Naturschutz:Das Erbe der Bäume

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Auf einer Fläche von etwa 20 Hektar an der Stoißer Ache östlich von Anger stehen besonders viele Tannen mit ausgezeichneter Samenqualität. (Foto: ASP)

Generhaltungswälder sollen die große Vielfalt in den Forsten noch in Hunderten Jahren sichern. Eine Parzelle am Teisenberg mit Tannen jeden Alters erhält nun dieses Prädikat und wird besonders geschützt

Von Christian Sebald, München

Der Teisenberg, ein 1333 Meter hoher, dicht bewaldeter Buckel zwischen Inzell, Teisendorf und Anger, hat einen gewissen Ruf erlangt, weil er der nördlichste Eintausender in Bayerns Alpen ist. Außerdem zählt er zu den beliebtesten Ausflugszielen im Grenzgebiet zum Salzburger Land - sommers ziehen Scharen von Wanderern und Mountainbikern zur Stoißer Alm hinauf, winters sind es Skitourengeher und Schneeschuhwanderer. Was die meisten nicht ahnen: Es sind ganz besondere Bergwälder, in denen sie unterwegs sind. So besondere sogar, dass Forstminister Helmut Brunner (CSU) am Montag am Teisenberg den ersten Generhaltungswald Bayerns ausweist.

Generhaltungswald? Monika Konnert geht das Wortungetüm mühelos von den Lippen. Das ist wenig verwunderlich. Konnert ist Chefin des bayerischen Amtes für forstliche Saat- und Pflanzenzucht. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass die Wälder im Freistaat auch in Hunderten Jahren möglichst vielfältig sind. "Vielfalt beginnt aber nicht erst bei den Baumarten", lautet Konnerts Credo. "Sondern schon bei den einzelnen Bäumen. Denn so wie wir Menschen uns voneinander unterscheiden, tun das auch die Bäume, keiner ist so wie der andere." Der Grund dafür sind seine Erbanlagen, genauer ihre Kombination. Sie lässt den einen Baum schnell und gerade wachsen und den anderen langsam und krumm. "Wenn wir uns also um die Vielfalt unserer Wälder kümmern wollen, müssen wir bei der Genetik anfangen", sagt Konnert.

Der Generhaltungswald am Teisenberg ist eine ungefähr 20 Hektar große Waldparzelle an der Stoißer Ache östlich von Anger. Das besondere an ihr ist, dass es fast zur Hälfte Tannen sind, die hier wachsen. Und zwar turmhohe, 160 Jahre alte Bäume genauso wie zehnjährige, zimmerhohe und wenig Zentimeter kleine Winzlinge. Eine solche Dichte an Tannen jeder Altersklasse findet man nur selten im Freistaat. Die Parzelle an der Stoißer Ache ist denn auch berühmt unter Bayerns Forstleuten. Die Tannenzapfen von dort sind hochbegehrt - als Saatgut, aus dem kräftige Jungtannen gezogen werden. An die zwölf Tonnen Tannenzapfen haben der Baumkletterer Alexander Nickl und seine Kollegen hier in den vergangenen zehn Jahren geerntet. Mit dem neuen Prädikat "Generhaltungswald" wird die Waldparzelle nun besonders geschützt, damit die Tannen dort weiter prächtig gedeihen und ihre Samen auch künftig viele kräftige Jungtannen hervorbringen.

So wie am Teisenberg sollen nun überall in Bayern Generhaltungswälder ausgewiesen werden. Nicht nur für Tannen. Sondern auch für Fichten, Buchen, Eichen und alle möglichen anderen heimischen Baumarten. Jeder wird eine Fläche von ungefähr 20 Hektar umfassen. Die Samenbäume darin sollen wenigstens 50 Jahre alt sein. Ihre Zahl ist freilich je nach Baumart ganz verschieden. Beim Bergahorn reichen 30 Stück aus, bei der Fichte und der Buche sollen es 150 sein. Damit diese Vorgaben aufgehen, haben Konnert und ihre Mitarbeiter ein Raster über den Freistaat gelegt. Zumal für viele Baumarten gleich mehrere Generhaltungswälder ausgewiesen werden. "Der Grund sind die regionalen Unterschiede", sagt Konnert. "Die Tannen im Bayerischen Wald sind von der Genetik her anders als die in den Alpen." Das Erbgut der Buchen hingegen ist überall gleich oder zumindest so ähnlich, dass man bei ihnen mit einer Handvoll Generhaltungswälder auskommt.

Und was macht man mit Baumarten, die so selten geworden sind, dass ihre Bestände nicht mehr für einen Generhaltungswald ausreichen? Wildapfelbäume, zählen zu ihnen, Schwarzpappeln, Elsbeeren, Eiben und andere. "Da gibt es zwei Möglichkeiten", sagt Konnert. Die eine ist das Einlagern von Samen in einer Genbank. Die praktizieren Konnert und ihre Mitarbeiter schon - und zwar am Dienstsitz ihres Amtes in Teisendorf. Bereits seit 1989 haben sie dort zwei Kühlräume. In dem einen herrschen minus zehn Grad, in dem anderen minus 20 Grad. "So kann man Samen über Jahrzehnte hinweg konservieren", sagt Konnert, "und später junge Bäume aus ihnen ziehen." Die andere Möglichkeit sind spezielle Plantagen.

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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