Vier Kinder und Jugendliche aus einem Jugendheim in Thaining (Landkreis Landsberg) haben wochenlang ihre Betreuer und Nachbarn tyrannisiert und teilweise deftige Straftaten begannen. Die Täter waren elf bis 17 Jahre alt, zwei von ihnen waren also noch nicht schuldfähig. Die Polizei Landsberg berichtet von Brandstiftung, Nötigung, Körperverletzung, Beleidigung und Drogendelikten.
Die Situation spitzte sich in den vergangenen Wochen dermaßen zu, dass die Regierung von Oberbayern den Betrieb nun stilllegen ließ. "Der pädagogische Leiter sowie dessen Personal schienen mit der Betreuung der schwer erziehbaren Kinder und Jugendlichen restlos überfordert zu sein", sagt Hauptkommissar Franz Kreuzer von der Polizei Landsberg.
In der Wohngruppe in einem Einfamilienhaus waren drei Buben im Alter von elf, 12 und 14 Jahren sowie ein 17-jähriges Mädchen untergebracht - sowie weitere Kinder und Jugendliche im ständigen Wechsel. Wie die Polizei erst jetzt mitteilte, musste sie zwischen Dezember 2012 und Mitte Januar 2013 zu einer "Vielzahl an Einsätzen" anrücken. "Die Beamten mussten die Wohngruppe zum Teil mehrmals an einem Tag aufsuchen", berichtet Hauptkommissar Kreuzer.
Insgesamt wurden 19 Straftaten aktenkundig. Der schwerste Fall ereignete sich Mitte Dezember, als zwei Jungen einen Feldstadel anzündeten. Eine Spaziergängerin bemerkte zufällig die hochschlagenden Flammen und benötigte 30 Minuten, um den Brand zu löschen. Zuvor waren die Buben in den Stadel eingebrochen und hatten dabei Werkzeug entwendet.
Zudem berichtet die Polizei von tätlichen Übergriffen der Kinder und Jugendlichen untereinander sowie von körperlichen Attacken gegen die Pädagogen. "Ein Betreuer wurde mehrmals bei eisigen Minusgraden bis zu eine Stunde aus dem Anwesen ausgesperrt", berichtet Kreuzer. Zu einem kurzzeitigen Stromausfall kam es Mitte November, als die Kinder einen abgerissenen Duschschlauch über eine Freileitung geworfen hatten. Dem Stromversorger entstand ein Sachschaden im Leitungswerk in Höhe von 300 Euro.
Mitte Dezember brach ein 13-Jähriger einen Büroschrank auf, in dem sich verschreibungspflichtige Medikamente befanden. Nach Einnahme einer Überdosis musste er mit dem Rettungshubschrauber in die Kinderklinik Schwabing geflogen werden. Wenige Tage später nahm auch das 17-jährige Mädchen eine Überdosis Medikamente ein, es musste auf der Intensivstation des Klinikums Landsberg stationär behandelt werden.
In beiden Fällen bestand keine Lebensgefahr. Während der Erstversorgung des Mädchens durch Rettungskräfte und Polizisten drohte der elfjährige Junge, "mit einem Messer alle abstechen" zu wollen. Dabei fuchtelte er mit einer Spielzeugpistole herum.
Mehrfach wurden Einrichtungsgegenstände in dem Haus beschädigt und Möbel auf Nachbargrundstücke geworfen. Bei einem Nachbarn wurde die Holzverkleidung von der Garagenwand gerissen, Fliesen wurden beschädigt. Eine weitere Nachbarin war mehrmals zum Teil über Stunden verbalen Beleidigungen und Telefonterror ausgesetzt.
Das Mädchen räumte ein, des öfteren Cannabis und Amphetamine konsumiert zu haben. Am Silvestertag wurde ein öffentlich zugänglicher Feuermelder grundlos betätigt, was als Missbrauch von Notrufen strafbar ist.
Die Regierung von Oberbayern reagierte nach Polizeiangaben auf die Vorfälle "äußerst schnell" und entzog den verantwortlichen Geschäftsführern einer privaten GmbH am 11. Februar die Betriebserlaubnis. "Das Wohl der Kinder und Jugendlichen war gefährdet", begründet eine Sprecherin der Regierung den Schritt.
Die Jugendlichen wurden inzwischen in die Obhut der Jugendämter in Hessen und Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen, von wo sie nach Thaining gekommen waren. Die Polizei Landsberg hat die Akten an die Staatsanwaltschaft Augsburg übergeben.