Missstände in Altenheimen:Pflege-Rebell scheitert endgültig

Bundesverfassungsgericht lehnt Beschwerde gegen den Staat ab

Der Augsburger Pflege-Rebell Armin Rieger ist mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die Zustände in deutschen Altenheimen endgültig gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat seinen juristischen Vorstoß gegen den Staat nicht zur Entscheidung angenommen, weil er "unzulässig" sei. Der Geschäftsführer des Pflegeheimes "Haus Marie" nahm diese Entscheidung mit großer Enttäuschung zur Kenntnis: "Ich dachte nicht, dass ich einmal sagen würde, dass ich mich für Deutschland schäme, aber nun schäme ich mich tatsächlich für unser Land und für unsere Politiker."

Rieger hatte Mitte 2014 in Karlsruhe Beschwerde gegen den Staat wegen Verletzung der Schutzpflicht Pflegebedürftiger eingereicht. Der Heimleiter wirft den staatlichen Behörden vor, Missständen in Pflegeeinrichtungen seit Jahren untätig zuzusehen. Das verletze das Recht der Pflegebedürftigen auf Würde, Gleichheit und körperliche Unversehrtheit. So müssten auch in seinem Heim wegen unzureichender Personalausstattung Bewohner immer wieder darauf warten, zur Toilette gebracht oder gewaschen zu werden. In vielen Heimen bekämen die Bewohner nicht genügend oder schlechtes Essen.

Das Gericht hatte Riegers Beschwerde schon einmal mit dem Hinweis zurückgewiesen, der Heimleiter sei selbst als Person dadurch nicht in seinen Grundrechten verletzt. Dagegen hatte Rieger Widerspruch eingelegt. Auch diesen wiesen die Richter jetzt zurück. Er wolle nun prüfen, welche Möglichkeiten ihm noch bleiben, sagte Rieger. Einen Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schloss er nicht aus: "Das werde ich mir ernsthaft überlegen. Ich gebe jedenfalls mit Sicherheit nicht auf."

Die Erste Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat Riegers Beschwerde einstimmig abgelehnt. In dem Bescheid wird die Entscheidung als "unanfechtbar" bezeichnet und nicht weiter begründet. Rieger bezeichnet das Urteil als "Sieg der großen Träger, der Lobbyisten und der Politik". Dieser habe zur Folge, "dass sich die börsennotierten Träger, aber teilweise auch die Wohlfahrtsverbände mit schlechter Pflege weiter die Taschen füllen und für die Aktionäre weiter hohe Renditen einfahren können".

Rieger hatte 2014 einen 21-seitigen Schriftsatz nach Karlsruhe geschickt, der sich wie eine einzige Abrechnung mit dem aktuellen Pflegesystem las. Darin warf er Heimen und Pflegern sogar Urkundenfälschung und Betrug vor: "Jeder weiß, dass täglich Leistungen seitens der Pflegekräfte abgezeichnet oder dokumentiert werden, die nicht geleistet werden können." Die Krankenkassen und Politiker wüssten davon auch, doch es werde "systematisch weggeschaut". Laut Rieger sei unter den aktuellen Rahmenbedingungen eine Berufsausübung "unter ethischen Gesichtspunkten nicht möglich. Der vorgegebene Personalschlüssel und die zustehenden Mittel lassen eine menschenwürdige Pflege nicht zu". Riegers Überzeugung: "Es gibt kein Heim ohne Mängel."

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