Miesbach:Warum Landschaftsschutzgebiete nicht viel für die Natur bringen

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Darf der Salbenhersteller Sixtus am Schliersee eine Erlebniswelt bauen? Am 9. Oktober entscheiden die Bürger. (Foto: kpf)

Der Umgang mit den Zonen im Landkreis Miesbach zeigt exemplarisch, warum die Areale schwierig für die Gemeinden sind und ihren Zweck nicht immer erfüllen.

Von Matthias Köpf, Miesbach

Der Kreistag hat's gegeben, der Kreistag kann es wieder nehmen: So lautet grob gefasst die Regel beim Landschaftsschutz. Das führt immer wieder zu heftigen Debatten, denn ob die neue Wohnsiedlung oder ein größeres Gewerbegebiet nicht viel wichtiger ist als die unverbaute Landschaft, das müssen die Kreisräte abwägen und am Ende politisch entscheiden. Oft entscheiden sie sich für das Bauprojekt, wie sie es auch im Landkreis Miesbach über Jahrzehnte hinweg getan haben.

Doch immer häufiger regt sich auch dort der Bürgerprotest gegen weitere Eingriffe in die Landschaft. Nun will eine Mehrheit aus CSU und Freien Wählern Kriterien für den Umgang mit dem Landschaftsschutz entwickeln lassen - gegen den Widerstand der anderen Parteien und des grünen Landrats Wolfgang Rzehak. Diese befürchten, dass der Vorstoß nur den Schutz der Landschaft aufweichen soll.

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Dass es mit diesem Schutz bei reinen Landschaftsschutzgebieten nicht allzu weit her ist, könnten schon Zahl und Größe der Gebiete nahelegen. So gehören weite Teile der Wald- und Mittelgebirgslandschaften nördlich der Donau zu dem knappen Drittel der gesamten Landesfläche, die in Bayern unter Landschaftsschutz steht; südlich der Donau sind die Gebiete seltener, hier sticht neben den Wäldern westlich von Augsburg und der Region um Starnberger- und Ammersee vor allem der südliche Landkreis Miesbach hervor. Dafür sind im Süden viele FFH-Flächen über europäisches Recht geschützt oder stehen unter Naturschutz wie etwa im Karwendel, im Ammergebirge und in den Allgäuer und Chiemgauer Alpen.

Genau solche Naturschutzgebiete mit ihren viel größeren Einschränkungen wollte der Landkreis Miesbach seinen Gemeinden und Bauern Mitte der 1950er-Jahre ersparen, indem er großflächig Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen hat. Zu der Zeit konnten die Gemeinden den Landschaftsschutz umstandslos mit eigenen Planungen außer Kraft setzen, weshalb in den Rathäusern niemand zögerte, die Schutzgebiete gleich hinter dem letzten Haus beginnen zu lassen.

Doch die Rechtslage hat sich in den 1970er-Jahren geändert. Seither fühlen sich die Kommunen in ihrer Entwicklung behindert, und fast jedes größere Bauprojekt landet im Kreistag. Der war nie sehr zurückhaltend und machte auch manch umstrittenes Gewerbe- und Tourismusprojekt rund um Tegernsee und Schliersee möglich: Von 35 Anträgen seit 1989 hat er nur zwei abgelehnt, zwei wurden zurückgezogen. Gestritten wurde gleichwohl viel, zuletzt etwa über einen Neubau für den Salbenhersteller Sixtus am Schliersee, über den am 9. Oktober die Schlierseer in einem Bürgerentscheid befinden.

Oft dominieren andere Interessen

CSU und Freie Wähler in Miesbach bezeichnen die bisherige, von ihnen selbst dominierte Praxis angesichts der restriktiveren Linie des grünen Landrats nun als beliebig bis willkürlich und wollen Kriterien für neue Wohnbauten und Gewerbeflächen entwickeln lassen. Dagegen bestehen die übrigen Fraktionen darauf, dass stets im Einzelfall entschieden wird.

Fachleute könnten einem Kriterienkatalog für den Landschaftsschutz einiges abgewinnen. Denn die Debatten dominieren untergründig oft ganz andere Interessen - etwa, wenn ein Gewerbegebiet im Nachbarort verhindert werden soll, um die Gewerbesteuer selber einzunehmen. Genauso oft schanze man sich aber auch gegenseitig die Entwicklungsflächen zu. Unliebsame Argumente ließen sich da allzu einfach "wegwägen", so der behördeninterne Sprachgebrauch.

Offene und transparente Diskussion

Der Geschäftsführer des bayerischen Landkreistags, Johann Keller, hält es für sehr sinnvoll, Ziele für den Umgang mit dem Landschaftsschutz zu definieren. "Das ersetzt aber nicht die Prüfung im Einzelfall", mahnt er. Denn auch diese Ziele können zueinander im Widerspruch stehen, und eine feste Formel, wie der aufzulösen ist, könne es kaum geben. Holger Magel, emeritierter Professor für Landmanagement an der TU München, Präsident der Bayerischen Akademie Ländlicher Raum und Mitglied vieler Kommissionen, argumentiert im Zweifel stets für den Landschaftsschutz.

Der stehe gerade "wahnsinnig unter Druck" - auch durch die Bestrebungen von Heimatminister Söder, neue Projekte abseits bebauter Gebiete möglich zu machen und den Kommunen mehr Verantwortung zu geben, um sich den Beifall der Bürgermeister zu sichern. Magel setzt darauf, der Landschaft einen eigenen Wert beizumessen, der sich mit dem reinen Geldwert von Baugebieten in Beziehung setzen lässt. Die reine Nutzen-Kosten-Analyse habe als Instrument versagt, bekräftigt Magel. Eine offene und transparente Diskussion über Werte und Ziele im Landschaftsschutz sieht er positiv. Die müsse aber weit über einen einzelnen Kreistag hinaus geführt werden.

© SZ vom 26.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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