München:"Es braucht einen richtig großen Wurf"

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Wie es den Lehrern gerade geht, weiß Simone Fleischmann genau. Vor den Ferien wurde sie von Kindern und Kollegen ihrer Poinger Schule verabschiedet. (Foto: Christian Endt)

Lehrerverband mahnt vor dem Schulbeginn, bei der Integration der Flüchtlingskinder dürfe Geld keine Rolle spielen

Von Anna Günther, München

Die Bilder von Tausenden Flüchtlingen in Budapest, Österreich und München haben in vielen Menschen etwas ausgelöst. Nicht nur in denen, die dabei waren. Obwohl die Herausforderungen im bayerischen Schulsystem mit Tausenden neuen Flüchtlingen weiter steigen werden, gibt sich Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), eine Woche vor Beginn des neuen Schuljahres pragmatisch. Statt Zahlen zu nennen und bestimmte Summen zu fordern, appelliert Fleischmann an Zusammenhalt, soziale Verantwortung und Solidarität der Lehrer, aber auch der Eltern und der Politik. "Wir müssen versuchen, die Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen - so schwierig es auch wird", sagt die 45-Jährige der SZ. Niemand könne derzeit den Bedarf voraussehen, aber die Bedürfnisse der bayerischen Schüler dürften nicht gegen Flüchtlinge ausgespielt werden. "Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung", sagt Fleischmann. Pädagogen und Ministerium sollten zusammen eine Lösung zu finden

In der Sache bleibt sie hart: "Um die Herausforderungen zu schultern, braucht es einen richtig großen Wurf." Neben einem "fetten Budget" fordert Fleischmann eine personelle Reserve aus Pädagogen, Psychologen, Sozialarbeitern und Dolmetschern, die flexibel und schnell unterstützen können. Die Situation an den Schulen müsse genau beobachtet, zudem müssten individuelle Lösungen gefunden werden. Geld dürfe keine Rolle spielen, sagt die BLLV-Präsidentin. Mit der derzeitigen Ausstattung könnten die Schulen den Pflichtunterricht halten. Inklusion, individuelle Förderung oder zusätzliche Angebote wie Arbeitsgruppen seien oft nicht mehr drin. Die besonderen Bedürfnisse der Flüchtlingskinder kommen noch dazu.

Es sind vor allem Volksschullehrer - traditionell im BLLV organisiert -, die in nächster Zeit die Hauptlast tragen werden. An Grund- und Mittelschulen werden die meisten der 30 000 jungen Asylbewerber betreut. Für sie beginnt am Dienstag wie für alle 1,7 Millionen bayerischen Schüler der Unterricht. Einige lernen in den 470 Übergangsklassen, andere in normalen Volksschulen. "Gerade dort fehlen zusätzliche Pädagogen und Spezialisten", sagt Fleischmann. Viele Lehrer seien besorgt und unsicher, wie sie die Integration neben normalem Unterricht meistern sollen. Und auf traumatisierte Kinder sind die wenigsten vorbereitet.

Fleischmann ist überzeugt, dass Zusammenhalt und Solidarität bei den Volksschullehrern besteht. Eine kleine Umfrage unter Lehrern habe im Sommer gezeigt, dass bei der großen Mehrheit der Wille da ist - solange die Belastungsgrenze nicht überschritten wird. "Es ist eine Chance, diese Kinder zu formen, ihnen die Sprache und Demokratieverständnis beizubringen", sagt Fleischmann. Die schwierigere Aufgabe sei oft, auch Solidarität und Verständnis der Eltern zu gewinnen. Deren Geduld ende oft, wenn die Förderung des eigenen Kindes gefährdet ist.

Auch im Kultusministerium hört man dieser Tage manches über "gesamtgesellschaftliche Verpflichtung und Flexibilität". Zum neuen Schuljahr stockte das Ministerium die Übergangsklassen auf, stellte alle angehenden Lehrer für Grund- und Mittelschule sowie 147 Berufsschullehrer ein. Mit dem Nachtragshaushalt 2016 sollen 50 Vollzeit-Anstellungen dazukommen. Ob das reicht, muss sich zeigen: Stellen- und Budgetplan stützen sich auf Zahlen von Juli. Allein in der vergangenen Woche kamen Tausende Asylsuchende über Brenner und Balkan nach Bayern. Wenn sie drei Monate im Freistaat leben, sind auch ihre Kinder schulpflichtig.

© SZ vom 09.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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