Ministerpräsidenten in Bayern:Gnadenlose CSU

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Wer wird es wohl werden, wenn Seehofer nicht mehr kandidiert? Der CSU-Ministerpräsident will "geordnete Übergänge" schaffen - wie schon so viele vor ihm. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Streibl, Stoiber, Beckstein - die CSU hat noch nie einen friedvollen Übergang von Ministerpräsident zu Ministerpräsident hingekriegt. Ausgerechnet Seehofer will das jetzt besser machen. Daraus wird wohl nichts.

Von Frank Müller und Mike Szymanski, München

Einen "geordneten Übergang hinbekommen" - das sagt sich so leicht. Wie schwer es aber in der Praxis ist, die Macht in der CSU an die nächste Generation weiterzugeben, zeigt CSU-Chef Horst Seehofer gerade selbst. Erst wollte er im Jahr 2018 ganz sicher aufhören. Nun sinniert er öffentlich darüber, doch noch einmal ein paar Jahre dranzuhängen. Es wäre dann seine dritte Amtszeit, er wäre 69 Jahre alt.

Nach übereinstimmender Interpretation aller Seehofer-Auguren will der Ministerpräsident im Moment vor allem Markus Söder verhindern, den Ehrgeizigsten im Kabinett, der auch immer mehr zu einem ernsten Rivalen wird. Seehofer will seine Nachfolge unbedingt selbst regeln. Sich nicht drängeln lassen. Dass das in der jüngeren Parteigeschichte noch nie geklappt hat, stört Seehofer nicht. Einer müsse ja der Erste sein. Sagt er. Das wäre nicht die CSU, wenn nicht um Macht gerungen würde, sagen die anderen in der Partei.

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Stoiber auf Streibl, Huber/Beckstein auf Stoiber, Seehofer und schließlich Söder: Die Übergänge in der CSU waren nicht immer friedlich. Eine Übersicht in Bildern.

"Am Ende geht es um eine ganz einfache Rechnung", erklärt ein Mitglied aus der Riege der Kronprinzen, die darum wetteifern, Seehofer zu beerben. "Nämlich: Von welchem Kandidaten verspricht sich die Partei den meisten Erfolg?"

Es geht nicht um Erbfolge

Seehofer tut zwar so, als gehöre die Nachfolgeregelung zu seinem Job. Doch wenn es dann soweit ist, zählen ganz andere Interessen. Dann geht es nicht um Erbfolge. Landtagsabgeordnete wollen wiedergewählt werden und fragen danach, wer die beste Gewähr dafür bietet. Parteigremien wollen Macht, Einfluss und Mehrheiten gesichert sehen. Welche Dynamik sich dann ganz schnell entfalten kann, weiß Günther Beckstein. Er hat persönlich erfahren, wie es ist, die Macht an sich reißen zu müssen, und wie bitter es sich anfühlt, sie wieder entrissen zu bekommen.

Er und Erwin Huber hatten sich darauf verständigt, Edmund Stoiber abzulösen. Das war in den wilden Nächten von Kreuth im Jahr 2007, als Stoiber nicht loslassen konnte. Im Herbst des darauf folgenden Jahres waren Huber und Beckstein die Macht selbst wieder los. Als die CSU bei der Landtagswahl abstürzte, nicht nur die Zweidrittelmehrheit verlor, sondern auch die Alleinregierung, da wurden Beckstein und Huber davongejagt.

Beckstein hat viele Übergänge in der Partei miterlebt. Geordnet waren sie nie. Er sagt heute: "Es waren immer sehr turbulente Zeiten." Als ob man die Macht einfach so übergeben könnte wie Beamte Akten, wenn sie Übergabe machten. Ein paar freundliche Worte wechseln, sich die Hand schütteln. Beckstein muss nicht lange grübeln: "Ob es überhaupt möglich ist, alles in aller Ruhe zu übergeben, das kann ich mir, offen gestanden, nicht vorstellen", sagt er.

Seehofer war nicht der Wunschkandidat

Was allen anderen vor ihm verwehrt blieb, soll nun ausgerechnet der unbeständige Seehofer bewerkstelligen? Als er die Partei 2008 übernommen hatte, lag sie in Trümmern. Gedemütigt durch eine Wahlniederlage historischen Ausmaßes. Seehofer war nicht der Wunschkandidat. Er war die letzte Hoffnung. Ein Jahr zuvor noch hatten die Delegierten ihm die Gefolgschaft verweigert. Er war Erwin Huber im Machtkampf um den Parteivorsitz unterlegen. Und damals war wirklich geschmutzelt worden, jedenfalls wurde ausgerechnet in jener Zeit, als Seehofer nach der Macht griff, bekannt, dass er eine Affäre hatte und mit der Frau ein Kind bekam.

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Seehofer hat das nie vergessen und seine Art der Machtsicherung daraus entwickelt: Möglichst unangefochten dadurch sein, dass es ein ganzes Geflecht an Kronprinzen gibt, die sich selbst in Schach halten. Das hat bislang mit den verschiedensten Namen ganz gut funktioniert: Karl-Theodor zu Guttenberg, Markus Söder, Ilse Aigner, Joachim Herrmann, Alexander Dobrindt, Christine Haderthauer. . . Seehofer hat das Prinzip nicht zuletzt von Franz Josef Strauß übernommen, unter dem sich Gerold Tandler, Edmund Stoiber, Peter Gauweiler, Max Streibl, Theo Waigel auf- und abschwellende Hoffnungen machen konnten.

Strauß übernahm 1978 beide Ämter

Strauß starb im Oktober 1988 so überraschend, dass sich die Nachfolge schnell von selbst regelte. Max Streibl wurde Regierungschef, Theo Waigel übernahm die Partei. Es war wieder eine Doppelspitze, wie schon in den Sechziger- und Siebzigerjahren zur besten CSU-Zeit: mit Strauß als Parteichef und Alfons Goppel als Prototyp des Landesvaters - bis Strauß 1978 beide Ämter übernahm.

Strauß-Tochter Monika Hohlmeier hat alle Auf und Abs aus der Nähe verfolgt: "Geordneter Übergang heißt für mich, dass es nicht zu solch schweren Verletzungen kommt, die Jahre brauchen, bis sie heilen", sagt sie. "Ich kann meiner eigenen Partei nur empfehlen, das bleiben zu lassen."

Doch Verletzungen gab es in der Folge von Strauß' Tod genügend, die Protagonisten kämpften mit harten Bandagen. Streibl musste vorzeitig gehen, Stoiber übernahm seinen Posten und schließlich auch den Waigels. Streibls Sohn Florian, der wegen der Turbulenzen aus der CSU austrat und heute Landtagsabgeordneter der Freien Wähler ist, erinnert sich gut an den "geordneten Übergang", den auch sein Vater gewollt habe. "Aber einen genauen Plan hat er nicht gehabt, das war wahrscheinlich auch der Fehler."

Hat Seehofer einen genauen Plan? Er weiß genau, wie seine Partei tickt. Wie brutal sie sein kann, wenn Macht verteilt wird. Vielleicht bekommt man aber nur so ihren Respekt, wenn man besteht. Seehofer hat in seiner Amtszeit kaum versucht, Machtkämpfe zu verhindern. Er stellte sie immer als gute demokratische Praxis dar. Und hatte seine Freude daran, Sieger und Verlierer vom Feld gehen zu sehen.

Keine Scharmützel mehr

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Ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Seehofer-Nachfolge? Das war einmal. Markus Söder hat auch in diesem Jahr beim Maibockanstich bewiesen, dass er vor Kraft kaum laufen kann. Ilse Aigner kommt dagegen nicht in die Gänge.

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Seehofer erklärt immer, es gehe ihm um die Partei. Der Sturz Stoibers sei ein "Fehler" gewesen. Die Erschütterungen hätten noch lange die Partei geschwächt. Dies dürfe sich nicht wiederholen. Die Leute wollten auch keine Scharmützel mehr, wie sie sich die "alte CSU" geliefert habe. Sonst lande die Partei im 30-Prozent-Turm. Aber zuvorderst sichert Seehofer gerade seine eigene Machtbasis. In Kreis seiner Vertrauten haben sie es immer schon für einen Fehler gehalten, dass er schon vor Jahren seinen Abschied auf 2018 datiert hat. Ein "Save-the-date" mit gravierenden Folgen, denn seitdem kämpft er dagegen an, Vergangenheit zu werden.

Jeder Versuch, die Nachfolge-Debatte zu stoppen, scheiterte. Eigentlich hatte Seehofer zu Jahresbeginn angekündigt, zu Fragen der Nachfolge zwei Jahre lang überhaupt nichts mehr zu sagen. Er raunte auch schon mal geheimnisvoll, zu allen bekannten Namen werde sich noch ein "Mister X" gesellen. Das war sein großer Joker.

Hat er ihn jetzt gezogen? Zu denen, die das schon vorhergesehen haben, gehört sein Rivale Söder. Beim Maibock-Anstich im Hofbräuhaus provozierte er den Ministerpräsidenten: "Im Kabinett geht es sehr harmonisch zu, die Stimmung ist gut, nur einer stört." Jeder wusste, wer gemeint war. Und Söder hörte nicht auf: "Unsere Sorge ist nicht, wann er aufhört, unsere Sorge ist, ob er überhaupt irgendwann aufhört."

© SZ vom 28.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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