Nach Protesten im Netz:Neumond statt Halbmond

Lesezeit: 2 min

Vertreter muslimischer Gemeinden bedauern, dass der BR auf das islamische Logo zum Ramadan-Schwerpunkt verzichtet

Von Jonas Schöll, München

Einige Zuschauer des Bayerischen Rundfunks (BR) dachten kurzzeitig, ihr Kanal sei vom arabischen Nachrichtensender Al Jazeera übernommen worden. Ganz deutlich war der Stein - genauer gesagt die Sichel - des Anstoßes auf dem Bildschirm platziert. In der linken Ecke noch alles wie gewohnt: das Logo des BR. Doch das Fremde prangte in der rechten Ecke: Die Sichel des abnehmenden Mondes und das Wort "Ramadan". Dieser Anblick löste bei vielen Internetnutzern und Zuschauern des BR eine Welle der Empörung aus. Der Sender reagierte prompt und nahm das Logo wieder aus dem Programm. Nun sind die Islamverbände enttäuscht, und auch einige Zuschauer beklagen, dass der Sender so schnell einknickte.

"Wenn die Entscheidung auf Druck einiger Zuschauer und Internet-Nutzer gefallen ist - und danach sieht es ja aus - bedauern wir das sehr", sagt Benjamin Idriz, seit 1995 Imam, also islamischer Gelehrter, in der oberbayerischen Gemeinde Penzberg. "Menschen, für die allein schon ein Halbmond unerträglich ist, fühlen sich jetzt bestätigt und werden sagen: Wir haben Druck gemacht, und das Bayerische Fernsehen hat sich gebeugt."

Der Sender war zuvor auf seiner Facebook-Seite mit einer Welle negativer Kommentare, konfrontiert worden: "Ihr seid's doch ned ganz sauber", schrieb ein Zuschauer. "Wir leben in DEUTSCHLAND oder besser gesagt in BAYERN . . . zefix noamoi", kommentierte ein anderer. "Wir sind ein christliches Land - und unsere Feiertage wurden noch nie eingeblendet. Was betreibt ihr für eine Volksverblödung???", schrieb eine Userin und bekam dafür bis zum Donnerstagnachmittag 296 Likes. Zahlreiche Daumen-Hochs gab es auch für den Kommentar: "Unter FJS hätte es das nicht gegeben - da wären jetzt beim BR Köpfe gerollt - und zu recht."

Imam Idriz kann die Aufregung um den Halbmond nicht verstehen. "Ich glaube kaum, dass etwas Ähnliches passiert wäre, wenn es um Symbole anderer Religionen gehen würde", sagt er. "Es gibt leider in der Gesellschaft antiislamische Tendenzen." Auch Vural Ünlü, Vorstandsvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Bayern, bedauert den Rückzieher des BR. Schließlich seien die negativen Kommentare im Internet nicht repräsentativ. Dass sich der BR in seinem Programm mit dem Islam beschäftige, sei allerdings "extrem fortschrittlich".

Der Sender verteidigt den Rückzieher: "Ich stehe zu dieser Entscheidung", sagt Andreas Bönte, Leiter des Programmbereichs Planung und Entwicklung. Er betont: "Es gab keinerlei politischen Einfluss. Es war unsere eigene Entscheidung." Wenn ein Logo zu Irritationen und Missverständnissen führe, "dann nehmen wir es lieber raus und versuchen, den Zuschauer-Blick wieder auf den Inhalt in der Mitte zu richten." Schließlich hätten einige Zuschauer gar gedacht, "wir seien von Al Jazeera übernommen worden".

"Wir haben gemerkt, dass Zuschauer auch beim Zuschauerservice anrufen und sich fragen und sich wundern", sagte eine BR-Sprecherin und betonte, programmlich ändere sich nichts. Seit dem 20. Juni bis zum Ende des Ramadan (Mitte Juli) zeigt das Bayerische Fernsehen regelmäßig Beiträge. "Der BR-Themenschwerpunkt Ramadan ist ein Zeichen der Anerkennung gegenüber diesen Mitbürgern und soll zugleich allen Zuschauern breites Wissen über den Ramadan vermitteln. Denn oft beherrschen Vorurteile das Denken über Religion und Kultur", teilte die Sprecherin mit.

Mittlerweile melden sich auch immer mehr Menschen zu Wort, die den Rückzieher des BR kritisch sehen. Einige Zuschauer bedauern, dass der Sender nach der Kritik so schnell einknickte. So hieß es in einem Kommentar auf Facebook: "Schade dass der BR dem Deutschdödel-Mob nachgibt." Ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter forderte seine Mitbürger zur Gelassenheit auf: "Ein Halbmond im Beitrag, na und? Was beschweren sich Zuschauer aus Bayern darüber? Nur Toleranz, Akzeptanz unerwünscht?", schrieb er. Ein anderer kommentierte: "Bei der Pressefreiheit sind sich Bayern und die Türkei einig."

© SZ vom 26.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: