Neuer Verbandschef:Der natürliche Nachfolger

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Beim Bund Naturschutz sprechen sie stolz von gelebter Basisdemokratie. Dass am Samstag Richard Mergner, ohne Gegenkandidat, zum neuen Vorsitzenden gewählt wird, scheint offenbar niemanden zu stören

Von Christian Sebald, München

Zu den Dauerbrennerthemen im Bund Naturschutz gehört das Engagement im fränkischen Steigerwald. Der Verband kämpft seit Langem dafür, dass dort ein dritter bayerischer Nationalpark entsteht. (Foto: Sebastian Beck/oh)

Vor zwei Tagen eine Pressekonferenz über ein neues Konzept für den Alpenschutz, am Donnerstag die Präsentation eines Aktionsplans gegen das Insektensterben, dazwischen beinahe im Stundentakt Besprechungen und andere Treffen. Hubert Weiger, 71 und scheidender Vorsitzender des Bundes Naturschutz (BN), ist nicht nur einer der mächtigsten Männer der bayerischen Umweltszene. Er ist auch einer der rastlosesten. Wer dieser Tage mit Weiger spricht, kann sich nicht vorstellen, dass der studierte Förster nun kürzer treten will, wie er sagt. Aber an diesem Samstag ist es so weit. Nach 16 Jahren an der Spitze des BN übergibt Weiger auf der Delegierten Versammlung des BN in Eichstätt den Verbandsvorsitz an Richard Mergner, bisher Landesbeauftragter des BN. Der Posten entspricht dem eines Generalsekretärs und macht seinen Inhaber zum zweitmächtigsten Mann im BN.

Man darf fest davon ausgehen, dass die Vorsitzendenwahl abläuft wie geplant. Der BN ist mit seinen 220 000 Mitgliedern, den 76 Kreis- und den 600 Ortsgruppen der größte und der wohl auch einflussreichste Umweltverband in Bayern. Außerdem dürfte er der am besten durchorganisierte sein - mit mehr als 200 hauptamtlichen Mitarbeitern, fein säuberlich gegliederten Referaten und drei großen Geschäftsstellen in Nürnberg, Regensburg und München. Die Stabübergabe von Weiger an Mergner ist von langer Hand vorbereitet. Der 57 Jahre alte Diplom-Geograf, der seit fast 30 Jahren hauptamtlich für den BN arbeitet, ist seit Jahren Weigers Kronprinz. Offen war bisher nur, wann Weiger gewillt ist, den Vorsitz abzugeben. Nun, wo es so weit ist, ist alles bestens vorbereitet.

Der Neue: Richard Mergner, 57, ist Diplom-Geograf und arbeitet seit 30 Jahren im BN. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Mergner ist ohne Konkurrenz und dürfte es auch bleiben. Weiger und andere Spitzenleute hätten längst in allen möglichen Verbandsgremien klar gemacht, dass Mergner nun am Zuge sei, berichten Insider. Zugleich hätten sie penibel nachgeforscht, ob da kein Zweiter ist, der es auf eine Gegenkandidatur ankommen lassen könnte. Bislang ist das nicht der Fall. Zwar hat der BN gerade unter seinen Hauptamtlichen einige herausragende Männer und Frauen, die das Spitzenamt jederzeit ausfüllen könnten. Aber von ihnen will niemand Mergner den Verbandsvorsitz streitig machen. Sollte gegen alle Erwartungen doch noch einer aus der Deckung kommen und seine Bewerbung erst in der Delegiertenversammlung anmelden, könnte er wohl nicht einmal mit einem Achtungserfolg rechnen, heißt es.

Natürlich sind straff organisierte Stabübergaben auch in anderen großen und einflussreichen Verbänden an der Tagesordnung. Das Bayerische Rote Kreuz und sein langjähriger Präsident Theo Zellner sind ein Beispiel, der Landesfischereiverband und sein Vorsitzender Albert Göttle ein anderes. Beim BN mutet diese Art Stabübergabe aber doch besonders an. Und zwar nicht nur, weil beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Dachorganisation des BN, deren Chef ebenfalls Weiger ist, Kampfkandidaturen um den Vorsitz als etwas ganz Normales gelten. So erinnert sich Weiger selbst noch gut daran, dass er sich beim BUND-Vorsitz schon einmal gegen zwei Konkurrenten durchsetzen musste.

Es ist ein anderer, gewichtigerer Grund, warum die straffe Stabübergabe selbst auf einige BN-Leute zumindest etwas zu selbstverständlich wirkt: Weiger und Co. berufen sich bei jeder Gelegenheit darauf, dass ihr Verband bis in die kleinsten Verästelungen hinein basisdemokratisch organisiert sei. Dem aktuellen Volksbegehren "Betonflut eindämmen - damit Bayern Heimat bleibt" etwa schloss sich der BN als letzter großer Naturschutzverband an. Der Grund dafür war, so wiederholten es Weiger und andere Verbandsgrößen ein ums andere Mal, "dass wir als basisdemokratisch organisierter Verband erst innerverbandlich offen und kontrovers über das Volksbegehren debattieren müssen und danach unsere Delegiertenversammlung dann entsprechende Beschlüsse treffen muss".

Was für das Flächenfraß-Volksbegehren und andere wichtige Umweltthemen gilt, gilt offenkundig nicht für das Spitzenamt im BN. Von einer "innerverbandlich offenen und kontroversen Debatte" über Weigers Nachfolge jedenfalls ist nichts nach außen gedrungen. Ebenso wenig, dass Weiger und Co. ihre Kreis- und Ortsgruppen zu einer solchen Debatte ermuntert hätten. Dafür gibt es welche, die bestreiten, dass eine solche Debatte überhaupt hätte stattfinden können. "Denn bei uns ist es nicht anders als in der CSU und anderen Parteien", sagt ein einflussreiches BN-Mitglied, das ungenannt bleiben will, weil es andernfalls Nachteile für seine Kreisgruppe befürchtet. "Die Alphatiere beißen im Lauf der Zeit links und rechts alle weg, die ihnen ihre Position streitig machen könnten. Am Ende läuft dann alles wie von selbst auf sie zu."

Wie auch immer, das Wahlergebnis für den neuen BN-Chef Mergner an diesem Samstag dürfte überragend ausfallen. Da sind sich alle einig. Auch wenn es womöglich nicht an das Ergebnis heranreicht, das Weiger 2016 bei seiner letzten Wahl zum BN-Vorsitzenden holte. Er kam seinerzeit auf 95 Prozent Stimmen. Aber auch Weiger bleibt dem BN erhalten - als Ehrenvorsitzender. Als solcher wird er zwar nicht mehr direkt auf die Geschicke seines Verbands Einfluss nehmen. Aber er hat sich schon zwei Themen erkoren, um die er sich besonders kümmern wird. Natürlich sind es zwei besonders prestigeträchtige Themen für den BN: die naturnahe Gestaltung der Donau zwischen Straubing und Vilshofen und der Kampf um einen Nationalpark im fränkischen Steigerwald.

© SZ vom 27.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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