"Es war ein absoluter Scheiß, was ich gemacht habe." 68 000 Euro Schulgeld veruntreute ein Lehrer und stand dafür nun vor dem Amtsgericht Gemünden. (Foto: Olaf Przybilla)
  • Mehr als zwanzig Jahre hat der 63-Jährige privat gezockt. 68 000 Euro hat er dabei vom Schulkonto genommen, um Engpässe auf seinem Konto auszugleichen.
  • Ein finanzieller Schaden ist der Schule nicht entstanden, da der Lehrer das abgehobene Geld stets zurückzahlte.
  • Der Mann bereut seine Tat. Das Gericht verurteilte ihn zu fast einem Jahr Haft.

Von Olaf Przybilla, Gemünden

Er hatte zehn Kreditkarten, er spielte Roulette, zockte an der Börse, häufte bis zu 160 000 Euro Schulden an und holte sich das kurzfristig fehlende Geld vom Schulkonto. Jetzt ist der stellvertretende Schulleiter des Balthasar-Neumann-Gymnasiums in Marktheidenfeld zu einer Haftstrafe von elf Monaten und zwei Wochen zur Bewährung verurteilt worden. Zwar sei der Schule kein finanzieller Schaden entstanden, der Lehrer hat das abgehobene Geld zurückgezahlt. Dennoch sah es das Schöffengericht in Gemünden als erwiesen an, dass sich der heute 63-Jährige der Untreue in elf Fällen schuldig gemacht hat. Mit insgesamt 68 000 Euro Schulgeld hatte er die Engpässe auf seinem privaten Konto ausgeglichen.

Das räumt der Lehrer, der seit Juni vorläufig vom Dienst suspendiert ist, auch ein. "Es war ein absoluter Scheiß, was ich gemacht habe", sagt er im Gerichtssaal und gesteht nahezu alles, was ihm vorgeworfen wird. Manchmal buchte er das Geld für die Skifreizeit auf sein Privatkonto um, manchmal war es Fördergeld der Europäischen Union. Mehr als zwanzig Jahre habe er privat gezockt, Roulette gespielt, zuletzt immer häufiger mit Termingeschäften an der Börse jongliert. Geschäfte, "bei denen man mehr verlieren kann, als man einsetzt", sagt er. Er hat Wirtschaft unterrichtet, von Transaktionen glaubte er, etwas zu verstehen. Ein Kriminalbeamter im Zeugenstand erklärt, er habe angesichts der "immensen Anzahl" von Bewegungen auf dem Konto des Lehrers den Überblick verloren. Das hätten alle, sagt der Richter.

Der Lehrer will das alles nicht schönreden. Er habe auch das Vertrauen seiner Familie "schändlich ausgenutzt", sagt er, derzeit versuche er, gemeinsam mit seiner Frau Schulden zurückzuzahlen. Als Paar lebe man jetzt "wie Studenten". Um nach der Suspendierung irgendwie Geld heranzuschaffen, habe er bei einem Baumarkt ausgeholfen, er helfe Schaustellern bei der Arbeit, unterrichte Migranten. Er sei über Jahre hinweg "zu feige" gewesen, mit seiner Frau über die Geschäfte zu sprechen. Eines aber sei ihm wichtig: Nie habe er das Geld genutzt, um es auszugeben. Sondern lediglich, um Löcher zu stopfen, als das Minus auf dem Konto immer größer, die Zinszahlungen immer exorbitanter wurden. Als dann alles aufgeflogen ist, begab sich der Lehrer in stationäre Behandlung. Der Richter liest einen Arztbrief vor. "Pathologische Spielsucht" wird dem Lehrer attestiert, schuldunfähig aber ist er nicht.

Die härtesten Worte findet die frühere Schuldirektorin, die den Fall aufgedeckt hat. Als Zeugin spricht sie von einer "Katastrophe" für das Gymnasium. Ihr Kollege habe das Vertrauen, das Schüler und Eltern in die Schule gehabt hätten, missbraucht. Um alles auffliegen zu lassen, habe es einiger Hartnäckigkeit bedurft. Ein Lehrer-Ausschuss, der die Kontoführung hätte kontrollieren sollen, hatte keine Mängel festgestellt. "Zumeist junge Lehrer" seien damit beauftragt gewesen, der stellvertretende Schulleiter habe diese aber offenbar nicht mit allen Unterlagen bedient und vieles vertuscht. Weil Chaos herrschte, habe sie beschlossen, selbst die Konten durchzuschauen, als ihr Kollege 2014 auf Reha war. Auf die Unregelmäßigkeiten angesprochen, habe der Kollege sie zunächst mit einer "absurden" Version bedient: Er habe das Geld bei einem Förderverein geparkt. Daraufhin habe sie es "ganz genau wissen wollen", sagt die ehemalige Direktorin.

Der Lehrer bekommt ein mildes Urteil

Der Staatsanwalt sagt, beim Durchsehen der Anklageschrift habe er sich bei der Vorbereitung noch gedacht: "Das ist dreist, was fällt dem Mann eigentlich ein, spinnt der?" Im Plädoyer gibt sich der Ankläger dann aber milde. Der Lehrer habe das Geld zum Teil schon zurückgezahlt, als er noch nicht aufgeflogen war. Er sei geständig, zeige Reue, sei bis dahin ein unbescholtener Mann gewesen. Auch beliebt war er an der Schule, hat der Ex-Chef des Lehrers zuvor ausgesagt. Und mehr als ein Jahrzehnt lang war er Vertrauenslehrer. Der Staatsanwalt plädiert für eine Haftstrafe unter einem Jahr. Dem schließt sich das Gericht an. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

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Bei mehr als einem Jahr Haftstrafe hätte der 63-Jährige automatisch seinen Beamtenstatus verloren, mit massiven Folgen für die Pension. Darüber muss jetzt noch die Landesanwaltschaft entscheiden. Gegen den Lehrer wird auch dienstrechtlich ermittelt.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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