Prozess in Nürnberg:Mutter gesteht Misshandlung ihres Sohnes

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Der kleine Junge wird für immer schwerstbehindert bleiben: Seine Mutter soll ihn mit drei Monaten so schwer misshandelt haben, dass er fast starb - aus Wut auf ihren Lebensgefährten. Jetzt steht sie in Nürnberg vor Gericht.

Katja Auer

Die 22-Jährige hat ihr Kind so schwer misshandelt, dass es wohl für immer geistig behindert bleibt. (Foto: N/A)

Bald wird der Bub, nennen wir ihn Tom, 14 Monate alt. Wäre all das nicht passiert, dann könnte er bestimmt schon stehen, er würde versuchen zu laufen, hangelte sich vielleicht von einem Möbelstück zum anderen. Tom tut das nicht. Er wird wahrscheinlich nie alleine sitzen oder laufen können, er hat Krampfanfälle, sieht fast nichts, ist geistig schwer behindert. "Das Kind ist schwerstgeschädigt und das wird sicher so bleiben", sagt ein Gutachter.

Deswegen steht seine Mutter vor dem Landgericht Nürnberg. 22 Jahre ist sie alt, Hausfrau, ohne Berufsausbildung. Vor fast einem Jahr, da war Tom drei Monate alt, soll sie ihn mindestens zweimal mit voller Wucht auf den Fußboden geworfen haben. Dann trat sie mit dem Fuß nach dem Kind. Die junge Frau weint, als der Staatsanwaltschaft die Anklageschrift verliest und ihr schwere Körperverletzung und die schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen vorwirft. Dann gibt sie alles zu. Reden lässt sie ihren Anwalt. Sie selbst sagt, "dass es mir wirklich leid tut und dass ich wirklich bereue, was ich getan habe".

Vielleicht ist es aus Wut geschehen, aus Rache, aus Eifersucht, sie sagt es nicht. Sie sei "sauer" auf ihren Freund gewesen, erzählt sie dem Psychiater, der zwar eine niedrige Intelligenz, auch eine Lernbehinderung feststellt, aber keine schweren psychischen Beeinträchtigungen. Sie habe aber große Angst, verlassen zu werden.

Ihr Freund, der Vater des Kindes, 23 Jahre alt, Förderschüler ohne Abschluss, ohne Arbeit, hat damals die Wohnung verlassen. Sie hatten gestritten, wieder einmal, die Nachbarn sollen durch die dünnen Wände oft laute Auseinandersetzungen gehört haben. An jenem Tag kurz nach Weihnachten soll es um seine Exfreundin gegangen sein, wieder einmal, und da habe es ihm gereicht, sagt er. Da packte er eine Tasche, Boxershorts, T-Shirts, eine Hose - und ging.

Zwei intellektuell offenbar nicht besonders begabte junge Menschen haben sich da zusammengetan, wohnten zusammen, bekamen ein Kind. Ungeplant. Aber beide wollten es haben. Ihre Mutter rät der 22-Jährigen zur Trennung, besser alleinerziehend als mit diesem Kerl, meint sie. Immer wieder habe es Streit gegeben, der junge Mann soll seine Freundin auch geschlagen haben. Einmal, da war sie im siebten Monat schwanger, riefen die Nachbarn die Polizei. "Kann schon sein", sagt er auf die Frage des Verteidigers.

Der 23-Jährige tritt als Nebenkläger auf. "Mein Kleiner", so nennt er seinen Sohn, sei ein "Papakind" gewesen und er selbst habe sich eigentlich mehr um ihn gekümmert als die Mutter. Die nennt er vor Gericht nur noch beim Nachnamen. Er sei zehnfacher Onkel, er habe schon etwas Bescheid gewusst. Der Kinderarzt erinnert sich, dass er bei der U4, der Vorsorgeuntersuchung, vor allem mit dem Vater gesprochen habe. Ungewöhnlich sei das, zumindest wenn das Kind noch so klein sei.

Als der junge Mann an jenem Tag doch wieder heimkam, war seine Playstation kaputt und der Flachbildfernseher. Zwei Dinge, die er sich "von meinem hart gearbeiteten Geld" gekauft hatte, als er noch einen Job als Möbelpacker hatte. Seine Freundin soll sie zertrümmert haben, bevor sie ihr Kind misshandelte. Ihm erzählte sie, die Katze habe die Geräte heruntergeschmissen. Dann habe er eine Beule an Toms Hinterkopf bemerkt, und seine Freundin habe gesagt, dass der Bub vom Wickeltisch gefallen sei. Sie habe nicht befürchtet, dass das Kind schwer verletzt sein könnte, sagt sie dem Psychiater.

Am nächsten Morgen hatte Tom hohes Fieber. Der 23-Jährige rief den Notarzt, das Kind kam in die Cnopf'sche Kinderklinik in Nürnberg, es habe akute Lebensgefahr bestanden, sagt der behandelnde Arzt. Weil die Verletzungen im Kopf so schwer waren, wurde das Baby ins Klinikum Süd verlegt und dort operiert. Eine schwere Hirnblutung war diagnostiziert worden, eine Schädelfraktur, ein Schädel-Hirn-Trauma, die linke Gehirnhälfte soll geradezu abgestorben gewesen sein. "Wir haben nicht gedacht, dass das Kind die nächsten Stunden übersteht", sagt die Ärztin. Die Mediziner informierten die Polizei. Zu schwer waren die Verletzungen, zu unglaublich die Geschichte vom Wickeltisch. Den Eltern sagten die Ärzte, dass ihr Sohn wohl sterben werde.

Tom hat es überlebt, um ihn kümmert sich inzwischen seine Oma, die Mutter des 23-Jährigen. Das Sorgerecht hat das Jugendamt Nürnberg, sein Vater sagt, er besuche ihn regelmäßig. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 07.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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