Landwirtschaft:Hopfen aus der Hallertau: Die Seele des Bieres

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Der Hopfen ist die Seele des Bieres, sagen die Brauer. Die Dolden verleihen dem Bier das Bittere, aber auch das Aroma. (Foto: Lukas Barth)

Die Hallertau ist das größte Hopfen-Anbaugebiet der Welt. Hier pflanzt auch Landwirt Josef Wittmann die Pflanze an, die dem Bier seinen Geschmack gibt - manchmal gelingen ihm sogar besondere Züchtungen.

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Ein feiner Zitronenduft steigt in die Nase. Hier, mitten in der Hallertau, auf dem Hof von Josef Wittmann in Steinbach. Zitronenbäume sucht man an diesem trüben Tag im Herbst 2015 jedoch vergeblich, wohin man auch blickt - nur Hopfenfelder, Hopfenfelder. Woher kommt also dieser Zitronenduft? "Das ist die Cascade", erklärt der Landwirt. "Eine amerikanische Aromahopfensorte."

In der Tat, an Aroma fehlt es nicht. Der Geruch schwappt in Wogen aus der Scheune heraus, in der die Darre, der Trocknungsturm, untergebracht ist. Wittmanns Frau Anneliese verteilt dort auf dem obersten Rost die frisch gepflückten Dolden. "Dafür arbeiten wir das ganze Jahr", sagt sie. Für den Hopfen, der wie viele Brauer sagen, die Seele des Bieres ist.

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Die Seele braucht viel Pflege, das ganze Jahr über. Aus jedem Stock wachsen im Frühjahr Dutzende Triebe, zwei oder drei werden knapp über dem Boden an die Rankdrähte "angeleitet", also befestigt. Nur die weiblichen Pflanzen dürfen die Reise - übrigens im Uhrzeigersinn - nach oben antreten, sie liefern die Frucht. Innerhalb weniger Wochen erreichen die Pflanzen sieben Meter Länge. Damit hat die Arbeit lange noch kein Ende: Die Felder müssen auf Schädlinge kontrolliert werden, Pflanzenschutzmittel, speziell für Hopfen zugelassen, sind erlaubt. "Der Hopfen will jeden Tag seinen Herrn sehen", zitiert Wittmann einen alten Spruch. Zur Erntezeit, die Ende August beginnt, will er ihn viele, viele Stunden sehen.

Der Tag des 59-Jährigen beginnt dann um vier Uhr morgens, gegen 22 Uhr abends ist Schluss. "Bei mir gibt es keine Arbeitszeitbeschränkung", sagt Wittmann und grinst. Die Helfer dagegen, von denen bei den Wittmanns drei aus Polen und einer aus Deutschland kommen, dürfen bei Weitem nicht so lange arbeiten wie der Chef. Der aber, ein drahtiger Mann mit weißem Stoffhut, scheint alles mit Gelassenheit zu nehmen, und vielleicht hat ihm diese Eigenschaft auch 20 Jahre lang das Amt als Vorsitzender des Hopfenpflanzerverbands Hallertau beschert. Das Amt hat er mittlerweile abgegeben, zu tun hat er als Bauer auch ohne Nebenjob genügend.

Wittmanns Hof zählt mit 44 Hektar Anbaufläche zu den größeren Betrieben in der Hallertau. Im Durchschnitt bewirtschaften die 950 Betriebe deutlich weniger, um die 14 Hektar. Die Region, geografisch im Zentrum Bayerns gelegen, ist eines von vier deutschen Anbaugebieten: Es gibt noch die Stadt Spalt in Franken, die die einzige kommunale Brauerei in Deutschland betreibt, und Tettnang in Baden-Württemberg sowie Elbe-Saale in Ostdeutschland.

Das größte Anbaugebiet der Welt

Die Hallertau aber ist das größte Anbaugebiet Deutschlands - und der Welt. Ein Drittel des weltweit erzeugten Hopfens, der für die Bitterung des Bieres zuständig ist, gedeiht hier, dank tertiärem Hügelland und passendem Klima. In mehr als 100 Länder werden die 25 angebauten Sorten exportiert. Die Brauereien sichern sich ihren Hopfenbedarf meist über langfristige Lieferverträge. Wie die Ernte verteilt wird nach einem so trockenen Sommer wie 2015, bei dem der Ertrag in der Hallertau mit 24 000 Tonnen um fast ein Drittel geringer ausfiel als im Vorjahr, das ist Verhandlungssache.

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Immer noch machen klassische Sorten den Großteil des Ernteguts aus - etwa die Aromasorte Perle oder die Alphasorte Herkules. Der Anteil an exotischeren Sorten wie Cascade aber wächst: Seit die Craft-Bier-Szene aus Amerika nach Deutschland übergeschwappt ist, steigt die Nachfrage nach Pflanzen, die nach Zitrus oder Beeren duften.

In jedem Fall wird das, was hoch über dem Boden wächst, sorgfältig geerntet. "Fahr noch mal raus mit der Hopfenkanzel, und schau, ob noch Dolden oben hängen", weist Wittmann seinen Sohn an. Am Tag zuvor wurde Comet geerntet, erklärt er. Eine komplizierte Sorte, bei der die großen offenen Dolden - die an junge grüne Fichtenzapfen erinnern - gerne oben in den Drähten hängen bleiben, wenn unten die Pflanzen samt Rankdraht abgeschnitten und auf den Erntewagen gehäuft werden.

In der Pflückhalle legen die Helfer die Pflanzen einzeln per Hand in die Förderbänder ein. "Das ist immer noch so", sagt Wittmann. Den wichtigen Rest erledigt die Maschine: Dolden abzupfen, Reste samt Draht kleinhäckseln; das Grüngut kommt dann wieder auf die Felder. Die Sache mit dem Draht ist nicht optimal, wie der Hopfenpflanzerverband Hallertau einräumt. Aber bisher seien alle Experimente mit Schnüren aus Naturmaterial gescheitert.

Wie auch immer, zu Mittag hat die Pflückmaschine Pause. Zwei Helfer reinigen die Förderbänder von den Spuren der Cascade. Bald ist die nächste Hopfensorte dran - dafür muss alles sauber sein.

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Währenddessen läuft der Trocknungsprozess für die Cascade. Start ist hoch oben im Turm auf dem obersten Rost. Im Laufe von etwa fünf Stunden fallen die Dolden über drei Roste nach unten in eine Schublade. Eine Restfeuchte von nur zehn Prozent sollten sie dann noch haben. Anschließend wird der Hopfen homogenisiert, bevor er in Packstücke mit 60 Kilogramm Gewicht gepresst wird.

Fein säuberlich aufgereiht stehen in Wittmanns Scheune Dutzende von Packen. Und wie weiß ein Hopfenbauer, ob die Restfeuchte stimmt? Wittmann grinst. "Das haben wir im Gefühl", sagt er. Fast. Seit drei Jahren hat Wittmanns Gefühl Unterstützung in Form eines elektronischen Messgeräts: "Über diesen Helfer sind wir schon sehr froh", sagt er.

Denn schiefgehen sollte nichts. Zu wenig getrocknet, oder zu viel - dadurch verändern sich Farbe und Aroma. Regnet es in der Erntezeit, verliert der Hopfen an Aroma, zudem wird es schwierig, die Dolden auf die gewünschte Restfeuchte runterzutrocknen. Auch das Wetter in der Wachstumsphase hat großen Einfluss: auf den Alphasäuregehalt, der das Bittere im Bier ausmacht.

Die eigene Züchtung - eine Seltenheit

Zu guter Letzt muss der Hopfen einen strengen Prüfungsprozess durchlaufen, bevor die Dolden in die weiterverarbeitenden Betriebe kommen, die meist Pellets aus dem Erntegut machen: Etwa jeden fünften der Ballen schneiden Prüfer auf, um eine Probe zu entnehmen. Dank Siegel auf jedem einzelnen Packstück lässt sich genau feststellen, woher die Probe kommt - Erzeuger, Sorte, Menge, Datum. Ein gut kontrolliertes Lebensmittel.

Und ein spannendes. Wittmann zerreibt eine Dolde. Ein feiner Geruch entfaltet sich, fruchtig. "Morgen ernten wir die Monroe, die duftet nach Kirsch und reifen Erdbeeren", erzählt er. Monroe, wie die Marilyn? Ja, sagt Wittmann. Ein baden-württembergischer Brauer hat daraus ein Craft-Bier gezaubert, erzählt er, mit einem Etikett, das dem Namen alle Ehre macht. Der Landwirt lächelt einmal mehr. "Leider hab ich sie verkauft."

Die Monroe war seine eigene Züchtung. Eine Seltenheit, denn in der Regel züchtet die Gesellschaft für Hopfenforschung gemeinsam mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Aber auch Wittmann hat Spaß daran. Und zwar so viel, dass er nach drei Wochen Ernte weniger an Urlaub denn an eine neue Züchtung denkt. "Eine ganz eine zitronige soll es werden", sagt er. Eine Zitronenseele für das Bier. Wie das Ergebnis auch ausfallen mag - für Wittmann steht fest: "Hopfenpflanzer zu sein, das ist für mich der schönste Beruf der Welt. Es gibt jedes Jahr etwas Neues, jedes Jahr etwas Interessantes und wir sind nah am Marktgeschehen."

© SZ vom 07.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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