Nürnberg:Wie ein neuer Verein Opfern rechter Gewalt helfen will

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Die Zahl rechter Straftaten steigt, immer mehr Menschen in Bayern fühlen sich bedroht oder haben bereits Gewalt erlebt. Der B.U.D. ergreift Partei für die Opfer.

Von Katja Auer, Nürnberg

Wenn eine Flüchtlingsunterkunft angegriffen wird, zum Beispiel. Dann schauen alle hin, sagt Jutta Neupert, darüber werde auch berichtet. Vielleicht sogar über die Täter, wenn sie denn gefasst werden, weil das irgendwie ein bisschen gruselig sei. Aber die Bewohner, die Menschen, die um ihr Leben fürchteten, die würden schnell wieder vergessen.

Denen will die Anlaufstelle " B.U.D. Beratung, Unterstützung. Dokumentation" beistehen, die sich nun als bayernweiter Verein formiert hat. Jutta Neupert ist eines von drei ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern. "Wir stehen immer auf der Seite der Opfer", sagt sie am Dienstag in Nürnberg.

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Der Ort ist passend gewählt, im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände stellen Neupert und ihre Mitstreiter den neuen Verein vor, an jenem Ort also, der das Grauen von Rassismus und Extremismus aufzeigt. Als Beratungsstelle gibt es B.U.D. schon seit 2009, bislang angedockt an den Bayerischen Jugendring und finanziert aus Bundesmitteln. Allerdings waren nicht nur die zuletzt 70 000 Euro im Jahr nicht mehr ausreichend, sodass zunehmend ehrenamtliche Arbeit geleistet wurde, sagt Neupert.

Als Verein kann die Beratungsstelle mehr Geld akquirieren, kann Spenden und Mitgliedsbeiträge annehmen. Außerdem könne man so unabhängiger agieren, sagt sie, denn die Arbeit sei immer politisch. "Wir werden immer Partei ergreifen für die Opfer", sagt sie, es geht nicht um die unabhängige Beurteilung von Vorfällen.

Die werden immer mehr, sagt Steffen Huber, der das Beratungsangebot in Bayern koordiniert. Die bayerischer Kriminalstatistik verzeichnet für das vergangene Jahr fast 3000 rechtsextremistisch motivierte Straftaten, fast ein Fünftel mehr als im Jahr zuvor. Huber ist allerdings überzeugt davon, dass das tatsächliche Ausmaß rechter Gewalt viel höher ist, nur würden viele Übergriffe entweder nicht angezeigt oder nicht als rechtsextremistisch erfasst. Deswegen setzt sich der Verein zudem für ein bayernweites Monitoring ein.

Immer wieder werden engagierte Menschen attackiert

Besonders Menschen, die sich für Asylbewerber engagierten, würden seit dem vergangenen Jahr zunehmend attackiert. "Das geht schon unter Schülern los", sagt Huber. Zuerst kämen beleidigende E-Mails, dann könne es auch körperliche Übergriffe geben, wenn die jungen Helfer etwa in der Diskothek erkannt würden. "Die Leute sind überrascht und überfordert", sagt Huber, "weil sie ja Gutes tun und dafür negatives Feedback bekommen."

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Durch das Internet und die sozialen Netzwerke sei die Diffamierung noch einfacher und dadurch mehr geworden. Die Opfer der Rechtsextremisten sind nun andere, nicht mehr vor allem Ausländer, Punks oder Wohnungslose, aber auch die Täter seien nicht mehr alle Neonazis und Rechtsextremisten. "Das hat sich in die Mitte der Gesellschaft verschoben", sagt Huber. Das hat auch Jutta Neupert beobachtet. "Die Zivilgesellschaft verträgt plötzlich Menschen, die rassistisch und menschenfeindlich sind", sagt sie - zumindest werde das von denjenigen so wahrgenommen. Sie fühlten sich nicht mehr isoliert. "Das sind ganz normale Bürger, die auf einmal einen Molli in die Hand nehmen", sagt Huber.

Die Berater sind in ganz Bayern unterwegs

Wer sich von Rechtsextremen bedroht fühlt oder Opfer von rassistischer und rechter Gewalt geworden ist, kann sich an B.U.D. wenden. Die Berater des Vereins sind bayernweit unterwegs, beraten kostenlos und auf Wunsch auch vertraulich. Sie klären nicht nur über Gewalt auf, sondern helfen auch bei der Suche nach Therapeuten oder Anwälten, wenn ein Strafverfahren vorbereitet werden soll.

Im vergangenen Jahr sei in 20 Fällen beraten worden, sagt Huber, aber das bedeutete nicht, dass der Bedarf nicht größer sei. Die Kapazitäten bisher aber nicht. Die Berater arbeiten auf Honorarbasis, zwei 450-Euro-Kräfte koordinieren die Einsätze. Die hätten schon oft ehrenamtlich weitergearbeitet, wenn das Budget aufgebraucht war, sagt Neupert. Denn der Bedarf steige weiter.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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