Naturschutz:Brachen zu versilbern

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Für die Landschaft, die der Bebauung zum Opfer fällt, muss Ersatz geschaffen werden - etwa durch Bachläufe oder Moor, das renaturiert wird. (Foto: Mauritius Images)

Die Staatsforsten steigen ins Geschäft mit ökologischen Ausgleichsflächen ein und stoßen damit bei den Grünen auf Kritik

Von Christian Sebald, München

Zwischen den Grünen und den Bayerischen Staatsforsten bahnt sich ein harter Streit um den Naturschutz an. Der Grund ist die Absicht der Staatsforsten, forstlich wertlose Areale in Biotope umzuwandeln und als sogenannte Ausgleichsflächen für massive Eingriffe in die Landschaft anzubieten. "Das ist unglaublich. Das Waldgesetz verpflichtet die Staatsforsten zur vorbildlichen Forstwirtschaft und dazu gehört der Naturschutz", schimpft der Grünen-Abgeordnete und Förster Markus Ganserer. "Aber was tut das Staatsunternehmen: Es will sich seine ökologischen Pflichtaufgaben extra versilbern lassen." Die Grünen wollen das nicht hinnehmen. Ganserer startet demnächst im Landtag eine Initiative gegen die Pläne.

Es ist eine komplizierte Sache mit den Ausgleichsflächen. Vom Grundsatz her werden sie für jeden Eingriff in die Landschaft fällig. Gleich ob eine neue Straße gebaut oder ein Gewerbegebiet ausgewiesen wird: Für die Landschaft, die dabei geopfert wird, muss Ersatz geschaffen werden - zum Beispiel ein Magerrasen angelegt, eine Hecke gepflanzt oder ein Moor renaturiert werden. Der Gedanke dahinter: Trotz aller Bauwut sollen Natur und Landschaft unterm Strich einigermaßen intakt bleiben. Denn der Flächenfraß ist gigantisch. Aktuell beträgt er bayernweit etwa elf Hektar am Tag. Natürlich werden längst nicht in der gleichen Größenordnung Ausgleichsflächen geschaffen. Experten zufolge hat sich über die Jahre hinweg der Faktor 0,3 herauskristallisiert. Für die elf Hektar freie Landschaft, die täglich zubetoniert wird, fallen also etwa 3,3 Hektar Ausgleichsflächen an.

Natürlich steht das Ausgleich-System permanent in der Kritik: So halten Naturschützer es für viel zu lasch, zumal in der Vergangenheit kaum nachvollziehbar war, was aus den vielen Öko-Flächen wird, die sich im Lauf der Zeit ansammeln. Planern, Behörden und Gemeinden ist oft der Aufwand viel zu hoch. Und die Bauern stören sich daran, dass sie bisweilen wertvolles Ackerland für den Naturschutz abgeben sollen. Also hat der Freistaat nach langem Hin und Her das System reformiert.

Die grundsätzliche Neuerung ist, dass Eingriff und Ausgleich voneinander getrennt wurden. Das heißt: Der Planer oder Bauherr eines Projektes muss nicht mehr selbst den Eingriff in die Landschaft ausgleichen. Er kann sich diese Leistung von einem Anbieter kaufen. Dazu bewerten die Naturschutzbehörden das jeweilige Bauprojekt nach einem Punktesystem. Auch die Biotope, die ein Anbieter von Ausgleichsflächen im Angebot hat, werden nach einem Punktesystem bewertet. Der Ausgleich funktioniert dann so, dass der Planer oder Bauherr eines Projekts mit dem Erwerb einer bestimmten Anzahl Öko-Punkte den Eingriff kompensiert, den sein Vorhaben verursacht.

Noch steht das neue System am Anfang. "Es ist eine praxisnahe Regelung", sagt ein Sprecher des Umweltministeriums. "Es bringt die unterschiedlichen Belange bestmöglich in Einklang." Experten gehen denn auch fest davon aus, dass sich bald ein lukrativer Markt für den Ausgleich entwickeln wird - schließlich gibt es keine Anzeichen, dass das Zubetonieren der Landschaft abnimmt. Interessant ist das neue Geschäftsfeld natürlich vor allem für größere Grundbesitzer oder Firmen, die Zugriff auf große Flächen haben.

So wie die Staatsforsten. Sie bewirtschaften 808 000 Hektar Grund und Boden, das sind elf Prozent der Fläche Bayerns. Davon sind 755 000 Hektar Wald. Die übrigen 53 000 Hektar sind Restflächen wie Moore und Wiesen, aber auch Gewerbebrachen. Eine ganze Menge davon kämen als Ausgleichsflächen in Frage, wenn man sie nur ökologisch aufwertet. Damit sie von Anfang an bei dem neuen Geschäft dabei sein können, haben sich die Staatsforsten schon als Anbieter von Ausgleichsflächen zertifizieren lassen. Dennoch wiegelt Staatsforsten-Chef Martin Neumeyer ab. "Wir haben bisher nur sechs Pilotflächen ausgewählt", sagt er, "wir wollen das Ganze sehr sorgfältig prüfen." Überhaupt werde man mit dem neuen Geschäftsfeld sehr defensiv umgehen. "Wir werden keinesfalls Öko-Flächen verkaufen", sagt Neumeyer. "Sondern nur Öko-Punkte." Außerdem schwebt ihm eine jährliche Obergrenze von 30 bis 40 Hektar für die Ausgleichsflächen vor. "Denn wir wollen auf keinen Fall große Begehrlichkeiten wecken", sagt er. "Unser Ziel ist es ausschließlich, einen Beitrag zu leisten, dass Bayerns Natur und Landschaften möglichst intakt bleiben."

Für die Grünen sind das schale Worte. "Keiner hindert die Staatsforsten daran, den Schutz von Natur und Landschaft zu forcieren", sagt der Vorsitzende des Umweltausschusses im Landtag, Christian Magerl (Grüne). "Aber sie müssen das aus ihren Erlösen aus der Forstwirtschaft finanzieren und dürfen es sich nicht extra bezahlen lassen." Außerdem glaubt Magerl nicht, dass es bei einem Jahreskontingent von 30 bis 40 Hektar bleibt. "Ich kenne Förster mit ganz anderen Ideen", sagt er. "Wenn die Staatsforsten das Geschäft mit den Öko-Flächen nicht sofort stoppen, kommt der Naturschutz als ihre Kernaufgabe unter die Räder."

© SZ vom 02.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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