Plastiksäcke statt Metallfässer:Bier aus dem Beutel

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Fassbier ist teuer. Deshalb füllt die Ankerbrauerei Nördlingen ihr Bier jetzt für den Export in Plastiksäcke ab. Dabei könnte das bayerische Reinheitsgebot allerdings zu einem Problem werden.

Maximilian Zierer

Die bayerischen Brauer haben ein Problem: Die Deutschen trinken immer weniger Bier. Nur dem wachsenden Exportmarkt ist es zu verdanken, dass der Bierausstoß in den vergangenen Jahren konstant geblieben ist. Doch die Ausfuhr von Fassbier für die ausländische Gastronomie ist aufwendig. Die runden Metallfässer nutzen den Platz auf dem Lastwagen nicht optimal aus. Außerdem müssen die schweren Behälter leer zurück zur Brauerei gebracht werden, wo sie erneut befüllt werden. Ein weiteres Problem: Die Fässer brauchen oft lange, bis sie aus dem Ausland zurück sind, obwohl sie zu Hause benötigt werden. Florian Koch, Geschäftsführer der Nördlinger Ankerbrauerei, sagt: "Fassbier ist teuer. Besonders die Rückführung von Leergut verbraucht viel Energie."

Für den Bierexport ungeeignet: Metallfässer. (Foto: picture-alliance / dpa)

Deshalb exportiert die Ankerbrauerei ihr Bier in Einwegbeuteln aus Plastik. Bag in Box nennt sich das Verfahren. Auf Deutsch: Beutel in der Kiste. In anderen Getränkebranchen kommt die Technik bereits seit 40 Jahren zum Einsatz. Ein Mitarbeiter der Brauerei hatte im Hitzesommer 2003 die Idee, Bier in die Säcke zu füllen. Doch es dauerte bis 2010, bis das System perfekt war. Dabei wird dem Bier nach dem Brauen Kohlensäure entzogen, bevor es in 25-Liter-Beutel aus Polyethylen abgefüllt wird. Die Beutel stecken wiederum in Kisten aus Karton, die sich einfach transportieren lassen. Erst beim Zapfen wird das Bier wieder mit Kohlensäure versetzt.

Auf manchen Puristen mag die Vorstellung befremdlich wirken, das bayerische Nationalgetränk in Plastiksäcke abzufüllen. "Bier in Einwegverpackungen - da prallen Welten aufeinander", gibt auch Florian Koch zu. Doch er ist überzeugt von seinem System. 2006 begann Ankerbräu damit, die ersten Gastronomiebetriebe mit Bier aus dem Plastikbeutel zu beliefern. Mittlerweile entfällt die Hälfte der Produktion auf Bag in Box, Tendenz steigend.

"Ohne diese Möglichkeit den Export zu steigern, wäre unsere Existenz gefährdet", sagt Koch. Die Vorteile des Systems seien vor allem die niedrigen Transportkosten, denn Kartons und Plastikbeutel sind äußerst leicht. Und: Das Leergut muss nicht zurückgefahren werden. Dadurch sei Bag in Box auf längeren Strecken sogar umweltschonender als Mehrwegsysteme. Nur in der eigenen Region setzt Ankerbräu weiterhin auf Fässer - selbst weitere Entfernungen innerhalb Deutschlands legt das Bier im Polyethylensack zurück.

Ungefähr zwanzig Prozent des bayerischen Bieres gehen mittlerweile ins Ausland. Geschäftsführer Walter König vom Bayerischen Brauerbund sagt: "Der Export wird für die bayerischen Brauereien immer wichtiger." Nur so könnten die sinkenden Einnahmen auf dem heimischen Markt kompensiert werden. Einwegsysteme könnten dabei helfen. "Solche Systeme sind überall da interessant, wo die Logistik kompliziert ist, also vor allem im Export. Aber auch auf Kreuzfahrtschiffen oder entlegenen Almhütten", erklärt König. Zwei Kreuzfahrtschiffe beliefert Ankerbräu bereits mit dem Bier im Beutel.

Das weltweit patentierte System aus Nördlingen soll jetzt auch anderen Brauereien den Export erleichtern. Entwicklung und Vertrieb wurden deshalb in die Firma Carbotek ausgelagert. Florian Koch, der auch Geschäftsführer von Carbotek ist, hat kein Problem damit, möglicherweise die Konkurrenz zu stärken. "Das war eine strategische Entscheidung", sagt er. "Irgendwann wird das System ohnehin kopiert werden." Also vertreibt er es lieber selbst.

Der erste Kunde von Carbotek ist die Aktienbrauerei Kaufbeuren, die seit Juni das Bier in Plastikbeuteln exportiert. Denn auch die Kaufbeurer haben mit sinkenden Einnahmen in Deutschland zu kämpfen. Die Brauerei hat viel investiert, um das Auslandsgeschäft auf Bag in Box umzurüsten. Für 165.000 Euro wurde die dafür notwendige Abfüllanlage in einer ehemaligen Lagerhalle installiert. Der technische Leiter Bernd Trick sagt: "Wenn man neue Wege gehen will, muss man solche Möglichkeiten nutzen." Außer der Aktienbrauerei hat Carbotek bisher zwei weitere Abnehmer gefunden. In den USA und Großbritannien soll die Abfüllung im Herbst beginnen.

Doch bei allem Optimismus: Ein Problem könnte das bayerische Reinheitsgebot sein. Denn dem Bier darf nichts hinzugefügt werden, auch keine Kohlensäure. "Das ist ein Grenzfall", sagt Walter König vom Brauerbund. Die Rechtslage sei nicht eindeutig. Denn wenn Kohlensäure aus dem Gärungsprozess verwendet werde, sei es in Ordnung. Doch gerade im Ausland kommt häufig externe Kohlensäure zum Einsatz. "Das Bier wird bei uns traditionell nach dem Reinheitsgebot gebraut", sagt Koch. Die weitere Aufbereitung des Bieres müssen die Gastronomen kennzeichnen.

Geschmacksunterschiede zu herkömmlichem Fassbier gebe es nicht, sagt Koch. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Technischen Universität in Weihenstephan. Die Münchner Biersommelière und Ernährungswissenschaftlerin Sandra Strobel befürchtet allerdings, dass der Geschmack des Bieres verändert werden könnte. "Es könnte sein, dass das Bier mit externer Kohlensäure nicht so prickelnd und spritzig schmeckt", sagt sie. "Das beste Behältnis für Bier ist immer noch eine dunkle Glasflasche."

© SZ vom 24.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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