Nach Messerattacke in Töging:Ohne Schloss und Riegel

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Nach dem Überfall auf eine 16-Jährige in Töging wird eine Frage laut: Warum war der mehrfach vorbestrafte Angreifer überhaupt auf freiem Fuß und nicht in Sicherungsverwahrung?

Eigentlich, so sollte man meinen, wäre Matthias A. das Paradebeispiel für einen Straftäter, für den der Gesetzgeber das Instrument der Sicherungsverwahrung geschaffen hat. An Versuchen, A. in diese Verwahrung zu nehmen und hinter Gittern zu lassen, hat es auch nicht gefehlt, aber sie blieben alle im Gestrüpp der außerordentlich fein verästelten gesetzlichen Bestimmungen hängen.

Täter wie der mutmaßliche Angreifer von Töging gehörten "hinter Schloss und Riegel", fordert Bayerns Innenminister Herrmann (CSU). (Foto: Foto: AP)

Bei der ersten Verurteilung wegen Vergewaltigung einer 18-jährigen Schülerin im Jahr 1992 kam Sicherungsverwahrung nicht in Frage, weil das damals geltende Gesetz mindestens zwei Vorverurteilungen zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe forderte. Matthias A. war aber - abgesehen von den Jugendstrafen wegen Diebstahls - nur einmal einschlägig vorverurteilt, und auch nur zu neun Monaten. Wegen der eindeutig sexuell motivierten versuchten Entführung einer Radfahrerin im Jahr 2000 - einer Tat, die der von Töging sehr ähnelt - wurde Matthias A. lediglich zu 18 Monaten Haft verurteilt; Sicherungsverwahrung kann aber nur bei einer Verurteilung zu mindestens zwei Jahren verhängt werden.

Nach der Entlassung aus der Psychiatrie 2006 beantragte die Staatsanwaltschaft, nachträglich Sicherungsverwahrung zu verhängen. Sie konnte sich dabei auf den Absatz 3 des 2004 neu geschaffenen Paragraphen 66b Strafgesetzbuch berufen: Voraussetzungen sind danach eine frühere Verurteilung zu mindestens drei Jahren und die fortbestehende Gefährlichkeit. Beide Voraussetzungen lagen vor. Aber der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Absatz drei nur anwendbar ist, wenn der Betroffene sonst unmittelbar in die Freiheit entlassen werden müsste. Matthias A. aber hatte zunächst noch die 18 Monate aus der Verurteilung von 2001 abzusitzen.

Im Paragraphen-Dickicht

Nach Verbüßung dieser 18 Monate prüfte die Staatsanwaltschaft Hildesheim erneut die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung von Sicherungsverwahrung, die sich diesmal nach den Absätzen eins und zwei des Paragraphen 66b zu richten hatte. Wiederum kam man zu dem Schluss: Es geht nicht. Denn das Gesetz fordert als Voraussetzung für die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung, dass nach der Verurteilung "Tatsachen erkennbar (werden), die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen".

Im Fall des Matthias A. aber waren diese Tatsachen zweifellos schon bei der Verurteilung bekannt. "Wir haben nichts unversucht gelassen, damit eine nachträgliche Sicherungsverwahrung greift", sagt Christina Pannek von der Staatsanwaltschaft Hildesheim. Dies sei "ein sehr unglücklicher Einzelfall".

Merk und Herrmann "bestürzt"

Sowohl die bayerische Justizministerin Beate Merk als auch Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) haben den Fall Matthias A. zum Anlass genommen, eine weitere Verschärfung der Vorschriften über die Sicherungsverwahrung zu fordern. Merk, die sich zur Zeit in den USA aufhält, nannte es "bestürzend, dass das Gesetz immer noch so lückenhaft ist" und verlangte eine schnelle Korrektur. Wie sie kritisierte auch Herrmann Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und warf ihr vor, sie habe einen "unverzeihlichen Fehler" begangen, weil sie die vom Bundesgerichtshof festgestellten Gesetzeslücken nicht geschlossen habe.

An die Adresse des Landgerichts Saarbrücken sagte Herrmann, er könne "nicht begreifen, wie man bei dieser negativen Prognose eine dauerhafte Unterbringung beenden kann".

Ihm sei das Leben eines jungen Mädchens wichtiger als die Resozialisierung eines Verbrechers. Täter wie A. gehörten "hinter Schloss und Riegel".

© SZ vom 24.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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