Nachmittagsbetreuung:Rechnungshof kritisiert Chaos beim Ganztags-Ausbau

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Eine Mensa gehört an vielen bayerischen Schulen mittlerweile zum Standard. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung schreitet voran - aber chaotisch, sagt der ORH. (Foto: Florian Peljak)
  • Ein Bericht des Obersten Rechnungshofs Bayerns bemängelt, dass die Schulen mit der Organisation von Ganztagesklassen allein gelassen würden.
  • Dadurch werde womöglich Geld ausgegeben, das nicht gerechtfertigt sei.

Von Anna Günther, München

Der Ausbau der Ganztagsbetreuung an Bayerns Schulen ist eines der großen Projekte der Staatsregierung und wird energisch vorangetrieben - zu schnell und mitunter chaotisch, findet der Oberste Rechnungshof (ORH). Ministerpräsident Horst Seehofer hatte in seiner Regierungserklärung 2013 versprochen, dass jedes Kind bis 14 Jahre einen Platz bekommen wird.

Zwei Jahre hat er noch Zeit, um das Versprechen einzulösen. Das Credo im Kultusministerium lautet: Jeder genehmigungsfähige Antrag wird auch genehmigt. Derzeit gibt es 4400 offene Ganztagsklassen, 7000 Gruppen in der Mittagsbetreuung und an 1050 Schulen auch nachmittags Unterricht. Dazu kommen Hortplätze und Angebote, die von Eltern oder Vereinen organisiert werden. Jede Schule macht es anders und das ist aus Sicht der obersten Finanzkontrolleure ein Teil des Problems.

Was der ORH genau bemängelt

In dem Prüfbericht, der an diesem Dienstag veröffentlicht wird und der Süddeutschen Zeitung bereits in Teilen vorliegt, bemängelt der ORH, dass das Kultusministerium den Schulen zu wenig klare Regeln an die Hand gibt. Der Verwaltungsaufwand für die Organisation der Ganztagsbetreuung sei zu hoch, die Schulen würden allein gelassen, heißt es. Und es fehlten Kontrollen der vorhandenen Kriterien.

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18 Grund- und Mittelschulen in Schwaben, Oberbayern, Oberfranken und Niederbayern hatten die Gutachter 2013 und 2014 überprüft, elf Schulen erfüllten die Bedingungen des Ministeriums nicht. Die Kooperationspartner erbrachten laut dem ORH-Bericht nicht die Leistung, die vertraglich vorgeschrieben war. Betreuer arbeiteten weniger als vereinbart oder das Team der Ganztagsbetreuung gab nur Mittagessen aus. Laut ORH ist es auch vorgekommen, dass gar nicht die Pädagogen die Kinder betreuten, die dafür eingestellt waren, sondern weniger qualifizierte Mitarbeiter. Außerdem wurden zu viele offene Ganztags- und Mittagsbetreuungsgruppen für zu wenig Kinder eingerichtet.

Was die Gutachter fordern

Die Gutachter fordern, dass die Anwesenheit besser erfasst werden müsse. Das Ministerium solle zudem festlegen, wer die Verantwortung für die abgerechneten Schülerzahlen trägt und wann das Budget einer Schule gekürzt werden muss. Aber man wolle den Ausbau der Ganztagsbetreuung keineswegs madig machen oder einschränken, heißt es vom ORH. Allerdings sei der Verwaltungsaufwand wegen der verschiedenen Betreuungskonzepte zu hoch für die Schulen. Dass dann womöglich Geld ausgegeben wird, das nicht gerechtfertigt ist, stößt den Rechnungsprüfern naturgemäß bitter auf.

Der Vorwurf des pädagogischen und organisatorischen Chaos ist nicht neu. 2015 präsentierte Seehofer ein Pilotprojekt, das Ordnung bringen soll: Für die Organisation des offenen Ganztags an Grund- und Förderschulen arbeiten Schulen und Jugendhilfe zusammen, um die Angebote besser zu koordinieren. Gerade wegen dieses zusätzlichen Betreuungsangebots seien klarere Regeln nötig, findet der ORH. Dabei ist das Ministerium eher für strenges Regiment als für zu viel Freiheit für Schulen bekannt.

Wie Kultusministerium und Lehrer reagieren

Das Kultusministerium rechtfertigt den "uneinheitlichen Verwaltungsvollzug" mit der Geschwindigkeit des Ausbaus. Man habe schon 2013 die vom ORH kritisierten Mängel erkannt und versucht, sie zu beheben, sagt der stellvertretende Ministeriumssprecher Henning Gießen. Zudem überarbeite die Fachabteilung die Regeln, die noch heuer in Kraft treten sollen. Bisher melden alle Schulen den Bezirksregierungen bis zum Stichtag, wie viele Kinder im neuen Schuljahr zur Nachmittagsbetreuung angemeldet sind, und bekommen einen Pauschalbetrag zugewiesen. Laufend die Zahl der Kinder abzufragen, wäre eher noch mehr Aufwand für Schulen und Bezirksregierungen.

Simone Fleischmann fürchtet dagegen die Einschränkung der gerade erst gewährten Freiheit: "Es gibt doch klare Regeln, aber Vielfalt ist auch das Gegenteil von starrer Bürokratie", sagt die Präsidentin des bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, die bis 2015 eine Volksschule mit Ganztagsklassen leitete. Wenn Schulen keine individuellen Angebote entwickeln, verliere die Nachmittagsbetreuung für Eltern den Charme. Rektoren brauchten Sicherheit, aber Schulmanagement sei eben nicht mehr so wie vor 20 Jahren, sagt Fleischmann. Heute entwickeln Schulen mit Kommunen und Eltern eigene Konzepte. "Das geht aber nicht holzschnittartig mit einem Formblatt."

© SZ vom 15.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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