Möglicher Neonazi-Hintergrund:Polizei prüft ungeklärte Morde

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Sind in Bayern mehr Menschen Opfer von Neonazi-Attacken geworden als bisher bekannt? Zahlreiche ungeklärte Taten werden nun auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund geprüft.

Mehr als 40 ungeklärte Tötungsdelikte in Bayern aus den Jahren 1990 bis 2011 werden derzeit neu auf einen möglichen rechtsextremen Hintergrund geprüft. Der Sprecher des Landeskriminalamts (LKA), Ludwig Waldinger, bestätigte am Montag einen Bericht des Bayerischen Rundfunks (BR).

Zu einzelnen Fällen äußerte er sich nicht. "Wir machen ganz bewusst keine Angaben, welche Fälle das sind." Die Fälle seien Ende 2013 zum Bundeskriminalamt (BKA) gemeldet worden. Dort würden sie von Experten untersucht, die auch im Fall des Nationalsozialistischen Untergrunds ermittelten.

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Laut BR liegt ein Verdacht auf rechtsextremistische Täter nahe, etwa weil die Opfer Migranten, Moslems, Juden, Menschen mit Behinderung oder Homosexuelle waren. Bisher habe die offizielle Polizeistatistik für Bayern neben den fünf NSU-Morden in Nürnberg und München nur einen Toten durch extrem rechte Gewalt seit der Wiedervereinigung verzeichnet: Carlos Fernando aus Mosambik, der am 15. August 1999 im oberbayerischen Kolbermoor von einem Rassisten erschlagen wurde.

Nun wird laut BR unter anderem der Amoklauf eines jugendlichen Hitler-Fans 1999 in Bad Reichenhall mit vier Toten untersucht. Zu den sechs Verletzten zählte damals auch der Schauspieler Günther Lamprecht.

In mehreren Fällen hätten zivilgesellschaftliche Organisationen und Fachjournalisten schon lange rechte Gewalt vermutet, etwa bei dem Mord an einem Homosexuellen am 7. September 1995 im oberpfälzischen Amberg. Auch der Fall eines zu Tode geprügelten 41-Jährigen 2006 im niederbayerischen Plattling wird neu untersucht, ebenso eine Tat vom April 2008 im schwäbischen Memmingen. Damals erstach laut BR ein Neonazi seinen Nachbarn mit einem Bajonett, weil der sich über den lauten Rechtsrock beschwert hatte.

Nach dem Auffliegen der Terrorgruppe NSU war ein Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus gegründet worden. Rund 3300 ungeklärte Fälle vollzogener oder versuchter Tötungsdelikte aus ganz Deutschland aus den Jahren 1990 bis 2011 seien dann mit einem Fragenkatalog an die zuständigen Mordkommissionen in den Ländern geschickt worden, sagte LKA-Sprecher Waldinger.

Mehr als 300 Taten betrafen Bayern. Von diesen seien 45 Taten an das BKA zurückgemeldet worden. Ergebnisse werden im Laufe des Jahres erwartet.

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