Politik:Der Alte ist zurück

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Die Flüchtlingskrise hat die Stellung von Horst Seehofer gestärkt

Von Daniela Kuhr, München

Manchmal könnte man meinen, die Welt habe sich 2015 schneller weitergedreht als in anderen Jahren. Vor zwölf Monaten: Da hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den Ruf eines kleinkarierten Polterers, der keinen Millimeter über Bayerns Landesgrenzen hinausdenkt. Die ersten Schlagzeilen des Jahres handelten davon, dass Seehofer mit seinem Widerstand gegen Stromtrassen die Energiewende blockiere und beim Länderfinanzausgleich auf stur schalte. Wahlweise sah man damals in Seehofer einen bayerischen Wirrkopf oder einen schwächelnden älteren Herrn, der nicht wahrhaben will, dass seine Tage an der Spitze Bayerns und der CSU gezählt sind.

Und jetzt? Zwölf Monate später? - gibt Seehofer den großen weisen Mann. Er hat Gefallen gefunden an der Rolle des weitblickenden Politikers, der mit Geduld und Nachsicht einer störrischen Kanzlerin hilft, Deutschland durch herausfordernde Zeiten zu leiten. Tatsache ist: Gar nicht so wenige nehmen ihm diese Rolle ab. Seine Beliebtheitswerte sind deutlich gestiegen. Grenzkontrollen, Balkanzentren, strikte Abschiebungen, alles Vorschläge der CSU, die anfangs empört hatten - und kurz darauf mit Zustimmung von SPD und Grünen beschlossen wurden. Man kann es kaum anders sagen: Es war das Jahr der Auferstehung des Horst Seehofer.

Das mussten inzwischen sogar diejenigen einsehen, die vor einem Jahr kaum abwarten konnten, dass der Alte aufgibt: etwa Markus Söder. Genaugenommen ist der Finanzminister der einzige, der noch als Seehofers Nachfolger im Gespräch ist. Allerdings hat Söder zuletzt ein paar Mal gepatzt, etwa mit plumpen Äußerungen nach den Pariser Attentaten. Nach einer kurzen Trotzphase besann er sich und entschuldigte sich - was Seehofer auf dem CSU-Parteitag im November prompt aufgriff: "Ich mache Fehler. Markus Söder macht Fehler", sagte der CSU-Chef und wartete kurz ab. "Ich gebe sie zu - manchmal." Wieder Pause. "Markus Söder gibt sie zu - neuerdings." Alle lachten. Wie gesagt: Nachsichtig und geduldig, so gefällt sich Seehofer jetzt.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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